Schriftsteller, OB
* 01.04.1922 Breslau
† 11.03.1981 Darmstadt
Heinz Winfried Sabais entstammte einer Arbeiterfamilie, deren Vorfahren aus Frankreich eingewandert waren. Nach mittlerer Reife und Ausbildung in einem Breslauer Großhandelshaus legte er im Herbst 1940 die Handelsgehilfenprüfung ab, im Frühjahr 1941 die Begabten-Reifeprüfung. Die Einberufung zur Wehrmacht verhinderte die Aufnahme eines Studiums. Sabais stürzte als Luftwaffenpilot ab und konnte aufgrund der erlittenen Frontuntauglichkeit 1943 bis 1945 vier Semester in Wien und Prag als Gasthörer studieren. Nach der Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft gelangte Sabais über Rudolstadt 1947 nach Weimar und arbeitete dort als Lektor und Prokurist im Kiepenheuer-Verlag. Im Januar 1948 wurde er mit der Vorbereitung der Feiern zum 200. Geburtstag Goethes beauftragt und begleitete Thomas Mann von Frankfurt nach Weimar, als dieser die beiden Städte anlässlich der Goethefeierlichkeiten 1949 besuchte. Auf Betreiben von Sabais wurde Mann die Ehrenbürgerwürde der Stadt Weimar verliehen.
1950 floh Sabais mit Frau und zwei Kindern aus der DDR und gelangte über Berlin nach DA, wo er zunächst die von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung herausgegebene Zeitschrift „Neue Literarische Welt“ betreute. Ende 1953 trat er als Kulturreferent in städtische Dienste und zeichnete in den folgenden Jahren für die Internationalen Ferienkurse, die Darmstädter Gespräche und die Ausstellungen auf der Mathildenhöhe verantwortlich, er setzte sich für die Gründung der „Neuen Künstlerkolonie“ auf der Rosenhöhe ein und initiierte den Literarischen März (Leonce-und-Lena-Preis). Am 01.01.1963 wurde Sabais zum ersten hauptamtlichen Kulturdezernenten gewählt, acht Jahre später zum Darmstädter OB, ein Amt, das er bis zu seinem frühen Tod ausübte. Seine Amtsführung ist untrennbar verbunden mit den großen städtebaulichen Veränderungen der 1970er Jahre: Luisencenter, City-Ring und Wilhelminenstraßentunnel, die Sanierung des Martinsviertels und die Errichtung des neuen Stadtteils Kranichstein.
Trotz seiner vielen Amtspflichten war Sabais immer auch literarisch tätig. Er verfasste Erzählungen und Gedichte und setzte sich literarisch mit Goethe, Georg Büchner und anderen Schriftstellern auseinander, etwa in seiner „Kleinen Darmstädter Literaturgeschichte“ (1964), in der er sich auch dem Kreis der Empfindsamen näherte. 1946 war in Rudolstadt sein erster Gedichtband „Und über allem sei Liebe“ erschienen. 1948 hatte er „Das Todesurteil“, eine Erzählung über die letzten Lebenstage Georg Büchners in Zürich, veröffentlicht. Auch die aktuelle Entwicklung der DDR-Literatur beschäftigte ihn, etwa in einem Vortrag „Literatur hinter dem Eisernen Vorhang“ (1960). Eine Auswahl seiner Gedichte und Prosastücke gaben nach seinem Tod Karl Krolow und Ekkehard Born unter dem Titel „Fazit“ (1982) heraus.
Heinz Winfried Sabais war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Mitglied und zeitweise Präsident des P.E.N.-Zentrums. Viele Jahre war er mit der Frage des Theaterneubaus und der Nutzung der Ruine des alten Landestheaters befasst. Als Präsident des Deutschen Bühnenvereins (1971-81) setzte er sich mit der Situation des deutschen Theaters und der Zukunft des Künstlerberufs auseinander. Auch als Förderer der Ruhrfestspiele in Recklinghausen, deren Festschrift zum 25-jährigen Bestehen er 1971 herausgab, wirkte Sabais kulturpolitisch über die Grenzen DAs hinaus. Wenige Tage vor seinem Tod wurde er mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille ausgezeichnet. Seine Grabstätte befindet sich auf den Alten Friedhof. 1989 wurde der Sabaisplatz auf der Mathildenhöhe nach ihm benannt.
Lit.: Thomas Mann und Heinz Winfried Sabais. Begegnungen und Korrespondenzen, hrsg. von Volker Wahl und Peter Engels, Darmstadt 1999 (Darmstädter Dokumente Nr. 6); Im Dienste der Demokratie. Die Trägerinnen und Träger der Wilhelm-Leuschner-Medaille, hrsg. von der Hessischen Staatskanzlei, Wiesbaden 2004, S. 129f.