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Exerzierplatz/Exert

Der älteste, 1732 erwähnte Parade- und Exerzierplatz in DA umfasste den jetzigen Mathildenplatz und einen Teil des westlich anschließenden Geländes. Daneben gab es seit 1752 einen kleinen Exerzierplatz für die Leibgarde zu Pferd am Bauhof (Ecke Alexander- und Magdalenenstraße). Seit dem Baubeginn für das Exerzierhaus im Jahr 1769 wurde auch der heutige Friedensplatz als Exerzierplatz eingerichtet. Der älteste Exerzierplatz am heutigen Mathildenplatz wurde durch den Bau der Vorstadtmauer im Westen 1746 (Stadtmauer) zerschnitten, und man benötigte Ersatz. Deshalb legte das Militär auf einem 21 Morgen großen Gelände mit Weingärten zwischen Rheinstraße und späterer Holzhofallee einen neuen Exerzierplatz an. Zu Beginn der Regierung Ludwigs IX. wurde er bedeutend erweitert auf insgesamt 189 Morgen Fläche. Der endgültige Ausbau war erst kurz vor 1790 abgeschlossen. Im Südwesten schob sich der Exerzierplatz mit der großen und kleinen Schanze für Schießübungen der Artillerie weit in den Wald vor. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verlor der Exerzierplatz durch Randbebauung, vornehmlich der Kasernen entlang der Holzhofallee, und durch den Bau der Eisenbahn immer mehr an Fläche. Der Exerzierbetrieb wurde nach 1870 allmählich auf den neuen Truppenübungsplatz in Griesheim verlegt (Flugplätze), der Exerzierplatz dafür zunehmend für Paraden oder zivil, vor allem als Festplatz genutzt, z. B. für die großen Volksfeste anlässlich der Einweihung des Ludwigsmonuments (August 1844) und beim 1. Mittelrheinischen Musikfest (August 1856).

Im Krieg 1870/71 und im Ersten Weltkrieg dienten eigens errichtete Baracken auf dem Exerzierplatz als Kriegsgefangenenlager. Nach 1918, als die Garnison aufgelöst und DA entmilitarisiert war, diente der „Exert“, wie er im Volksmund genannt wurde, kulturellen und sportlichen Zwecken, z. B. beim 33. Mittelrheinischen Turnfest 1927 (Sport in DA), aber ab 1933 auch den Aufmärschen der Nationalsozialisten (Nationalsozialismus). Bereits 1893 war im Norden des Exerzierplatzes an der Rheinstraße eine große Festhalle entstanden, die 1927 einen noch größeren Nachfolgebau für über 5.000 Menschen erhielt (Festhallen). Generationen Darmstädter Jugendlicher nutzten den „Exert“ als Spiel- und Tummelplatz, ließen dort ihre Drachen steigen, schauten den Truppen beim Exerzieren zu und sammelten an den Schießständen verschossene Munition ein. In der Brandnacht 1944 leitete der Exerzierplatz das traurigste Kapitel Darmstädter Geschichte ein, weil die angreifenden englischen Bomberverbände seine nachts gut zu erkennende Fläche als Zielpunkt für den Bombenabwurf nutzten.

Nach Kriegsende diente der Platz etwa 15 Jahre als Lagerstätte für den Trümmerschutt und als Standort der Trümmermühle (Trümmerräumung). Noch Mitte der 1950er Jahre studierten Botaniker die ausgeprägte Steppenvegetation auf dem Gelände. Aber schon in dieser Zeit entstanden, zum Teil in stehen gebliebenen Kasernenbauten, zum Teil in Neubauten, die ersten Betriebe der so genannten „Rauchlosen Industrie“, die hier, gefördert von der Stadt DA, dem Land Hessen und der Wiederaufbau GmbH, angesiedelt wurden: Verlage, darunter das Darmstädter Echo, Glasbläsereien, Bekleidungsunternehmen, pharmazeutische Betriebe, Druckereien, Buchbindereien usw. (Industrialisierung, Kurt Jahn, Verlage). Der Exerzierplatz wurde zur Grundlage eines neuen Industrieviertels, in dem seit 1962 auch die Darmstädter Ingenieurschulen ihre neue Bleibe fanden, die 1971 in der neu gegründeten Fachhochschule (Hochschule DA) aufgingen. Aber auch Wohngebäude wurden errichtet, hauptsächlich durch Baugesellschaften. Bereits 1951 konnten die Kammbauten an der Rheinstraße bezogen werden, weitere Wohnblocks folgten. Heute erinnert in der Gegend um Spree-, Havelstraße und Berliner Allee nichts mehr an den alten „Exert“.

Lit.: Haupt, Georg: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Darmstadt, 2 Bde., Darmstadt 1952–54, S. 178f.; Haupt, Georg: Kasernen, Exerzierplätze und Exerzierhaus. In: Adressbuch 1937, S. 67-78.