Stadtlexikon Darmstadt

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Polizei

Der Begriff „Polizei“ bedeutete ursprünglich „rechte Ordnung“ und umfasste große Teile der Verwaltung, etwa Gesundheitsfürsorge, Stadtreinigung und das Bettelunwesen. Auch die Begriffe der „Feuerpolizei“ (heute Feuerwehr) und „Baupolizei“ (heute Bauaufsicht) deuten auf die ursprüngliche Bedeutung hin. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte der Stadtwachtmeister mit acht wehrhaften Männern für Ruhe und Ordnung auf den Straßen und in den Wirtshäusern zu sorgen. Die städtischen Feld- oder Flurschütze hatten die überhand nehmenden Felddiebstähle zu verhindern. Die Regelung der Fremdenpolizei sah vor, dass in DA ankommende Fremde am Neuen Tor (Stadttore) zentral erfasst wurden, den Grund ihres Besuchs und ihr Absteigequartier angeben mussten. Während das Stadtreglement (Stadtverwaltung) von 1721 den Begriff Polizei noch nicht kannte, wurde 1765 mit der Stadtordnung eine „Stadtpolizeideputation“ geschaffen, ein Aufsichts- und Leitungsorgan für das Polizei- und Ordnungswesen in der Stadt, bestehend aus sieben Mitgliedern unter Leitung des Stadtkommandanten. Ihr unterstellt waren ein staatlich besoldeter Polizei-Inspektor sowie Polizeibeamte, Feldschütze und Nachtwächter, Feuermelder und Brunnenmeister. Der mit der staatlichen Neuordnung 1821 eingeführte Landrat führte die kommunale Aufsicht über die Stadt DA, er war gleichzeitig „Polizeibeamter“ in der Residenz. Mit der endgültigen Aufhebung der Polizeideputation 1832 wurde die Polizeiaufsicht den Kreisräten der neu geschaffenen Kreise übertragen. Die Aufgaben der Ortspolizei nahmen die Bürgermeister (Oberbürgermeister) wahr. Die Darmstädter Polizei bestand damals aus dem Polizei-Inspektor, dem Aktuar, dem Sekretär, dem Wachtmeister und 20 Polizeisoldaten. Durch großherzogliche Verordnung wurde mit Wirkung vom 01.09.1874 die Verwaltung der Polizei in DA dem neu geschaffenen Polizeiamt DA unter Polizeirat Wilhelm Haas übertragen, das künftig für die öffentliche Sicherheit in der Residenz zuständig war. Es bezog ein Gebäude in der Hügelstraße, das bis zur Kriegszerstörung 1944 als Sitz des Amts diente und seit 1917 Polizeidirektion, später Polizeipräsidium hieß. Die zum 01.01.1876 eingerichteten vier Polizeireviere waren mit je einem Kommissar und 10 Schutzmännern besetzt, wobei die leitenden Beamten vom Staat und die Schutzmannschaft von der Stadt besoldet wurden. Drei Beamte versahen den Fahndungsdienst und bearbeiteten Kriminalfälle. Aufgrund des starken Arbeitsanfalls wurde im Juni 1907 eine eigene Kriminalabteilung errichtet. Aus der für die Polizeireviere zuständigen Inspektion entwickelte sich später das Kommando der Schutzpolizei. 1888 wurde mit der Eingemeindung Bessungens ein 5. Polizeirevier eingerichtet. 1892 betrug die Stärke der Vollzugspolizei 98 Mann, 1901 bei der Einrichtung des 6. Reviers bereits 121, 1911 mit dem 7. Revier 138. Wegen der starken Inanspruchnahme wurden bis 1898 die Feld-, Feuer-, Wohnungs- und Baupolizei der allgemeinen Verwaltung übertragen. Das Meldewesen und weitere Arbeitsgebiete der Ordnungsverwaltung (Ausstellung von Zeugnissen, Versammlungswesen, Passwesen u. a.) verblieben weiterhin bei der Polizei.

In der Weimarer Republik (Volksstaat Hessen) erfuhr die Darmstädter Polizei zahlreiche Veränderungen. 1920 wurde wegen der inneren Unruhen infolge der französischen Besetzung DAs eine kasernierte Sicherheitspolizei aufgestellt und der Polizeidirektion DA angegliedert. Sie sollte bei Unruhen und Katastrophenfällen sowie zur Unterstützung der Ortspolizei zum Einsatz kommen. Die Sicherheitspolizei und die neu eingerichtete Polizeischule bezogen die 1919 vom Militär geräumten Kasernen in der Eschollbrücker Straße, der Holzhofallee und der Bessunger Straße 125. 1921 wurde die gesamte hessische Polizei verstaatlicht. Für die örtlichen Aufgaben war die Ordnungspolizei zuständig, die blaue Uniformen trug. Die Sicherheitspolizei trug grüne Uniformen. In den 1920er Jahren kam es immer wieder zu größeren Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Aus der 1923 beim Polizeiamt DA eingerichteten Nachrichtenabteilung zur Beobachtung „staatsgefährlicher Bestrebungen“ entstand 1930 das Landeskriminalpolizeiamt (LKA). Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Werner Best „Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen“ und damit Chef der gesamten Polizei. Nach seinem Weggang übernahm Gauleiter und Reichstatthalter Jakob Sprenger die hessische Polizei. Angehörige von SA und SS wurden als Hilfspolizisten der kasernierten Bereitschaftspolizei zugeteilt, die 1935 als „Landespolizei“ in die Zuständigkeit des Reiches überging und 1936 als Infanterieregiment in die Wehrmacht überführt wurde. Im gleichen Jahr wurde Heinrich Himmler als Reichsführer SS Chef der gesamten Polizei im Deutschen Reich. Seiner Behörde war auch die neu geschaffene Staatspolizeistelle DA unterstellt, die die Aufgaben der politischen Polizei erfüllte und ab 1935 zum Geheimen Staatspolizeiamt (Gestapo) umgestaltet wurde. Kriminalpolizei, Geheime Staatspolizei und den Sicherheitsdienst der SS fasste Reinhard Heydrich später im Reichssicherheitshauptamt zusammen. Die verbrecherische Ideologie des NS-Regimes wirkte sich auch auf die Darmstädter Polizei aus. Polizeidirektor Gustav Dittmar und viele demokratietreue Mitarbeiter wurden entlassen. Die Polizeidirektion DA nannte man mit der Schaffung des Stadtkreises 1938 zum Polizeipräsidium um. Bei den schweren Bombenangriffen im September 1944 wurde auch dessen Dienstgebäude in der Hügelstraße zerstört. Mit dem Näherrücken der US-Streitkräfte 1945 gab der letzte kommissarische Polizeipräsident Büechel den Befehl, alle noch vorhandenen Akten zu vernichten und sich bis auf eine kleine Restgruppe abzusetzen.

Als am 25.03.1945 die US-Streitkräfte die in der Brandnacht zerstörte Stadt besetzten, unterzeichnete Polizeihauptmann Krauth in der Schlosswache die Übergabeurkunde. Die Militärregierung ernannte noch am selben Tag den ihr empfohlenen Rechtsanwalt Ludwig Metzger zum OB. Ihm wurde zugleich die Polizeigewalt übertragen, soweit diese nicht selbst von ihr ausgeübt wurde. Metzger berief als Polizeipräsidenten nach Zustimmung der Militärregierung Georg Reibold, der als Dezernatsleiter im Hessischen LKA 1933 abgesetzt worden war. Nach der Entlassung fast aller öffentlichen Bediensteten war seine wichtigste Aufgabe der schnelle Aufbau einer demokratischen kommunalen Polizei. Er konnte dabei auf etwa 120 zuverlässige ehemalige Beamte zurückgreifen. Für jeden Bewerber musste am Anfang die Zustimmung der US-Behörde eingeholt werden. Die neuen Polizisten trugen Zivilkleidung mit einer Armbinde „MG-Police“ und waren unbewaffnet. Die Behörde hieß nun „Der Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt - Der Polizeipräsident“. Nach der Besetzung stieg die Kriminalität in DA in einem unvorstellbaren Umfang. Überfälle, Raub und Einbrüche häuften sich. Gestohlen wurde alles, von den Ackerfrüchten bis zum Zink auf den Dächern. Der Schwarzhandel blühte. Zeitweise waren bis zu 11.000 Displaced Persons in DA untergebracht. Diese beschafften sich oft illegal Waffen, sodass ihnen die deutschen Polizisten ohne die Hilfe der Militärpolizei hilflos gegenüberstanden. Seit dem 12.09.1944 war die Polizei in verschiedenen provisorischen Behausungen untergebracht. Das Präsidium saß im ehemaligen Alicestift in der Nieder-Ramstädter Str. 177. Das Gebäude diente bis 1992 als Präsidium, das in drei Abteilungen arbeitete: Die Verwaltungsabteilung war auch zuständig für die Bearbeitung vom Ausländerwesen bis zur Zulassung von Kraftfahrzeugen. Andere frühere Aufgaben wurden der Polizei entzogen und neu gebildeten Ämtern übertragen. Der Außen- und Streifendienst oblag der Schutzpolizeiabteilung. Diese bediente sich hierfür der 7 Polizeireviere und ihrer Außenposten. Die Kriminalabteilung war für alle Straftaten zuständig. Ab Juli 1945 erhielt die Polizei eine blaue Uniform und die ersten Waffen. Auch wurde eine Reiterstaffel gebildet. Später kamen nach und nach VW-Käfer als Streifenwagen und die Ausstattung mit Funkgeräten dazu. Das Amt hatte damals 315 Stellen. 1959 konnte Georg Reibold seinem Nachfolger, dem Stadtrechtsrat von Freiburg/Breisgau Hans Kiskalt (1921-2013) eine vielfach bewährte Polizei übergeben. Ein Schwerpunkt der Arbeit bestand darin, den Fluss des unablässig steigenden Kfz-Verkehrs zu gewährleisten. Durch die allmähliche Ausstattung der großen Kreuzungen mit Ampeln konnten Verkehrspolizisten gesundheitsschädlichen Abgasen entzogen und an anderer Stelle eingesetzt werden. Außerdem wurden Politessen zur Überwachung des ruhenden Verkehrs eingestellt. Auf Hans Kiskalt folgte 1963 der frühere Rechtsanwalt und später als Verteidigungsdezernent im Regierungspräsidium tätige Regierungsrat Peter C. Bernet (1931-2016), der das Präsidium 31 Jahre leitete und 1964/65 darüber hinaus von OB Ludwig Engel zum Beauftragten für den Brand- und Katastrophenschutz bestellt wurde. In dieser Zeit fand die „Schönwetterpolizei“ ihr Ende. Seit den Schwabinger Krawallen 1962 wurde die Polizei mit Großdemonstrationen konfrontiert. In DA wurden deshalb alsbald die Führungskräfte als Erste in Hessen intensiv im richtigen Umgang mit Menschenmassen psychologisch geschult. Mit dem Anwachsen rechter Kreise wurden automatisch demokratische Gegenreaktionen hervorgerufen. Zu ersten Zusammenstößen zwischen der Darmstädter Polizei und Gegendemonstranten kam es schon im Herbst 1963. Mit dem Stärkerwerden der NPD häuften sich solche Zwischenfälle, oft mit mehreren tausend Gegendemonstranten. Doch die Darmstädter Polizei konnte sich durch taktisch geschicktes Verhalten einen liberalen Ruf verschaffen. Leider gelang dies nicht bei ihren Aufklärungsveranstaltungen gegen den zunehmenden Drogenkonsum. Der Konsum von Haschisch und Marihuana nahm zu, bald folgten Heroin und andere Rauschmittel. Nach 34 Herointoten in einem Jahr beendete die Polizei mit mehrwöchigen Großrazzien die Drogenszene im Herrngarten, wohin es die Süchtigen bis aus dem Raum Stuttgart zog. Noch heute zählt die Bekämpfung der Rauschmittelkriminalität zu einer besonders starken Herausforderung der Polizei. Von den 1970er bis in die 1990er Jahre gab es weitere Schwerpunkte in der polizeilichen Arbeit wie z. B. Großveranstaltungen, Hausräumungen, Streiks, die Baader-Meinhof-Bande, die RAF, Personenschutz, Startbahn-West-Einsätze, den Schutz der Synagoge sowie der Anlagen der US-Streitkräfte und von ESA/ESOC und Eumetsat, ferner der ständig wachsende Straßenverkehr und seine Folgen. Die Öffentlichkeits- und Vorbeugungsarbeit wurde massiv verstärkt. Um an bestimmten Brennpunkten die Bürgernähe zu verbessern, wurden Kontaktbeamte gestellt, die jedoch bei manchen auf Ablehnung stießen. Eine weitere Belastung waren Aufbau und Einführung der elektronischen Datenverarbeitung.

Die Raumnot im alten Präsidium zwang zur Verlagerung der Zulassungsstelle, Reviere wurden neu organisiert und Polizeiposten aufgelöst. Mit Hilfe von OB Heinz Wilfried Sabais wurde ein Grundstück in der Klappacher Straße für einen Neubau gefunden, der 1992 bezogen werden konnte. Die teils ausgelagerte Präsidialabteilung wurde wieder zusammengeführt, das Verkehrskommando und das 2. Polizeirevier wurden in den Neubau umgesetzt. Endlich waren alle Abteilungen wieder im Polizeipräsidium vereinigt. In all diesen Jahren erfuhr das Darmstädter Polizeipräsidium wichtige organisatorische Veränderungen. Zum 01.01.1974 wurden in Hessen die bis dahin kommunalen Präsidien (unter Ausgliederung der Verwaltungspolizei an die Städte) verstaatlicht. Im neuen Dienstbezirk kamen zur Stadt die Landkreise DA und Dieburg hinzu. Die Behörde führte nun die Bezeichnung „Der Polizeipräsident in Darmstadt“. Nach der Gebietsreform in Hessen 1976 waren vom Präsidium ca. 430.000 Einwohner zu betreuen. 1990 betrug der Personalstand 781 Mitarbeiter. Rudolf Kilb, der Peter C. Bernet 1994 als Behördenleiter folgte, hatte die schwierige Aufgabe, eine neue Reform zum Erfolg zu führen, nämlich die Vereinigung der Schutz- und Kriminalpolizei unter einem gemeinsamen Einsatzleiter. Gleichzeitig mussten Beamte der Kriminalpolizei auf den Außenstellen mit Schutzpolizisten zu gemeinsamen Ermittlungsgruppen zusammengefasst werden. Dadurch kamen die Ermittler näher zum Tatort und zum Bürger. Am 01.01.2001 wurde als weitere Reformstufe das „Polizeipräsidium Südhessen“ gebildet, in das auch große Teile der aufgelösten Vollzugspolizei des Regierungspräsidiums übergeführt wurden. Es löste das alte Polizeipräsidium DA ab und umfasst heute die Polizeidirektionen DA-Dieburg (einschließlich der Stadt DA), Odenwald (Erbach), Bergstraße (Heppenheim) und Groß-Gerau. Insgesamt ca. 1.900 Mitarbeiter haben nun eine Bevölkerung von etwa 1,3 Million Bürgern zu betreuen. Hiermit waren endlich die von den hessischen Polizeipräsidenten schon seit den 1970er Jahren geforderten kriminalgeografisch erforderlichen und personell besser zu lenkenden Organisationseinheiten verwirklicht. Am 01.01.2004 übernahm Polizeipräsident Gosbert Dölger, bislang Leiter der Polizeidirektion Aschaffenburg, die neue Behörde. Als zusätzliche Belastung der Polizeiarbeit hat sich heute die Bekämpfung der sogenannten IT-Kriminalität ergeben, die auch vermehrten Personalaufwand erfordert. Seit 2016 ist Bernhard Lammel Polizeipräsident.

Lit.: Bernet, Peter C.: Darmstadt und seine Polizei. In: Polizei-Technik-Verkehr, Sonderheft Juni, Wiesbaden 1967; Franz, E. G.: STAD, Findbuch G 12; Die Schlosswache, ehemaliges 1. Polizeirevier in Darmstadt, hrsg. Helmut Biegi, Reinheim 2017.