Stadtlexikon Darmstadt

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Stadttore

Im Rahmen der Errichtung der Stadtmauer im 14. Jahrhundert erhielt DA zwei Stadtzugänge, die durch bewachte Tore gesichert wurden: das Bessunger Tor im Süden an der Kirchstraße etwa auf Höhe der Einmündung der Schulstraße in den City-Ring und das Arheilger Tor im Norden östlich des Schlosses. Etwa ein Jahrhundert später wurde mit dem Neuen Tor ein dritter Stadtzugang geschaffen. Ob sich dieses Tor an der südwestlichen Schlossecke, etwa zwischen heutigem Schloss und Henschel, oder unmittelbar östlich des Schlosses befand, ist nicht sicher. Jedes Tor hatte einen quadratischen Torturm und Fallgitter, eine Brücke und die durch einen Schlagbaum gesperrte Durchfahrt durch den Wall. Spätestens unter Georg I. ist dann das Neue Tor an der Südwestecke des Schlosses entstanden. In seiner Giebelstube war ein Gefängnis mit Folterkammer untergebracht. Dieses Tor ließ Landgräfin Elisabeth Dorothea 1683 abreißen und durch einen Neubau mit neuer Bauinschrift ersetzen. Wenige Jahre später wurde auch dieser Neubau beseitigt.

Das Arheilger Tor am nördlichen Stadtausgang an der Obergasse wurde auch Sprinzentor (nach dem Sprinzengässchen) oder Mookentor (nach der Mooke, einem Gespenst, das dort gespukt haben soll) genannt. Es verlor durch die Anlage der Alten Vorstadt seine Bedeutung als Stadteingang, war Mitte des 18. Jahrhunderts bereits baufällig und wurde 1761 abgerissen. Auch das Bessunger Tor wurde als Gefängnis genutzt. Seit 1611 war seine Wehrhaftigkeit durch das davor errichtete Hospital (Klinikum DA) eingeschränkt, weil von dort aus feindliche Soldaten leicht die Mauer oder das Tor erklimmen konnten. 1804 wurde das baufällige Tor abgerissen und durch ein weiter nach Süden (Anfang der Karlstraße) vorgeschobenes Wachthäuschen mit Torverschluss und nebenstehendem Oktroihäuschen (Oktroi) ersetzt. Alle Gebäude wurden 1862 endgültig beseitigt.

Nach einer Vereinbarung von 1456 hatte die Bürgerschaft die drei Tore mit je einem Pförtner und einer Wache zu besetzen. Später wurden als Torwachen auch Soldaten und städtische Bedienstete eingesetzt. Jedes Tor war mit einem Torschreiber besetzt, der ankommende und abreisende Fremde registrierte, Waren kontrollierte und Abgaben erhob. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die so erhobenen Fremdenlisten in der Zeitung veröffentlicht. Durch Verordnungen aus den Jahren 1668 und 1680 wurde festgesetzt, dass die Stadttore an Sonn- und Feiertagen geschlossen blieben außer für Passanten mit Sondergenehmigung. Das Weidevieh durfte frühmorgens nur durch das Jägertor die Stadt verlassen. 1766 wurde eine besondere Nachtsperre erlassen. Mit Anbruch der Nacht, je nach Jahreszeit zwischen 5.00 und 9.00  Uhr abends, wurden die Tore geschlossen. Zur Zeit der Nachtsperre waren nur das Neue Tor und das Jägertor zu passieren, wer hinaus oder hinein wollte, musste dafür eine Gebühr entrichten.

Im frühen 17. Jahrhundert wurde die Alte Vorstadt mit einer Mauer umgeben, deren Zugang zwei Stadttore bildeten: Das Sporertor wurde zunächst äußeres Arheilger Tor genannt, weil es das mittelalterliche Arheilger Tor (Mookentor) ersetzte. Erbaut wurde es um 1600 in Form eines vierstöckigen Torbaus mit Renaissancegiebel, flankiert von zwei Rundtürmen, am Ende der Magdalenenstraße, Höhe Lauteschlägerstraße. Der Name „Sporertor“ ist erstmals 1649 belegt, weil dort der Hofsporer wohnte, später kamen Invalidenwohnungen und Militärlazarett hinzu. 1810 wurde das Tor abgerissen. Das Jägertor stand an der heutigen Alexanderstraße, Höhe Mauerstraße, und wurde ebenfalls um 1600 errichtet – ein dreistöckiger Torbau mit engem Durchgang zwischen zwei starken Rundtürmen. Es hatte seinen Namen von dem benachbarten Fürstlichen Jagdhaus, das von Franz Heger 1827 zum Garnisonslazarett umgebaut wurde. 1824 wurde das Tor abgerissen. Ein vom Bildhauer Christfried Präger geschaffenes Modell des Jägertors wurde im November 1980 an der Alexanderstraße, Ecke Mauerstraße eingeweiht.

Die zweite Stadterweiterung ab 1695, bei der die Obere Rheinstraße und die östliche Bauzeile der Luisenstraße entstanden, nahm dem Neuen Tor am Schloss seine Funktion. Es wurde deshalb abgerissen, an seiner Stelle 1745 ein weiteres Stadttor am Schnittpunkt der Rheinstraße mit der späteren Wilhelminenstraße errichtet, das ebenfalls Neues Tor oder Rheintor genannt wurde. Auch am Nordende des heutigen Mathildenplatzes, auf Höhe der Gerichtsgebäude, wurde 1749 ein Tor errichtet, das „Frankfurter Tor“, so genannt, weil es dort auf die Frankfurter Straße mündete. Die beiden von Wilhelm Vornberger ausgeführten Tore bestanden nur aus einer Durchfahrt mit Giebelbekrönung und einem Wachthaus (Rheintor) bzw. Schilderhäuschen (Frankfurter Tor). Im Zuge der Planungen für die Neue Vorstadt im Westen wurden beide Tore 1809 abgerissen. Georg Moller errichtete an den Ausfallstraßen seiner neuen Stadtanlage (Mollerstadt) drei neue klassizistische Torbauten: Das 1812 errichtete Neckartor an der Neckarstraße, etwa auf Höhe der Sandstraße, erhielt Wachthäuser mit der Wohnung des Torschreibers, eine Offiziersstube und eine Wachstube für 30 Mann. Nach der Erbauung der Kavalleriekaserne am Marienplatz wurde das Tor 1833 bis zur Heinrichstraße vorgeschoben. Das ebenfalls 1812 fertig gestellte Maintor stand etwa an der Stelle des heutigen Landgerichts, dessen Neubau es 1872 weichen musste. Vier Sandsteinsäulen des zugehörigen Wachthauses fand man 1950 bei Enttrümmerungsarbeiten auf dem Grundstück Frankfurter Straße 3 (heute Ärztehaus). Das 1819 fertig gestellte Rheintor, an der Rheinstraße auf Höhe des heutigen Steubenplatzes, besaß ebenfalls links und rechts zwei klassizistische Wachthäuser. Sie wurden 1871 zum Hotel und 1893 zur Kunsthalle umgebaut. Nach der Kriegszerstörung war der Säulenporticus des früheren Rheintors vor der neuen Kunsthalle am Steubenplatz zunächst renoviert, dann zugunsten der Verbreiterung der Rheinstraße abgebaut worden. Heute markiert er den Eingangsbereich der neuen Kunsthalle.

Lit.: Die Darmstädter Stadtmauer in sieben Jahrhunderten. Die Altstadt. Der Hinkelsturm. Der Zwinger, hrsg. vom Magistrat der Stadt Darmstadt, Denkmalschutz – Kulturamt, Darmstadt 1996 (Beiträge zum Denkmalschutz in Darmstadt, Heft 6), S. 28-51; Walther, Philipp A.: Darmstädter Historische Kleinigkeiten, Darmstadt 1879, S. 187f.; Walther, Philipp A.: Darmstadt, wie es war und wie es geworden ist. Neue Bearbeitung des „Darmstädter Antiquarius“, Darmstadt 1865, S. 134f.; Haupt, Georg: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Darmstadt, 2 Bde., Darmstadt 1952-54, S. 35-38.