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Darmstädter Sezession

Am 08.06.1919 von 21 Künstlern gegründete überregionale Künstlervereinigung, deren geistige Wegbereiter der jugendliche Kreis „Die Dachstube“ um den Verleger Joseph Würth und der Kreis um Carlo Mierendorff, den Herausgeber der „radikalen“ Literatur- und Kunstzeitschrift „Das Tribunal“ gewesen sind. Nur etwa die Hälfte der Gründungsmitglieder, darunter bereits seinerzeit prominente Maler wie Max Beckmann und Ludwig Meidner oder der Bildhauer Bernhard Hoetger, waren bildende Künstler. Der Einfluss der Literaten war stark, weshalb der erste Präsident der Sezession auch der Schriftsteller Kasimir Edschmid war. Bis in die 1930er Jahre hinein gab es auch starke Beziehungen zum Theater. So war etwa Gustav Hartung, unter dessen Intendanz das Hessische Landestheater DA als eine der führenden Bühnen Deutschlands galt, bis zu seiner Emigration 1933 Mitglied.

Ein knappes halbes Jahr nach dem Ende der Naziherrschaft, am 27.10.1945, wurde unter Führung des Malers Paul Thesing die „Neue Darmstädter Sezession“ gegründet. In der Präambel ihrer Satzung ist die Rede davon, die Neugründung sei erfolgt „eingedenk der künstlerischen Tradition der 1919 gegründeten und 1933 verbotenen Darmstädter Sezession“. Dazu ist zu bemerken, dass mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus und seiner Kunstpolitik zwar offen Front gegen die Sezessionisten gemacht und ihre Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten in erheblichem Maße erschwert wurden; Belege für ein Verbot haben sich bis heute nicht finden lassen. Wie schon bei der ersten Gründung 26 Jahre zuvor achtete man auch 1945 erneut darauf, das mehr und mehr auf die bildenden Künstler verengte Profil der Sezession zu erweitern. So spielten beim neuerlichen Anfang Architekten, Journalisten, Komponisten und Theaterkritiker wie etwa der spätere Gründer der Internationalen Ferienkurse für Neue Musik, Wolfgang Steinecke, maßgebliche Rollen. Die neu aufgenommene Arbeit der Sezession wirkte sich auf die Kulturpolitik der Stadt in prägendem Maße aus. So kam etwa das Thema des ungemein erfolgreichen ersten Darmstädter Gesprächs „Das Menschenbild in unserer Zeit“ (1950) aus den Reihen der Sezession. Der Bildhauer Wilhelm Loth hatte es ebenso vorgeschlagen wie später die Einführung des Darmstädter Kunstpreises (seit 1995 Wilhelm-Loth-Preis). Unter der langjährigen Präsidentschaft von Pit Ludwig begann Mitte der 1970er Jahre eine Neuorientierung mit der Einführung spezieller Jahresausstellungen für Freiplastik auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelhütte sowie mit der Einrichtung eines „Preises der Sezession für junge Künstler“, dessen Gewinner automatisch zu Mitgliedern ernannt werden und die Sezession auf diese Weise verjüngen.

Der Begriff „Neue Darmstädter Sezession“ wurde bis zum Jahr 1988 verwendet, danach ist in allen Verlautbarungen und Veröffentlichungen nur mehr von der „Darmstädter Sezession“ die Rede. Seit ihrem Bestehen ab 1919 gab es insgesamt nur wenig mehr als 300 Mitglieder, Ende 2004 waren es 110, von denen nur knapp zwei Dutzend in und um DA leben und arbeiten.

Lit.: Die Darmstädter Sezession 1919-1997. Die Kunst des 20. Jahrhunderts im Spiegel einer Künstlervereinigung, Ausstellungskatalog, Darmstadt 1997: Bürkle, Horst Dieter: Unheil - Exemplarischer Berichte über die entarteten und verfemten aus den Reihen der Darmstädter Sezession, Darmstadt 2019.