Stadtlexikon Darmstadt

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Stadtreinigung

Eine reguläre Abfallentsorgung und Stadtreinigung gab es in DA bis in das 19. Jahrhundert hinein nicht, weshalb die Straßen und Plätze der Stadt normalerweise verdreckt und mit Müll übersät waren. Üblicherweise schütteten die Darmstädter Müll und Unrat auf die Straße und warteten, bis der nächste Regenguss ihn in den Darmbach spülte. Landgräfliche Verordnungen zur Verbesserung der Situation blieben meist wirkungslos. So verfügte Georg II. 1651, dass die Gassen und Plätze mehrmals wöchentlich gekehrt und der Unrat weggeschafft werden solle. Eine Verordnung vom 17.12.1663 beklagte den schlimmen Zustand des Schlossgrabens, der durch die Einleitung von Fäkalien, z. B. aus der Kaserne in der Alexanderstraße, durch totes Vieh und allerlei Unrat verseucht sei. 1680 beschwerte sich Landgräfin Elisabeth Dorothea, dass das Pflaster in den Straßen der Stadt, insbesondere in der Vorstadt und auf dem Marktplatz, sehr reparaturbedürftig sei und die Gassen wenig gereinigt würden und sehr unsauber seien, dass außerdem der Mühlbach durch das Hineinwerfen von Dreck und Kadavern verseucht sei. Ob der landgräfliche Befehl, die Verseuchung des Mühlbachs abzustellen und die Gassen der Stadt ein- bis zweimal die Woche zu reinigen, Erfolg hatte, darf bezweifelt werden. Dagegen sprechen die immer wieder verhängten Strafen wegen Verunreinigung des Stadtbachs, undichter Fäkaliengruben usw.

Laufend stritten sich Hof und Stadtverwaltung um die Reinigung des Marktplatzes nach Markttagen. Nach einer Kehrordnung von 1717 sollte der Unrat von den Dienstboten der Anwohner zur Straßenmitte gekehrt werden, wo er vom Stadtkärcher abgeholt wurde. An bestimmten Tagen konnten die Bürger diesen Müllfuhren auch Bauabfälle, Scherben, Papier und Mist beigeben. 1765 wurde diese Ordnung dahingehend erweitert, dass die Hospital- und Armenpfründner (Klinikum DA) die Reinigung von Markt-, Ballon- und Paradeplatz (Friedensplatz), der Umgebung von Schloss und Stadtkirche und der Ausfallstraßen übernehmen sollten. 1771 wurde unter Strafe gestellt, in den Straßen der Stadt und auf den öffentlichen Plätzen Unrat, Gläser, Papier und sonstigen Müll fortzuwerfen, desgleichen in den Schlossgraben und in den Darmbach Müll und totes Vieh zu werfen. Das „Regulativ über die Reinigung und Unterhaltung der Straßen und Plätze“ von 1815 sah vor, dass für die Straßenreinigung und die Fortschaffung des Kehrrichts aus der Stadt die Stadtverwaltung zuständig war. Eine Witwe wurde mit der Reinigung des Platzes vor dem Weißen Turm und der Oberen Rheinstraße beauftragt. Ab 1820 bezog Schneidermeister Spengler eine Vergütung von jährlich 100 Gulden für die Neuordnung des Fuhr- und Reinigungsdienstes. Für das Abfahren von Schutt und Trümmern wurden 1825 mehr als 3.000 Gulden ausgegeben.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich durch die neuen Erkenntnisse der Hygiene bei der Stadtverwaltung die Notwendigkeit einer regelmäßigen Stadtreinigung durch. 1886 wurde die Straßenreinigung im gesamten Stadtgebiet in städtische Verantwortung übernommen. Im „Statut, betreffend die Reinigung der Straßen und öffentlichen Plätze in der Haupt- und Residenzstadt Darmstadt“ vom 01.10.1886 wurde festgelegt, dass die neu gegründete „Städtische Straßen-Reinigungs-Anstalt“ die Reinigung der Straßen und Plätze einschließlich der Bürgersteige sowie das Besprengen der Fahrbahn bei Trockenheit und die Abfuhr des Hauskehrrichts mit Pferdefuhrwerken übernahm, gegen besondere Gebühr auch die Leerung der privaten Abortgruben. Den Hauseigentümern oblagen das Befreien der Fußsteige von Eis und Schnee und das Begießen bei Trockenheit. Die Stadt wurde in fünf Reinigungsbezirke unterteilt, die von je einer Kolonne, bestehend aus acht bis zehn Mann, gereinigt wurde. Zur schon vorhandenen Kehrmaschine wurden vier neue Sprengwagen angeschafft. 1917 wurde eigentlich als Kriegsmaßnahme auf Verordnung der Armeeführung ein städtisches Fuhramt gegründet, dessen Aufgabe die Be- und Entladung der Eisenbahnwaggons mit Lebensmitteln und Brennstoffen und anderen Gütern und die rasche Verteilung an die Bevölkerung war. Die Pferdefuhrwerke und Handkarren versahen ihren Dienst bis nach dem Zweiten Weltkrieg, als sie von Vespa-Dreirädern, Kehrmaschinen und Schlammsaugern abgelöst wurden. Noch bis Ende der 1950er Jahre wurde die Straßenreinigung weitgehend von Hand ausgeführt. 1954 beschäftigte die Stadt dafür noch etwa 100 Arbeitskräfte. Erst seit 1956 wurde durch sukzessive Anschaffung mehrerer Kehrmaschinen die Stadtreinigung allmählich mechanisiert.

Die Müllabfuhr erfolgte schon seit 1930 durch motorisierte und staubsichere Müllwagen. 1953 leerte das städtische Fuhr- und Reinigungsamt zweimal die Woche die 13.000 Darmstädter Mülltonnen und brachte den Müll zu den Deponien am Griesheimer Haus (Bodenkippe West, in Betrieb seit Oktober 1951) und am Glasberg (Oberfeld). Zwei kleinere Deponien befanden sich in Arheilgen und Eberstadt. 1973 waren es bereits knapp 40.000 Mülltonnen und mehr als 2.000 Großbehälter. 1961 wurden erstmals Großraumbehälter mit einem Fassungsvermögen von 1,1 und 4 cbm eingesetzt, 1967 erfolgte die Einführung von Mülltonnen aus Kunststoff, die in den nächsten Jahren die alten Metallbehälter ablösten. Einer Revolution kam die Einführung der mit Rollen ausgestatteten eckigen Tonnen ab Juni 1979 gleich, weil diese nicht in die alten Tonnenstellplätze passten.

1983/84 begann in DA das Zeitalter der Mülltrennung. Zunächst wurden Sammelbehälter für Glas und Papier aufgestellt und eine Sammelstelle für Chemikalien eingerichtet. Im Dezember 1984 folgte die Aufstellung der ersten grünen Wertstofftonnen für Kunststoff und Metall, der Vorgänger der 1993 eingeführten „gelben Säcke“. Seit der Fertigstellung der Kompostierungsanlage im Oktober 1991 stellt die Stadt DA auf Antrag kostenlose Biotonnen den Haushalten zur Verfügung. Die Müllmenge in DA stieg dennoch unaufhörlich von etwa 60.000 cbm Anfang der 1950er Jahre auf knapp 600.000 cbm nach 1980. Bereits 1961 zeichnete sich ab, dass die Deponien die wachsenden Mengen nicht mehr fassen konnten. 1963 beauftragte der Magistrat die Südhessische Gas und Wasser AG (Entega) mit der Planung, dem Bau und der Betriebsführung einer Müllverbrennungsanlage auf eigenem Gelände am Sensfelder Weg. 1967 ging die Anlage, mit 20 Millionen DM Baukosten das größte Darmstädter Investitionsprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg, in Betrieb. 70.000 Tonnen Verbrennungs-Kapazität pro Jahr sollten für Jahrzehnte reichen, wurden jedoch nach wenigen Jahren bereits überschritten, weil außer DA 21 weitere Gemeinden an die Müllverbrennung angeschlossen waren. Aus einem wurden drei Öfen und 1980 wurden 146.000 Tonnen Müll verbrannt. Nach mehrfacher Erweiterung fasst die Anlage heute bis zu 200.000 Tonnen Müll. Träger ist seit 1983 der von der Stadt und dem Landkreis DA-Dieburg gegründete „Zweckverband Abfallbeseitigung Südhessen“ (ZAS). Auch die Reinigungsanlagen für das Rauchgas mussten mehrfach den neuen gesetzlichen Bestimmungen angepasst werden. Mit der Abwärme werden viele Wohnungen und die Gebäude im Bürgerpark Nord geheizt. Die beiden Mülldeponien wurden geschlossen, die Bodenkippe West rekultiviert. Auf der Kippe am Glasberg steht heute das Hochreservoir der Darmstädter Wasserversorgung. Aus dem städtischen Fuhr- und Reinigungsamt, das im Mai 1986 seinen Neubau an der Ingelheimer Straße beziehen konnte, wurde am 01.01.1995 der „Eigenbetrieb Abfallwirtschaft und Stadtreinigung der Stadt Darmstadt“, heute „Eigenbetrieb für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen“ (EAD), der weitgehend selbständig nach privatwirtschaftlichen Kriterien wirtschaften kann und heute ca. 600 Beschäftigte zählt. 2014 wurden vom EAD eingesammelt bzw. beseitigt: 3.440 Tonnen Straßenkehricht inkl. Kanalreinigung und Laub, 30.983 Tonnen Haushalts- und Gewerbemüll (1999 waren es noch über 46.000 Tonnen gewesen), 5.773 Tonnen Sperrmüll, 909 Tonnen Elektronikschrott, 14.884 Tonnen Altpapier, 3.385 Tonnen Altglas, 15.242 Tonnen Biomüll. Auf dem Gelände des ehemaligen Eisenbahn-Ausbesserungswerkes errichtete der EAD 2011 seine neue Zentrale.

Lit.: Walther, Philipp A.: Darmstädter Historische Kleinigkeiten, Darmstadt 1879, S. 18f., 76f., Walther, Philipp A.: Darmstadt, wie es war und wie es geworden ist. Neue Bearbeitung des „Darmstädter Antiquarius“, Darmstadt 1865, S. 100; Darmstadts Geschichte. Fürstenresidenz und Bürgerstadt im Wandel der Jahrhunderte, von Friedrich Battenberg, Jürgen Rainer Wolf, Eckhart G. Franz, Fritz Deppert. Gesamtredaktion: Eckhart G. Franz, Darmstadt 1980, 2. Aufl. 1984, S. 260, 312; Engels, Peter: Festschrift zum Jubiläum 150 Jahre Gas- und 125 Jahre Wasserversorgung in Darmstadt und Umgebung, Darmstadt 2005.