Stadtlexikon Darmstadt

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Gaststätten

1442 wurden mit „Ewald dem Wirt“ und „Johann dem Neuen Wirt“ erstmals zwei Darmstädter Gastwirte erwähnt. Über die Lage ihrer Gaststätten und über weitere mögliche Gaststätten ist nichts bekannt. Die ältesten Gasthäuser DAs – der „Engel“, der „Schwanen“, der „Adler“ und die „Kanne“ (Hannibal), lagen in der Kirchstraße, durch die sich der Hauptverkehr bewegte. Schildwirtschaften waren um 1645 der „Engel“, der „Schwan“, der „Hirsch“, der „Ochse“, der „Rote Löwe“ (die „Kanne“ war wohl im Dreißigjährigen Krieg eingegangen). 1681 kam die „Goldene Krone“ (Krone) hinzu (die allerdings in den 1640er Jahren einen nur kurze Zeit bestehenden Vorgänger gehabt hatte), dazu existierten zu dieser Zeit die Wirtschaften „Zum fröhlichen Mann“ und „Zum Marstall“. Der Stadtrat verlieh die Schildgerechtigkeit, d. h. die Genehmigung, eine Gastwirtschaft zu betreiben und dies durch Aushängen eines Wirtshausschildes zu dokumentieren. Keine Schildgerechtigkeit hatten die Wirtschaften von Nicolaus Soff und Hans Georg Frey in der Neuen Vorstadt, d. h. der Alexanderstraße, und der vor der Stadt an der Durchgangsstraße liegende Scheuerhof, die spätere „Traube“. Außerdem betrieben zu dieser Zeit noch weitere Bürger Wein- oder Bierausschänke, darunter Hofkapellmeister Wolfgang Carl Briegel und Regimentshauptmann Weitolshausen zu Schrautenbach. Ende des 17. Jahrhunderts wurden die Schildwirtschaften „Zur Sonne“ am Schlossgraben (in der 1784 Friedrich Schiller übernachtete) und „Zum Storchen“ (nach dem Besitzer Storck so genannt) in der Alexanderstraße gegründet. Später folgte noch der „Wilde Mann“. 1714 gab es 10 Schildwirte; weitere 14 Bürger verzapften selbst gebrautes Bier. 1724 ist erstmals vom „Goldenen Anker“ die Rede. 1755 eröffnete der Cafetier Becker in DA die erste Schenke, in der das neue Mode- und Luxusgetränk Kaffee ausgeschenkt wurde. Weitere zusätzliche Vergnügungen waren die zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Mode gekommenen Kegelbahnen und seit Mitte des Jahrhunderts Billardtische, mit deren Hilfe viele Gaststätten um Kundschaft warben. Außerdem wurden schon damals regelmäßig Tanzabende veranstaltet, da die Bürgerschaft von den Hofbällen ausgeschlossen war.

Neben den größeren Gaststätten gab es noch viele kleine Ausschänke. So war es den Winzern und Bierbrauern immer erlaubt, selbst gezogenen Wein und selbst gebrautes Bier in ihren Häusern auszuschenken und über die Straße zu verkaufen. Nur für eingeführte Getränke war eine Genehmigung einzuholen. 1667 beschwerte sich der Stadtrat bei Landgraf Ludwig VI. über das wilde Bierverzapfen, das den Schildwirten und der Stadt große Verluste bescherte. Stein des Anstoßes war vor allem der vor der Stadt gelegene „Scheuerhof“ (Traube), weil er den städtischen Wirten das Publikum entziehe und das Geschäft verderbe. Allerdings gab es genaue Regeln für den Ausschank. Wein und Bier mussten vom Stadtrat bzw. beauftragten Weinmeistern begutachtet und verkostet werden, bevor sie verkauft werden durften. Auch die Verkaufspreise waren vorgeschrieben. Polizeistunde war im 16. Jahrhundert um 9.00 Uhr abends. Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts nahmen die Schildwirtschaften zu, weil sich in den neu erbauten Vorstädten rasch neue Gasthäuser ansiedelten, z. B. der „Goldene Hirsch“ am Jägertor (1779, Alexanderstraße), der „Darmstädter Hof“ in der Rheinstraße (1792) und der heute noch bestehende „Bayerische Hof“ am Ballonplatz (1819). Auch Weinstuben und Eckkneipen nahmen mit der rasanten Stadterweiterung des 19. Jahrhunderts zu, genannt sei nur die „Bockshaut“. Hinzu kamen die Ausschänke der zahlreichen Darmstädter Brauereien. 1819 gab es in DA allein 13 Gasthäuser, die auch Fremde beherbergen konnten (Hotels). Dazu kamen 27 Brauereien, meist mit eigenem Ausschank, 10 Weinhäuser, 6 Kaffeehäuser und 46 Bier- und Branntweinhäuser. 1874 konnte man in DA etwa 70 Gaststätten zählen. Zu den zahlreichen Gaststätten im Stadtgebiet kamen im Laufe des 19. Jahrhunderts viele neue in der Umgebung, die dem in dieser Zeit gestiegenen Bedürfnis nach Ausflügen in die Natur Rechnung trugen. 1838 eröffnete Christoph Faust, der Wirt des Bessunger Chausseehauses, die erste Gaststätte auf der Ludwigshöhe. Wenige Jahre später entstand die Gaststätte auf dem Heiligen Kreuzberg. Älter als diese beiden war die Gastwirtschaft vor dem Hofgut Kranichstein. Auch am Forsthaus Einsiedel wurde ein Ausflugslokal betrieben, ebenso im Forsthaus Fasanerie, links der Dieburger Straße in der Nähe der Hirschköpfe, das 1899 zum Leidwesen der vielen Besucher geschlossen und kurze Zeit später durch das neu erbaute Oberwaldhaus ersetzt wurde. Näher an der Stadt lagen die nicht minder beliebten Ausflugslokale Karlshof und Lindenhof.

Darmstädter Gaststätten nach 1945
Im Zweiten Weltkrieg wurden die meisten alten Gasthäuser zerstört und oft nicht mehr aufgebaut, so z. B. der „Hannibal“ und das „Rummelbräu“ (Darmstädter Privatbrauerei) in der Rheinstraße. Viele waren bereits vorher aufgegeben worden, etwa der „Engel“ und der „Schwanen“ in der Kirchstraße (abgerissen 1903), der „Ochse“ in der Großen Ochsengasse und die „Sonne“ (abgerissen 1901). Wieder errichtet, zum Teil an neuer Stelle, wurden z. B. Grohe, Sitte, Bockshaut und „Anker“. Auch die längere Zeit geschlossene Apfelweinwirtschaft „Heist“ und das in heute veränderter Form bestehende „Braustübl“ kann man dazu zählen. Nur die Krone blieb in altem Zustand erhalten. Zu den wieder errichteten Traditionsgaststätten, die die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs überdauerten, gehört auch der „Ratskeller“, obwohl er eigentlich noch nicht alt war. Eine Gaststätte „Zum Ratskeller“ wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts im Anwesen der alten Gaststätte „Zum Storch“ (Ecke Alexanderstraße/Obergasse) betrieben. Im September 1927 wurde der heutige „Ratskeller“ nach der Sanierung des Alten Rathauses dort eröffnet und in städtischer Regie betrieben. Die ausgeschenkten Weine stammten aus dem städtischen Weinkeller. Der Ratskeller blieb auch nach 1945 in städtischer Regie, wäre 1971 beinahe für immer geschlossen worden, konnte jedoch nach umfangreicher Sanierung 1973 wieder eröffnet werden. Seit 1989 wird mit der hauseigenen Brauerei selbst gebrautes Bier ausgeschenkt.

Ab den 1960er Jahren entwickelte sich eine neue Gaststätten- und Restaurantkultur, die weit differenzierter gestaltet ist als vor 1945, zum einen in Bezug auf regionale Herkunft, zum anderen auch nach den Wünschen des jungen oder älteren Publikums. Bereits 1971 gab es in der Darmstädter Innenstadt etwa 50 von Ausländern geführte Gaststätten, welche die früher ausschließlich „gutbürgerliche“ Ess- und Trinkkultur immer stärker verdrängten. Mittlerweile gibt es ein unüberschaubares Angebot an Gaststätten mit regionaler Ausrichtung aller Herren Länder, Szenekneipen mit Musik, Bars, Bistros und Pubs. Gab es 1984 bereits rund 360 konzessionierte Gaststätten, Cafés, Restaurants, Imbisse usw., waren es im Jahr 2004 rund 750, bei fast gleich bleibender Bevölkerungszahl. Dies führte dazu, dass Gaststätten in immer schnellerem Wechsel eröffnet und geschlossen wurden. Die „Traditionsgaststätte“, die man über Jahrzehnte mit immer gleichem Ambiente besuchen konnte, gehört zu einer aussterbenden Art. So haben die Eventkneipe „Sausalitos“ (vorher „Kuckucksnest“) und das englisch-irisch ausgerichtete „An Sibin“ die Nachfolge der Traditionsgaststätte „Goldener Anker“ angetreten. Dem „Wein-Stütz“ in der Lauteschlägerstraße folgte das „Havana“, und auch in der Krone hat das Musik- und Jugendkulturzentrum das gutbürgerliche Gasthaus abgelöst. Wenige Gaststätten konnten auch neue Traditionen begründen, wie z. B. das „Godot“ in Bessungen, das „Petri“ und das „Hobbit“ im Martinsviertel oder das „Cafe Chaos“ am Finanzamt.

Gaststätten in den Stadtteilen
Der „Goldene Löwe“ an der Frankfurter Landstraße in Arheilgen, 1775 von Thomas Weber erbaut, erlebte eine wechselvolle Geschichte als Gaststätte, Kino und Möbelhaus. Nach dem Kauf des Löwen durch die Stadt und grundlegender Renovierung konnte 1997 der Betrieb als Gaststätte wieder aufgenommen werden. Adam Wannemacher eröffnete 1891 in der damaligen Dieburger Straße (heute Messeler Straße) das Gasthaus „Zur Krone“. Es wurde „Der Schwarze Huck“ genannt, nach den pechschwarzen Haaren der Mutter des Gastwirts, Elisabeth Huck. Die Krone war das Versammlungslokal mehrerer Vereine, hier verkehrten die Honoratioren Arheilgens. Später erfolgte der Anbau eines Tanzsaals und eines Kegelbahn. Etwa 1924 wurde der Betrieb eingestellt. Der „Weiße Schwan“ an der Frankfurter Landstraße 190 wurde 1798 als Pferdestation und Gaststätte gegründet und bis 1981 von der Familie Erzgräber und einer Tochterlinie bewirtschaftet. Mit dem Saalanbau von 1898 wurde das Lokal auch Tagungsstätte und Vereinsheim, 1953 erfolgte ein grundlegender Umbau.

Die älteste bekannte Gaststätte in Bessungen war zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Wirtschaft von Israel Weigelt, der auch eine Kegelbahn betrieb. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es drei Bessunger Gaststätten, den „Goldenen Löwen“, „Zu den drei Königen“ und „Zum güldenen Adler“. Ende des Jahrhunderts waren es bereits sechs. Konkurrenz erhielten sie von einer Reihe von Busch- oder Straußwirtschaften, in denen Bessunger Weinbauern ihre eigenen Erzeugnisse verzapften. Im 19. Jahrhundert gab es zeitweise über 30 Gaststätten. Zu den wichtigsten zählten der „Goldene Löwe“, das „Goldene Lamm“, der „Ochse“, „Enes“, die „Ludwigshalle“ am Kuhschwanzeck und das „Chausseehaus“. Als Interessenvertretung der Darmstädter und Bessunger Wirte wurde am 05.07.1882 der „Verein Gastwirte von Darmstadt-Bessungen“ gegründet.

Die älteste bekannt gewordene Gaststätte in Eberstadt war die Wirtschaft „Zur Kanden“ (Kanne), die um 1630 in der Kirchgasse existierte. 1632 wurde die Gaststätte „Zum güldenen Hirschen“ erwähnt (Ecke Heidelberger/Büschelstraße). Das Gebäude stand bis 1903 und hat nichts mit der gegenüberliegenden Gaststätte „Zum goldenen Hirsch“ zu tun, die erst 1914 entstand. Die Gaststätte „Zur Sonne“, Heidelberger Landstraße 246, war einer der ältesten Einstellgasthöfe, wo bis zu 80 Pferde mit Wagen und ihren Fuhrleuten unterkommen konnten. 1646 hat Georg Fröhlich die Sonne von den Herren von Frankenstein gekauft, sie muss demnach bereits früher bestanden haben. Nach dem Bau der Main-Neckar-Bahn (Eisenbahn) wurde die Sonne 1862 geschlossen, das Gebäude diente Wohnzwecken. Ein weiterer Einstellgasthof, „Zur güldenen Cron“, existierte Ecke Heidelberger/Pfungstädter Straße. Der Wirt Henrich Schlosser verkaufte die Gaststätte 1676, seine Nachfolger betrieben sie bis etwa 1829. Danach war die Brauerei und Essig- und Likörfabrik Hilß dort ansässig, bis die Gebäude 1959 abgerissen wurden. Die Weinwirtschaft „Darmstädter Hof“ wurde 1820 von Peter Eysenbach in einem bereits 1607 erbauten und 1802 umgebauten Gebäude in der Heidelberger Landstraße eröffnet und blieb bis 1973 in der Hand der Familie. Es war bis zum Zweiten Weltkrieg das Lokal der „besseren Gesellschaft“, im Saal wurde die Kerb gefeiert. Der Darmstädter Hof ist die älteste noch bestehende Gaststätte. 1914 gab es in Eberstadt 46 Gaststätten, die alle von deutschen Wirten betrieben wurden, 1995 existierten noch 34 Gaststätten, nun mehrheitlich von Ausländern geführt.

Lit.: Walther, Philipp A.: Darmstadt, wie es war und wie es geworden ist. Neue Bearbeitung des »Darmstädter Antiquarius«, Darmstadt 1865, S. 119-122; Walther, Philipp A.: Darmstädter Historische Kleinigkeiten, Darmstadt 1879, S. 87; Möbus, Walter: Bessunger Lesebuch, Darmstadt 1987; Engels, Peter: Geschichte Bessungens, Darmstadt 2002 (Darmstädter Schriften 83); Andres, Wilhelm: Alt-Arheilgen. Geschichte eines Dorfes, Darmstadt 1978 (Darmstädter Schriften 41).; Kirschner, Eberstädter Heimathefte Nr. 19; Dotzert, Roland: Im Zug der Zeit. Gasthöfe und Straßennamen im dörflichen Bessungen, Darmstadt 2013.