Stadtlexikon Darmstadt

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Graupner, Christoph

Komponist, Hofkapellmeister
* 02. oder 13.01.1683 Kirchberg/ Zwickauer Land
10.05.1760 Darmstadt
Christoph Graupner entstammte einer Familie, die mit der traditionellen Textilverarbeitung in der Region verbunden war. Sein Vater lebte als Schneidermeister in Kirchberg, sein Mutter, geb. Hochmuth, gehörte einer angesehenen Tuchmacherfamilie in Bärenwalde unweit Kirchberg an. Über eine nennenswerte musikalische Begabung innerhalb der Familien ist nichts bekannt. Die Leidenschaft zur Musik macht sich bei Graupner schon früh bemerkbar. Mit acht Jahren verließ er sein Elternhaus, um bei seinem Lehrer, der in das benachbarte Reichenbach übersiedelte, weiterhin Musikunterricht zu erhalten. Von dort wechselte er 1696 auf die Thomasschule in Leipzig, wo er vor allem durch Johann Kuhnau (Thomasorganist und ab 1701 Thomaskantor) und durch Johann Schelle (Thomaskantor) unterrichtet wurde. 1703 begann er ein Jurastudium, brach dieses aber ab und verlegte sich ganz auf die Musik.
An der Hamburger Oper fand er 1706 eine Anstellung als Cembalist. Dort lernte er einige führende Musiker seiner Zeit kennen: Johann Mattheson, Reinhard Keiser und sehr wahrscheinlich auch Georg Friedrich Händel. Mit dem Opernsänger Gottfried Grünewald war er freundschaftlich verbunden. Dieser folgte später gleich ihm einem Angebot nach DA.In der Hamburger Zeit komponierte Graupner zeittypische Opern, die mit Erfolg auf der Bühne bestanden.

Vom Hessen-Darmstädtischen Landgrafen Ernst Ludwig angeworben, gelangte Graupner 1709 nach DA, um als Vizekapellmeister die ehrgeizigen Pläne des Landesherrn in die Tat umzusetzen. DA sollte ein Zentrum der deutschen Opernpflege werden. Graupner komponierte in DA nachweislich die Opern Berenice e Lucilla (1710), Telemach (1711), und Adone (1718). 1711 rückte Graupner zum Hofkapellmeister auf, obgleich sein Vorgänger im Amt, Wolfgang Carl Briegel, noch lebte (+ 1712). Im selben Jahr heiratete er die Bischofsheimer Pfarrerstocher Sophie Elisabeth Eckard (1693-1742). Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor. Die einzige Tochter, Maria Elisabeth, heiratete 1737 den Kammerrat Johann Georg Wachter; Nachkommen dieser Verbindung sind bis heute nachweisbar. Graupners ältester Sohn, Christoph, soll ein geachteter Klavierspieler gewesen sein; er starb 1760, wenige Tage nach seinem Vater.
Durch seine Heirat war Graupner mit dem Theologen Johann Conrad Lichtenberg (1689-1751) verschwägert. Lichtenberg, anfänglich Pfarrer in Neunkirchen, dann in Ober-Ramstadt und schließlich in DA, schrieb von 1719 bis 1743 die Kantatentexte, die Graupner vertonte.

Die finanziellen Verhältnisse des Hofes und die nachlassende Neigung des Landgrafen Ernst Ludwig zur Musik zwangen um 1719 zur Schließung der Oper in DA. Der Landgraf widmete sich zunehmend dem Ausbau der Jagd (Jagdgeschichte) in seinem Lande und war oftmals wochenlang nicht in seiner Residenz. Graupner komponierte von da an vor allem Kantaten für die sonntäglichen Gottesdienste und für die Anlässe der fürstlichen Familie. Zudem trug er dem ständigen Bedarf an repräsentativer Hofmusik durch eigene Kompositionen (neben den weit mehr als 1.400 erhaltenen Kirchenkantaten (Kirchenmusik), zahlreiche Kammermusik- und teilweise gedruckte Klavierwerke, mindestens 44 Konzerte, 85 Ouverturensuiten und 112 Sinfonien) ebenso Rechnung wie durch Abschriften von Werken zeitgenössischer Komponisten (Telemann, Johann Friedrich Fasch, Heinichen u. a.). Auf diese Weise entstand zu seiner Zeit der noch heute bedeutsame Fundus an barocker Instrumentalmusik in DA.
1754 erblindete Graupner und konnte sein Amt nicht mehr wahrnehmen. Sein Grab befand sich auf dem Friedhof der Stadtkapelle, wo ein Gedenkstein an ihn erinnert. Es lässt sich nicht mehr genau lokalisieren.

Christoph Graupner gehört sicher zu den bedeutendsten deutschen Barockkomponisten am Übergang zur Frühklassik. Sein Werk blieb infolge eines mehrjährigen und letztlich unentschiedenen Rechtsstreits zwischen seinen Erben und dem Landgrafen lange Zeit unter Verschluss und wurde kaum bekannt. Er trat als ein Meister der Klangfarbenkombinationen hervor, verwandte mit Vorliebe ausgefallene Instrumente (Chalumeau, Flauto d’amore, Oboe d'amore, Viola d’amore); und überraschte durch den Wechsel seiner unerschöpflichen Einfälle. Verbreitung fanden zu seiner Zeit nur die von ihm selbst herausgegebenen Klavierwerke (1718, 1722, 1733) und sein Choralbuch (1728), nicht hingegen seine Kirchen- und seine Instrumentalmusik. Nahezu alle seine Werke werden in der Universitäts- und Landesbibliothek DA verwahrt. Es existieren inzwischen einige Neuausgaben aus allen Werkgattungen, ebenso verschiedene Einspielungen auf Tonträgern.
2003 wurde in DA eine Christoph-Graupner-Gesellschaft gegründet.

Lit.: Noack, Friedrich: Christoph Graupner als Kirchenkomponist. Beihefte zu den Denkmälern deutscher Tonkunst 1, Leipzig 1926; Kaiser, Hermann: Barocktheater in Darmstadt, Darmstadt 1951; Bill, Oswald (Hrsg.): Christoph Graupner. Hofkapellmeister in Darmstadt 1709-1760. Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte 28, Mainz usw. 1987; Großpietsch, Christoph: Graupners Ouverturen und Tafelmusiken. Studien zur Darmstädter Hofmusik und thematischer Katalog. Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte 32, Mainz usw. 1994; Bill, Oswald: „Ein gelehrter Hofbeamter und Componist“. Anmerkungen zum Leben, Amt und Werk Christoph Graupners. In: Über Leben, Kunst und Kunstwerke. Aspekte musikalischer Biographie. Johann Sebastian Bach im Zentrum. Hrsg. von Christoph Wolff, Leipzig 1999, S. 104-120; Kramer, Ursula (Hrsg.): Musikalische Handlungsräume im Wandel. Christoph Graupner in Darmstadt zwischen Oper und Sinfonie, Mainz usw. 2011 (Beiträge zur mittelrheinischen Musikgeschichte 42); Sorg, Beate: Christoph Graupners Musik zu zeremoniellen Anlässen am Hof der Landgrafen zu Hessen-Darmstadt, Norderstedt 2015; Mitteilungen der Christoph-Graupner-Gesellschaft, Darmstadt 2004 ff. Seit 2005 erscheint das Graupner-Werke-Verzeichnis (GWV) im Carus-Verlag, Stuttgart (Hrsg. Großpietsch, Bill).