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Mahnmale

Bis 1945 war für Denkmäler, die an Kriege und Schlachten erinnern sollten, der Begriff Kriegerdenkmäler üblich. Nach 1945, bedingt durch den Terror der NS-Herrschaft und den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, wandelte sich das Bild des Kriegs grundlegend: Denkmäler wollten nun nicht mehr wie bisher Ruhm und Ehre der Kämpfenden und Gefallenen in den Mittelpunkt stellen, sondern dem Sterben und Leiden aller vom Krieg Betroffenen gedenken und zu Frieden und Versöhnung mahnen. Diese gewandelte Aufgabe der Denkmäler nach 1945 zeigt sich in der Inschrift des zentralen Darmstädter Mahnmals für die Opfer des Luftkriegs und des Zweiten Weltkriegs am Kapellplatz: „Den Toten zum Gedächtnis, sie ruhen in Frieden. Den Lebenden zur Mahnung, haltet fest am Frieden.“ Die Gestaltung des Denkmals ist das Ergebnis eines 1953 ausgeschriebenen Wettbewerbs zur Errichtung eines Mahnmals zum Gedenken der Opfer der Luftangriffe auf DA und der Toten des Kriegs. Träger des ersten Preises war Baurat Göbel. Die Ruine der 1944 zerstörten Stadtkapelle blieb als Mahnung an die Bombennacht erhalten; in ihrer Mitte wurde ein 7 Meter hohes Granitkreuz errichtet. Zum 10. Jahrestag der Brandnacht, am 11.09.1954 wurde das Mahnmal in Anwesenheit von ca. 20.000 Darmstädtern eingeweiht. Mit einer 1968 angebrachten Bronzetafel gedenkt auch die Deutsch-Baltische Landsmannschaft derer, die in Kriegen und Befreiungskämpfen um ihre Heimat starben. Zum 60. Jahrestag der Brandnacht am 11.09.2004 wurde eine aus Beton gefertigte, 3 Meter hohe Gedenkstele eingeweiht, die sich zwischen Friedensplatz und Ernst-Ludwig-Platz befindet. Auf schwarzem Hintergrund und hinter gehärtetem Glas zeigt sie drei große Trümmerfotos und weitere fotografische Abbildungen der zerstörten Stadt. Eine weitere Gedenkstätte für die Opfer der Brandnacht befindet sich auf dem Darmstädter Waldfriedhof, wo ein zweites Denkmal auch an die Widerstandskämpfer der NS-Zeit erinnert.

Zum 50. Jahrestag des Kriegsendes am 08.05.1995 wurde das Mahnmal am Kapellplatz um ein Bronzeensemble zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus erweitert. Den Mittelpunkt des Werkes des Bildhauers Thomas Duttenhoefer bildet die Gestalt eines von Schmerz gekrümmten Menschen, der in die Knie bricht. Um ihn herum gruppiert sind ein stürzender Obelisk, eine Karre mit gebrochener Achse, ein Gefäß in Form eines Helms und das Fragment einer Mauer. Ein zweites Mahnmal des Künstlers für die Opfer der Gewaltherrschaft findet sich an der Erich-Ollenhauer-Promenade. Es zeigt eine vornübergebeugte Menschengestalt ohne Hände und Füße mit gesichtslosem Kopf, deren Körper gezeichnet ist von Rissen und Wunden und an dessen Schläfe eine „Judenlocke“ herabhängt. Das Mahnmal wurde eingeweiht am 03.09.1989 in Anwesenheit von Besuchern aus der polnischen Schwesterstadt Płock und ist dem millionenfachen Grauen und Leiden aller Geschlagenen und Geschundenen gewidmet.

An die Reichspogromnacht, die Deportation und Vernichtung von Juden, Sinti und Roma erinnern mehrere Mahnmale in DA. So gedenkt eine Sandsteintafel an der Ecke Grafenstraße/Bleichstraße, dem ehemaligen Standort der orthodoxen Synagoge, in deutscher und hebräischer Sprache der Zerstörung des Gotteshauses. Vor der Tafel befindet sich ein im Boden eingelassener Davidstern aus Granitsteinen aus dem KZ Flossenbürg. Auch am Platz der zerstörten liberalen Darmstädter Synagoge, in einem verborgenen Winkel nördlich der Bleichstraße, erinnert eine stilisierte Menora (siebenarmiger Leuchter) aus Edelstahl und eine Kupfertafel mit deutscher und hebräischer Inschrift an den Standort und die Zerstörung der Synagoge. Bei Bauarbeiten für das Klinikum DA tauchten 2003 Überreste und Grundmauern der Liberalen Synagoge auf, am 9. November 2009 wurde inmitten des Klinikums der Erinnerungsort Liberale Synagoge als städtische Gedenkstätte eingeweiht. Gestaltet wurde er von Ritula Fränkel und Nicholas Morris. Seit 2011 trägt der Platz dort den Namen des ersten Rabbiners der Synagoge, der gleichzeitig Großherzoglicher Landesrabbiner war: Julius Landsberger. 2011 gründete sich der Förderverein Liberale Synagoge e.V., der sich gegen das Vergessens des Holocausts und für die Erinnerung an das Jüdische DA engagiert. Vor dem Haupteingang der Viktoriaschule erinnert ein pyramidenförmiger, polierter schwarzer Stein mit flacher Oberseite, der auf einem Betonsockel ruht, an vier ehemalige Schülerinnen, die deportiert und ermordet wurden. Auf der einen Seite trägt er die Worte: „Gegen Vergessen und Gleichgültigkeit“, auf der anderen Seite: „Vier Namen für Viele“ und darunter die Namen der vier Mädchen.

Seit 2005 gibt es in DA auch die Stolpersteine, mit denen der Kölner Künstler Gunter Demnig in vielen deutschen Städten Namen von ehemaligen Mitbürger ins Gedächtnis ruft, die von den Nationalsozialisten verhaftet, verschleppt und ermordet wurden. Bis 2013 wurden insgesamt 157 Steine verlegt. Das Buch „Stolpersteine in Darmstadt“ erzählt die Lebensgeschichten hinter den Namen.

In der Großen Bachgasse wurde am 15.03.1997 das Mahnmal für ermordete Sinti und Roma eingeweiht. Standort und Einweihungsdatum erinnern an die Darmstädter Sinti und Roma, die zumeist in der ehemaligen Darmstädter Altstadt als Handwerker und Arbeiter lebten, bevor sie am 15.03.1943 mit mehreren Zügen nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Das Denkmal des Künstlers Bernhard Meyer hat die Grundform eines 4 Meter langen und 2,5 Meter hohen Keils und ist aus rostendem Eisen. An der Stirnseite befindet sich ein vom Landesverband der Sinti und Roma verfasster dokumentarischer Teil. Schwarze Marmortafeln auf der einen, weiße Marmortafeln auf der anderen Längsseite, unter denen je eine Kupfertafel mit Worten von Überlebenden angebracht sind, erinnern an die Situation der Roma und Sinti in Vergangenheit und Gegenwart. An der Ecke Bismarckstraße/Kirschenallee, an der Stelle, wo man früher hinabstieg zu den Gleisen des Güterbahnhofs, ist mit dem Denkzeichen Güterbahnhof ein Ort des Gedenkens an den Abtransport von Juden, Sinti und Roma 1942/43 in die Vernichtungslager Osteuropas geschaffen worden. Das Werk der Künstler Ritula Fränkel und Nicholas Morris, das am 07.11.2004 eingeweiht wurde, ist ein Glaskubus mit Glassplittern im Innern, der auf Eisenbahnschienen vor einem Prellbock sitzt. Auf den Glassplittern wurden exemplarisch Namen von hessischen Juden, Sinti und Roma eingraviert. Zur christlich-jüdischen Versöhnung ruft das am 30.09.1993 aufgestellte Mahnmal auf dem Paulusplatz vor dem Gebäude der ev. Kirchenverwaltung (EKHN) auf. Zwei aus Schmiedestahl gefertigte Stelen des israelischen Bildhauers Igael Tumarkin stellen die Opferung Isaaks und die Kreuzigung Christi dar. Die Stelen stehen selbstständig und unverbunden aber dennoch nebeneinander und sollen so die Eigenständigkeit und gleichzeitig die Aufeinanderbezogenheit von Judentum und Christentum verdeutlichen.

Dem Leid der deutschen Soldaten, die sich noch sieben Jahre nach Kriegsende in Gefangenschaft befanden, ist ein Mahnmal in der Nähe des Hauptbahnhofs gewidmet. Es wurde am Kriegsgefangenengedenktag im Oktober 1952 eingeweiht und besteht aus einem hochkant stehenden Sandsteinblock mit der Inschrift „gebt sie frei“. Ebenfalls in Bahnhofsnähe befindet sich das Mahnmal zur Deutschen Einheit, das am 17.06.1965 errichtet wurde. Aus einer gemeinsamen Basis, die das Datum „17. Juni 1953“ trägt, erheben sich zwei eng beieinander, aber doch getrennt stehende schmale Steinsegmente, deren Flächen mit Kanten konturiert sind, als Symbole für das geteilte Land. Am Eingang des Hauptbahnhofs erinnert seit 1995 eine Tafel an die Darmstädter Zwangsarbeiter.

Zwei Mahnmale erinnern in DA an die Vertreibung von Deutschen aus den osteuropäischen Ländern. An der Ecke Thüringer Straße/Reuterallee in Eberstadt wurde am 20.11.1985 ein Denkmal für die Vertriebenen eingeweiht, das die Landsmannschaft Ost- und Westpreußen in Auftrag gegeben hatte und das ein Werk des selbst aus Ostpreußen stammenden Designers Richard Grütz ist. Es ist eine Freiplastik aus einem Bündel Stahlplatten, von denen jede in eine andere Richtung zeigt: Sie weisen mit Entfernungsangaben auf heutige und ehemalige deutsche Städte hin. Unter den Namen der ehemals deutschen Städte sind auch die Namen berühmter Deutscher aus diesen Orten aufgeführt, z. B. bei Königsberg Immanuel Kant, bei Breslau Gerhart Hauptmann. Die Bodenplatte des Denkmals trägt die Inschrift: „Im vierzigsten Jahr der Vertreibung und im fünfunddreißigsten Jahr des feierlichen Verzichts auf Rache und Vergeltung.“ Am Waldfriedhof wurde am 09.09.1995 ein weiteres Denkmal für die Vertriebenen eingeweiht: Eine gemauerte Wand mit Gedenktafel, den sechs Wappen ehemaliger deutscher Ostgebiete und der Aufschrift „50 Jahre neue Heimat“ sollen an das Elend der Vertreibung erinnern, aber auch zur Versöhnung aufrufen.

Ein heikles Thema deutscher Vergangenheit spricht das Denkmal für den unbekannten Deserteur an, das neben einer Toreinfahrt in der Lauteschlägerstraße 15 hängt. Es zeigt fünf Soldaten, welche die rechte Hand zum Salutieren an den Stahlhelm legen, und wurde 1987 im Auftrag der Friedensinitiative „Reservisten verweigern“ (die Gruppe löste sich 1991 auf) in den Werkstätten des Werkhofs DA zusammengeschweißt. Zunächst fand es einen Platz im Garten der ev. Martinsgemeinde (Martin-Luther-Gemeinde), dann in der Bessunger Knabenschule und schließlich im Martinsviertel. Das Denkmal soll erinnern an diejenigen, die den Dienst mit der Waffe schon vor Kriegsbeginn ablehnten und auch an diejenigen, die sich durch Desertation dem Kriegsgeschehen entzogen, ohne sie zu Helden und Widerstandskämpfern zu stilisieren. Vor allem aber soll es das Recht zur Kriegsdienstverweigerung unterstreichen. Ein sehr viel jüngeres Ereignis ohne kriegerischen Hintergrund thematisiert ein fünf Tonnen schwerer Findling im Bessunger Forst, der an den verheerenden Orkan „Wiebke“ am 28. Februar 1990 erinnern soll, der zu große Verwüstungen im Darmstädter Stadtwald führte.