Stadtlexikon Darmstadt

Logo Darmstadt

SCH

Scherer, Georg

Architekt, Bauleiter
* 18.05.1860 Pfungstadt
† 03.10.1941 Mühlhausen/Elsass
Georg Scherer wurde als dritter Sohn des Maurermeisters Johannes Scherer III. (1824-1873) und seiner Ehefrau Elisabetha geb. Schadt in Pfungstadt geboren. Das Paar hatte insgesamt sieben Kinder, von denen sechs sehr früh verstorben sind. Über den genauen schulischen Bildungsweg und die Ausbildung von Georg Scherer liegen keine Informationen vor. Vermutlich besuchte er die örtliche Knabenschule. Da die anderen Söhne im Kindesalter verstarben, kann vermutet werden, dass Georg das elterliche Baugeschäft übernehmen und in die Fußstapfen seines Vaters treten sollte. Dessen früher Tod dürfte dies verhindert haben. Scherer erhielt stattdessen eine Ausbildung als Architekt und ließ sich 1884 in Darmstadt nieder. 1886 heiratete er Margarete geb. Geitz aus Waldmichelbach, das Paar hatte drei Söhne. Einer fiel 1915 im Ersten Weltkrieg, einer wurde Opernsänger.

Sein Büro für „Architektur und Bauausführungen“ befand sich eine gewisse Zeit in der Roßdörfer Straße 11. Er betrieb es zunächst zusammen mit Georg Finke. Im Bestand des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt befindet sich eine beeindruckende Schaubildzeichnung des Neuen Palais von Georg Scherer aus dem Jahr 1900. Vor dem Ersten Weltkrieg war er mit der Durchführung mehrerer bedeutender Bauvorhaben in der Region betraut, die heute unter Denkmalschutz stehen.
1902/03 war Scherer Bauleiter der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt in Darmstadt-Eberstadt (Klinikum DA), die nach Plänen von Reinhard Klingelhöffer (1851-1935) errichtet wurde. Hierbei handelte es sich um ein größeres Ensemble aus Verwaltungs-, Wirtschafts- sowie Unterkunftsgebäuden, die im traditionalistischen Stil gehalten sind.
1905 erhielt das Büro von Georg Scherer und Georg Finke den Auftrag, ein neues Gebäude für die expandierende Akademie für Tonkunst zu errichten. Das seit 1862 genutzte Gebäude an der Ecke Elisabethenstraße/Zimmerstraße wurde abgerissen und an dessen Stelle ein erhöhter, multifunktionaler Neubau errichtet. Die Baumaßnahme dauerte nur ein Jahr und blieb auch innerhalb des geplanten Budgets, wie das Darmstädter Tagblatt am 21.09.1906 berichtete. Das Gebäude wurde 1944 zerstört. Ebenfalls 1905 wurde das von Georg Scherer gebaute neue Gemeindehaus der Evangelischen Stadtgemeinde in der Kiesstraße 17 eröffnet. Das stattliche Gebäude enthielt u.a. einen Versammlungsraum mit 500 Sitzplätzen, eine der größten Versammlungsstätten der Stadt zur damaligen Zeit.
1906 wurden Scherer und Finke damit beauftragt, die Ausführungspläne für den grundlegenden Umbau des Hotels Zur Traube (Entwurf von Alfred Messel) zu erstellen und die Bauleitung zu übernehmen. Die Bauarbeiten sollten im laufenden Betrieb stattfinden und wurden im September 1908 abgeschlossen.
1907/08 erbauten Georg Scherer und Georg Finke eine Volksschule in Darmstadt-Eberstadt (heute Gutenbergschule). Das dreigeschossige und dreigliedrige Gebäude mit einem Uhrturm auf dem Verbindungsgebäude war für 18 Klassensäle für je 60 Kinder vorgesehen. Es kostete lediglich 120.000 Mark und wurde als „mustergültiges Schulhaus“ eingestuft (Darmstädter Tagblatt vom 23.04.1908). Fast zeitgleich erhielten die beiden Architekten, die ihr Büro inzwischen in die Rheinstraße 47 verlegt hatten, den Auftrag zum Bau einer neuen Schule nebst Turnhalle und Badeanstalt in der Kirchstraße in Pfungstadt. Die Schule für 15 Klassen (heute Goetheschule) wurde auf den Fundamenten einer ehemaligen Gerberei errichtet. Die Gebäude wurden vom nahegelegen Elektrizitäts- und Wasserwerk versorgt, das unter der Leitung von Erasmus Kittler 1901 entstand. Der Gebäudekomplex gehörte zu seiner Zeit zu einem der modernsten und fortschrittlichsten Quartiere im Deutschen Reich. Die beiden Schulbauten hat Georg Scherer in einer kleinen Schrift als gute Beispiele für eine zweckmäßige, moderne und besonders kostengünstige Bauweise ausführlich beschrieben und bebildert. Die Schrift mit dem Titel „Volksschulbauten“ wurde um 1908 bei L. Simon in Darmstadt gedruckt.

In den folgenden Jahren war Georg Scherer als ausführender Architekt maßgeblich an einer Reihe von größeren Bauvorhaben beteiligt: 1909 bis 1911 am Bau der Eleonorenschule in Darmstadt nach Plänen von August Buxbaum und 1909/10 an der Renovierung und Erneuerung der Grundausstattung der Ludwigskirche. Der Neubau der jüdischen Synagoge in Darmstadt-Eberstadt 1914/15 stammt ebenfalls von Georg Scherer. 1910/11 baute Scherer mit Jakob Krug das vormalige Parkhotel in der Dieburger Straße 243 (heute Georg-Christoph-Lichtenberghaus der TU Darmstadt) zu einem herrschaftlichen Wohnsitz für Otto Heinrich zu Schaumburg-Lippe und seine Ehefrau Gräfin Anna von Hagenburg geb. Köppen um. Hierbei wurde das Gebäude mit zahlreichen Jugendstilelementen ausgestaltet, vor allem mit Keramikfliesen im Haupttreppenhaus von Jakob Julius Scharvogel.

Seit Mai 1919 lebte Georg Scherer in der Riedlinger Straße 43. Im Adressbuch von Darmstadt ist er letztmals 1936 verzeichnet. Er verstarb 1941 in Mühlhausen im Elsass.

Lit.: Reichardt, Ruth / Grimm, Immo: Ins Licht gerückt… Von der Provinzial-Pflegeanstalt Eberstadt zum Teilklinikum der Stadt Darmstadt 1903-2013, Darmstadt 2013; Georg Scherer: Volksschulbauten, Darmstadt 1908; Johannes Sommer: Von der Borngaßschul zur Mühlbergsiedlung. Die bauliche Entwicklung Pfungstadts 1800 bis 1920, in: J. Friedrich Battenberg (Hrsg.): Pfungstadt. Vom fränkischen Mühlendorf zur modernen Stadt, Pfungstadt 1985, S. 193-218; Zimmermann, Michael: Juden in Eberstadt, hrsg. von der Hans Erich und Marie Elfriede Dotter-Stiftung, Darmstadt 2019.