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Mierendorff, Carlo

Schriftsteller, Politiker
* 24.03.1897 Großenhain bei Dresden
† 04.12.1943 Leipzig
Carlo Mierendorff kam über Frankfurt/Main 1907 nach DA und besuchte von 1908 bis 1914 das
Ludwig-Georgs-Gymnasium. Nach bestandenem Notabitur meldete er sich als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg. Nachdem er während des Kriegs eigene literarische Texte in der Zeitschrift „Die Dachstube“ veröffentlicht hatte, entschloss er sich 1918 zu einem Wandel vom Schriftsteller zum Politiker und gründete die politische Zeitschrift „Das Tribunal“. Ab 1918 studierte Mierendorff in Frankfurt/Main und Heidelberg Jura und Staatswissenschaften. Als Mitglied einer sozialistischen Studentengruppe erregte er 1922 in Heidelberg Aufsehen, als er einen nationalistisch eingestellten Physikprofessor zwang, an seinem Institut die nach Walter Rathenaus Ermordung angeordnete Trauerbeflaggung aufzuziehen. Nach der Promotion war Mierendorff von 1922 bis 1925 als Mitarbeiter des Transportarbeiterverbands in Berlin tätig, 1925 bis 1926 Redakteur des „Hessischen Volksfreunds“ in DA, anschließend Sekretär der SPD-Reichstagsfraktion in Berlin. Entscheidend für seine politische Karriere – er war seit 1920 SPD-Mitglied, später auch im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold aktiv – war die Ernennung zum Pressesprecher des hessischen Innenministers Wilhelm Leuschner im Jahr 1929. Ein Jahr später wurde Mierendorff als einer der jüngsten Abgeordneten in den Reichstag gewählt. In der Endphase der Weimarer Republik schloss er sich der gegen die Nationalsozialisten gerichteten Eisernen Front an und entwickelte deren Symbol, die „Drei Pfeile“. Seine herausgehobene Position trug ihm eine langjährige Haft in mehreren Konzentrationslagern ein. Nach der Entlassung im Februar 1938 arbeitete Mierendorff als Sozialreferent bei der Braunkohle-Benzin AG in Leipzig, knüpfte aber bald Kontakte zu Mitgliedern des Kreisauer Kreises. Nach einem Sturz Adolf Hitlers war er als Minister für Presse und Volkserziehung vorgesehen. Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen, denn am 04.12.1943 kam Mierendorff bei einem Bombenangriff auf Leipzig ums Leben. Er wurde nach DA überführt und am 22.02.1944 neben seinen Eltern auf dem Waldfriedhof beigesetzt. Die Trauerrede an seinem Grab hielt sein enger Freund Theodor Haubach. Die Carlo-Mierendorff-Straße in Eberstadt erinnert heute an ihn.

Lit.: Amlung, Ullrich / Richter, Gudrun / Thied, Helge: „... von jetzt an geht es nur noch aufwärts: entweder an die Macht oder an den Galgen!“ Carlo Mierendorff (1897-1943). Schriftsteller, Politiker, Widerstandskämpfer, Marburg 1997; Ulrich, Axel: Politischer Widerstand gegen das »Dritte Reich« im Rhein-Main-Gebiet, Wiesbaden 2005; Darmstädter Ehrengräber, Darmstadt 2016 (Darmstädter Schriften 105), S. 150-153; Ulrich, Axel: Carlo Mierendorff kontra Hitler, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Hessen und Rheinland-Pfalz, Wiesbaden 2018.