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Synagogen

Die Bedeutung der Synagogen nahm nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahr 70 n. Chr. zu. Mit der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Judäa wurden sie zum geistigen und kulturellen Mittelpunkt im Exil. Die erste Judenordnung, von Landgraf Philipp dem Großmütigen 1539 erlassen, forderte nur „Zum andern sollen sie, die Juden, geloben und versprechen, nirgent newe Synagogen aufzurichten, sondern sich alleyn der alten und vorgebaweten mit aller Stille zu gebrauche“. Martin Luther formulierte da 1543 härter: „Fürs erste rate ich, sollen die Synagogen der Juden eingeäschert werden, solches soll man tun unserem Herrn und der Christenheit zu ehren.“ Den Juden in DA wurde durch Landgraf Ernst Ludwig 1695 unter Auflagen erlaubt, einen Gebetsraum einzurichten. Gottesdienste fanden zu dieser Zeit in privaten Räumen statt. Erst 1735 genehmigte Ernst Ludwig den Kauf eines Hauses in der Kleinen Ochsengasse. Das Gebetshaus wurde 1737 eingeweiht. Nachdem es 1864 zur Spaltung in eine liberale und eine orthodoxe Gemeinde kam, gab es in der Altstadt zwei Synagogen.

Aufgrund des starken Anwachsens der jüdischen Bevölkerung in DA im 19. Jahrhundert entschlossen sich beide Gemeinden, neue Synagogen zu bauen, 1873 das orthodoxe Gotteshaus in der Bleichstraße und 1876 das liberale in der Friedrichstraße. Die Architekten Georg Stephan Braden und Eduard Köhler, verantwortlich für die liberale Synagoge, orientierten sich am Historismus. Mit orientalisch maurischen Elementen verwiesen sie auf das Ursprungsland des Judentums. Vier Zwiebeltürme verliehen dem Gebäude ein eindrucksvolles Äußeres. Das kleine orthodoxe Bethaus, von dem sich nur zwei Fotografien erhalten haben, musste der prachtvollen, von Georg Wickop entworfenen Synagoge weichen. Markant gestaltete der Architekt 1906 den Neubau. Heute würde man sie als Jugendstilsynagoge einordnen. Ihre Kuppel maß 9,45 Meter im Durchmesser und die vier Tonnengewölbe boten Raum für aufwändige Wandmalereien. Ein Besuch im kleinen Museum des heutigen Jüdischen Gemeindezentrums gibt nähere Auskunft über die Architekturgeschichte beider Synagogen.

An zwei weitere kleine Gotteshäuser in Eberstadt und Arheilgen muss noch erinnert werden. Die Zwangseingemeindung 1937 schlug beide Orte zu DA. In den 1920er Jahren bestand die Jüdische Gemeinde in Arheilgen nur noch auf dem Papier. Im Juni 1938 wurde der Grundbesitz mit Synagoge in der Kleinen Brückengasse veräußert. Sie wurde von nun an als Scheune genutzt. Ein weiteres Gotteshaus befand sich an der Modaubrücke in Eberstadt. Dieses und die zwei Synagogen in der Innenstadt wurden am 09.11.1938 unter Teilnahme staatlicher Organisationen und der örtlichen Bevölkerung geplündert und zerstört. Die letzte Stufe vor dem Völkermord war erreicht. Beide Gemeinden fanden in der ehemaligen Privatklinik von Max Rosenthal in der Eschollbrücker Straße eine letzte Heimat. An die zerstörten Synagogen erinnern Gedenkstätten, die Wickop’sche ist als virtuelle Rekonstruktion aufbereitet.

Die wenigen Darmstädter Juden, die den Genozid überlebten, trafen sich in ihrem Gemeindehaus in der Osannstraße. Viele Jahrzehnte war hier das religiöse und kulturelle Zentrum. Ein Provisorium, bis sich die Bürgerschaft entschloss, der Jüdischen Gemeinde eine Synagoge zurückzugeben. 1988, zum 50. Jahrestag des Pogroms, wurde der Neubau in der Wilhelm-Glässing-Straße übergeben. Durch die russischen Zuwanderer jüdischen Glaubens wuchs die Zahl der Gemeindemitglieder ab 1990 schnell auf über 700 Personen an.

Lit.: Reinhold-Postina, Eva: Das Darmstädter Synagogenbuch, Darmstadt 1988; Battenberg, Friedrich: Judenverordnungen in Hessen-Darmstadt, Wiesbaden 1987; Frenzel, Martin (Hrsg.): Eine Zierde unserer Stadt: Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Liberalen Synagoge Darmstadt, Darmstadt 2008; http://www.hstad-online.de/ausstellungen/online/juedisches_leben_in_suedhessen/Darmstadt/Scheerit/Tabelle1.htm.