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Ludwig-Georgs-Gymnasium

(LGG) Landgraf Ludwig V. bestimmte im Oktober 1625 testamentarisch die Gründung einer höheren Darmstädter Lehranstalt nach dem Vorbild des Marburger Pädagogs. Sein Nachfolger Georg II. ließ die Schule 1627 bis 1629 errichten. Eine stadtbildprägende Wirkung versprach man sich von dem mit aufwändigen Renaissancegiebeln und vorgelagertem Treppenturm gestalteten Schulgebäude (Pädagog). Die ersten Jahre der Schule waren überschattet von den Ereignissen des Dreißigjährigen Kriegs. Erst nach 1650 konnte das Pädagog ordnungsgemäßen Unterricht anbieten, der im 17. Jahrhundert ganz auf Theologie und alte Sprachen fixiert war. Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften standen noch nicht auf dem Lehrplan. Den älteren Schülern war es bei Strafe verboten, sich in der Schule anders als auf Lateinisch zu unterhalten. Daneben war die Pflege von Gesang und Musik ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Lehrer und Schüler unterhielten Bürgerschaft und Rat bei den alljährlichen Neujahrsfeierlichkeiten im Rathaus durch musikalische Darbietungen und Theateraufführungen. Nach der erneuerten Schulordnung von 1711 blieben Religion und alte Sprachen Unterrichtsschwerpunkt. Erst allmählich drangen auch andere Fächer in den Schulunterricht ein: Arithmetik, Geschichte und als Wahlfach Französisch, ab 1738 Rechen- und Schreibunterricht. Die bedeutenden Rektoren Johann Martin Wenck (1752-1761), Johann Christoph Stockhausen (1766-1769) und Helfrich Bernhard Wenck (1769-1803) reformierten die Schule nachhaltig, indem sie vor allem die deutsche Sprache nicht nur bei der Unterhaltung, sondern auch als Unterrichtsfach zuließen. Darüber hinaus wurden erstmals „Realien“, hauptsächlich Mathematik, Naturkunde, Geografie, Physik sowie Schön- und Briefeschreiben unterrichtet, um auf die Bedürfnisse derjenigen Schüler einzugehen, die nicht studieren wollten. Seit 1778 durften Reformierte und Katholiken, später auch Juden die Schule besuchen.

Mit dem Anwachsen der Bevölkerung DAs, nahm auch die Schülerzahl des Pädagogs rasch zu. Im Jahr 1800 besuchten 200 Schüler das Institut, 1819 waren es 380. Um der Überfüllung Herr zu werden, beantragte Direktor Johann Georg Zimmermann, der das Pädagog zu einem humanistischen Gymnasium umgestalten wollte, deshalb die Errichtung einer Realschule, die im Jahr 1822, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Pädagog, auch erfolgte. Trotzdem war das Pädagog binnen kürzester Frist wieder überbelegt. Für den geforderten Neubau fehlte das Geld. Stattdessen bot sich das in der Nähe liegende leer stehende Darmstädter Waisenhaus als neues Domizil an, wohin die Schule auch 1831 umzog. Die gymnasiale Bildung des 19. Jahrhunderts verband das humanistische Gedankengut mit der Förderung der Liebe zum Vaterland, wobei den Schülern der Gemeinsinn und die Vaterlandsliebe der Griechen und Römer, wie man sie im 19. Jahrhundert zum Teil in ethischer Verklärung sah, als Vorbild dienen sollten. Regelmäßige Feierstunden und Gedenktage – zum Jahrestag der Schlacht bei Sedan im Deutsch-Französischen Krieg, zum Tag der Reichsgründung, zum Geburtstag des Kaisers und des Großherzogs – gehörten zum Alltag der Schüler. Aus Anlass des 250-jährigen Bestehens 1879 verlieh Großherzog Ludwig IV. der Schule im Gedenken an ihre beiden Gründer den Namen „Ludwig-Georgs-Gymnasium“ (LGG).

1879 bevölkerten über 600 Schüler die viel zu engen Schulräume, 1887 waren es bereits 747. 1890 wurde deshalb ein Teil des LGG als „Neues Gymnasium“ abgetrennt und in einem Neubau in der Lagerhausstraße (heute Julius-Reiber-Straße) untergebracht. Nachdem durch den Ersten Weltkrieg und die Nachkriegsjahre die Schülerzahl auf unter 400 zurückgegangen war, vereinigte man 1921 die beiden Gymnasien wieder am alten Ort. Im selben Jahr wurde auch die Vorschule der Gymnasien aufgehoben und durch die allgemeine vierjährige Grundschule ersetzt (Schulwesen). Auch in den Lehrplänen änderte sich nach 1918 einiges. Den Lateinunterricht schränkte man zugunsten naturwissenschaftlicher Fächer ein. Biologie, Chemie und Erdkunde wurden erstmals in der Oberstufe unterrichtet. 1933 versuchten die Nationalsozialisten, das LGG als humanistisches Gymnasium zu beseitigen und in eine deutsche Oberschule umzuwandeln. Dies misslang zwar, jedoch konnten sich Lehrer und Schüler dem Einfluss von Partei und Staat, die Form und Inhalt des Unterrichts im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie veränderten, auf Dauer nicht entziehen. Jüdische Schüler wurden seit 1933 zunehmend ausgegrenzt, 1938 wurde ihnen die Teilnahme am Unterricht untersagt. Der Zweite Weltkrieg beeinträchtigte den Schulbetrieb mit zunehmender Dauer immer stärker. In der Brandnacht 1944 wurden das LGG und das Pädagog zerstört. Als am 15.10.1945 der Unterricht wieder begann, zogen 99 Schüler des LGG zusammen mit 2 Lehrern und 3 weiteren Schulen in das beschädigte Gebäude der Justus-Liebig-Schule ein. Der Unterricht der ersten Jahre war gekennzeichnet durch Provisorien, drangvolle Enge, häufigen Stundenausfall und Schichtunterricht. Seit 1945 konnten auch Mädchen das LGG besuchen, ebenso gehörten seit dieser Zeit Frauen dem Lehrkörper an.

Die Unterrichtssituation besserte sich erst, als 1955 der Neubau an der Nieder-Ramstädter Straße bezogen werden konnte. Dieser Bau war einer der fünf realisierten Darmstädter Meisterbauten und entstand zwischen 1951 und 1955 nach einem Entwurf von Max Taut (1884-1967). Das Schulgebäude bestand aus drei unterschiedlich hohen, U-förmig angeordneten Baukörpern, in denen der Klassen- und Verwaltungstrakt untergebracht war, und der nach Südwesten anschließenden Aula. Max Taut schuf für jeden Klassenraum eine eigene Freiraumklasse, die im Obergeschoss als Loggia gestaltet war und in der Unterricht in der „freien Natur“ ermöglicht werden sollte. Außerdem entwarf er selbst Teile der Inneneinrichtung und beauftragte bekannte Künstler für die Kunst am Bau: Im Schulhof standen die Plastiken „Sitzender Schüler“ von Helmut Brinckmann, „Figuren in Beziehung“ von Bernhard Heiliger (die 1955 den Darmstädter Kunststreit auslösten) und „Abstrakte Plastik“ von Karl Hartung, der auch den Brunnen schuf. Das Mosaik in der Eingangshalle der Aula stammt von Helmut Lander, das Wandbild in der Vorhalle des Musiksaals schuf H. O. Müller-Erbach, und der Berliner Hans Leistikow malte das Wandbild im Musiksaal. Schon bald nach der Fertigstellung mussten Veränderungen vorgenommen werden. So wurden 1962/63 aufgrund des Lärms von Sportplatz und Straße die Loggien geschlossen. Heute zeigt sich die Schule – nach einer denkmalgerechten Renovierung im Jahr 1998 – weitestgehend im originalgetreuen Zustand, große Teile der Innenausstattung sowie die Kunst am Bau konnten erhalten werden. Das LGG konnte seine Stellung als einziges humanistisches Gymnasium in DA behaupten, wenn auch aufgrund sinkender Schülerzahlen das Angebot in neuen Fremdsprachen und Naturwissenschaften ausgebaut werden musste. Neben den alten Sprachen blieb sich die Schule auch in der Betonung der musischen Bildung treu. Schultheater, -chor und -orchester bilden nach wie vor einen wichtigen Teil der schulischen Ausbildung.

Lit.: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Darmstadt. Hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen in Zusammenarbeit mit dem Magistrat der Stadt Darmstadt – Denkmalschutzbehörde – Braunschweig, Wiesbaden 1994, S. 110; Wilhelm Diehl: Zur Baugeschichte des Pädagogs. In: Ders.: Alt-Darmstadt. Kulturgeschichtliche Bilder aus Darmstadts Vergangenheit, Friedberg 1913, S. 49-57; Licht, Luft und Sonne – Das Ludwig-Georgs-Gymnasium von Max Taut, Heft 4, hrsg. vom Magistrat der Stadt Darmstadt, Denkmalschutz – Kulturamt.