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Wixhausen

Die älteste Besiedelung der Gemarkung wurde 1948 erkennbar, als in einer nacheiszeitlichen Flugsanddüne Grabbeigaben aus der mittleren Hügelgräberbronzezeit (1400-1250 v. Chr.) gefunden wurden, die Handelsverbindungen bis nach Skandinavien und ans Mittelmeer nachwiesen (Jorns, Werner). „Wigkerhusen“ wurde in der zweiten fränkischen Siedlungsphase (750/780) staatlich erfasst – als Hinterdorf des Gerauer Königshofs am Oberlauf des Mühlbachs (vgl. Silz) auf einer Seenplatte. Der Dorfkern entstand in Schutzlage vor der Mündung mehrerer Wasserläufe und südlich einer Flugsanddüne direkt an einem der 13 Seen und Weiher („Wigker“), die in Flurnamen noch fortleben – darauf geht der Ortsname zurück. Noch ein halbes Jahrtausend blieb die Gerauer Kirche zuständig für die Wixhäuser Kapelle. „Wikkenhusen“ (so 1172 erwähnt) in der Gerauer Mark gehörte im Mittelalter zum Reichsgut des Wildbanns Dreieich – Pferdezucht auf der „Strieth“ und Wagenbau aus dem Holz der Jagdwälder sind früh belegt, ebenso Aumühle, Kuchenmühle und Odelnmühle (Mühlen in Wixhausen). Nach der Übertragung an die Reichsabtei Fulda (910) gehörte das Dorf ab 995 zum Stift St. Viktor in Mainz und ab 1000 zum Bistum Worms. Anno 1013 übertrug Kaiser Heinrich II. im Zuge der Gründung des Bistums Bamberg die Gerauer Mark an den Bischof von Würzburg als Herzog von Franken zum Ersatz für an Bamberg verlorene Gebiete – kirchlich blieb sie bei Mainz. Weltlicher Verwaltungsmittelpunkt wurde die Burg Dornberg. Mit Dornberg, Büttelborn, Gräfenhausen und Messel stand Wixhausen in einer Reihe von Tieflandburgen quer durch den Rheingraben. In Wixhausen wurde um 1150 ein romanischer Burgturm aus Stein errichtet, der noch heute als Kirchturm dient – das älteste der erhaltenen mittelalterlichen Bauwerke im Stadtgebiet. Spätestens 1172/73 notiert das älteste Besitzstandsverzeichnis des Zisterzienserklosters Eberbach, das in Gehaborn eine Grangie und im Wixhausen benachbarten Sensfeld eine Mühle betrieb, Berward de Wikkenhusen als Gerichtszeugen. Er gehörte wohl schon zu den Wixhäuser Burgmannen der Hagen-Münzenberger in Dreieichenhain, wie der 1225 mehrfach belegte Ritter Siegfried von Wixhausen, dessen Familie nach 1255 nach Frankfurt auswanderte und dort im Stadtadel noch Jahrhunderte nachweisbar ist. Wixhausen wurde zu einem ungeteilt katzenelnbogischen Dorf.

Nachdem in einer Fehde mit Oppenheim die Gerauer Mutterkirche abgebrannt war, erhielt Wixhausen 1295 eine St. Bartholomäus geweihte selbstständige Pfarrkirche. Die finanzielle Ausstattung und die Altarreliquie stammten von der Frankfurter St. Bartholomäus-Stiftskirche, dem Dom – im Tausch übernahmen Kirche und Pfarrei einen Teil des Ritterguts vor Ort. Im Pfarrarchiv sind aus dieser Zeit noch Pergamenthandschriften erhalten: ein illuminiertes Antiphonale aus einem Chorgesangbuch und ein Kalender für Seelengedenkmessen. Er ist die älteste Urkunde im Stadtteil, die den Ortsnamen "wixhusen" belegt. In der Obergrafschaft Katzenelnbogen und der Nebenresidenz DA kamen den Pfarrern der Gerauer Mark, die in einem Halbstift zusammenlebten, neue Aufgaben zu. Der Wixhäuser Pfarrer Gerhard war auch Burgkaplan in DA, erlebte dort den Umbau zum Schloss und errichtete an der Wixhäuser Kirche einen gotischen Hochchor, von dem Reste der Glasfenster erhalten sind. Wixhäuser Pfarrer versorgten auch zwei Altäre in der Wallfahrtskirche „zu Arheilgen vor dem Dorfe“, die nach 1519 abgebrannt ist. Aus ihren Mitteln wurde 1541 die Wixhäuser Kirche saniert. Zwar erhielt die Kirche 1517 und 1519 noch zwei erhaltene Kostbarkeiten – ein Turmschlagwerk und die St. Blasius-Glocke Steffans von Frankfurt –, erlebte die Reformation (1526) aber als lange pfarrerlose Zeit. Erst 1556 waren die Verhältnisse wieder soweit geordnet, dass ein Pfarrer aufziehen konnte. Seit jenem Jahr ist das Pfarrarchiv erhalten.

Wixhausen in hessischer Zeit

Durch Erbfall war Wixhausen 1479 hessisch geworden. Die Regentschaft der Landgrafen leitete zunächst einen Wirtschaftsaufschwung ein. Wissen wir 1415 nur von 22 Höfen, die zusammen mit dem Sattelhof an die Wallfahrtskirche in Arheilgen übertragen wurden, so hatte das Dorf zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges 55 Höfe. Aber an dessen Ende lebten gerade noch „acht arme verderbte Männer“, die auswandern wollten. Die schlimmsten Plagen waren der Mansfelder Einfall 1622, französische Überfälle, die Besetzung durch General Gallas 1643 und die verheerende Pestepidemie 1630-35. Es brauchte ein halbes Jahrhundert, bis das Leben wieder richtig in Gang kam. Der Turm der Kirche war vom Schiff abgerissen. Da Reparaturen unterblieben, stürzten die Gewölbe des gotischen Chors 1772 ein. Zwar konnte 1761/62 das barocke Pfarrhaus erbaut, die Kirche jedoch nicht erneuert werden. Dies geschah 1774 bis 1776 notgedrungen doch, der Prozess um die Baulastpflicht zog sich aber von 1789 bis 1929 hin. Es entstand eine ausgemalte barocke Saalkirche mit 21 Emporenbildern des Hofmalers Kastner. Die spätbarocke Dreymann-Orgel wurde 1823 ersteigert, die letzte Pfarrscheune 1827 gebaut, kurz vor der Ablösung der Rechte der Pfarrei an Grund und Boden.

Zwar machte der Bau der Main-Neckar-Bahn bis 1846 Wixhausen zu einem Eisenbahnerdorf (Eisenbahn), dennoch waren Wixhäuser Ortsbürger gezwungen, nach Amerika auszuwandern. Seit 1882 gab es schon einen ersten Kindergarten, der aber nach einer Gebietsreform 1886 wieder aufgegeben werden musste. In der Folgezeit wurde Wixhausen mehr und mehr zur Arbeiterwohnsitzgemeinde, die sich in Vereinen und Parteien organisierte. Der Fußballverein Union erreichte 1920 sogar den Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse (Sport). Der Erste Weltkrieg unterbrach die Elektrifizierung des Dorfs. Danach war Wixhausen bis 1929 französisch besetzt, die Bahnlinie unterbrochen. Inflation und Weltwirtschaftskrise bestimmten diese Jahre – und ein Kampf gegen die Pfarrei, deren Pfarrhaus von der Elektrifizierung des Dorfs ausgeschlossen wurde. Aus Stiftungsmitteln konnte 1929 der Westteil des Pfarrhofs mit dem Fachwerkhaus von 1662 ersteigert werden, in dem heute das Wixhäuser Dorfmuseum untergebracht ist, und eine Scheune, in der wieder ein Kindergarten eingerichtet wurde. Nach 1933 entschied sich eine jüdische Familie, nach New York überzusiedeln – eine andere überlebte die Konzentrationslager. Ein führendes NSDAP-Mitglied wurde aus dem Kirchenvorstand ausgeschlossen, woraufhin die Gestapo erreichte, dass der Kindergarten 1937 an die NSV fiel. Westlich von Wixhausen wurde das erste Autobahnteilstück gebaut und seit 1938 waren erste Soldaten des neuen Heers im Dorf einquartiert – Vorzeichen des Zweiten Weltkriegs und seiner Opfer.

Auf dem Weg nach Darmstadt

Die Nachkriegszeit brachte neben Mangel und Währungsreform viele Evakuierte und Vertriebene ins Dorf, 1950 lebten 3.322 Einwohner in 469 Häusern mit 1.049 Haushalten. Das Dorf wuchs allmählich bis an die Frankfurter Landstraße, im Wirtschaftswunder kam ein großes Neubaugebiet hinzu und eine verbesserte Infrastruktur. Dazu gehörten der Neubau der Schule (Schulwesen) und des Bürgerhauses. Die letzte große Veränderung in der Geschichte Wixhausens brachte 1977 die Eingemeindung nach DA (s. a. Bezirksverwaltung, Ortsbeirat). Die 1969 gegründete nationale Großforschungsanlage GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH nahm 1976 ihren Betrieb auf und entwickelte sich zu einem international führenden Institut, das zurzeit erweitert wird, um die internationale Beschleunigeranlage FAIR mit einem Doppelringbeschleuniger von 1100 Metern Umfang, Speicherringen und 24 Gebäuden mit Experimentierplätzen. In der Grundlagenforschung ist nicht nur eine erfolgreiche Tumortherapie entwickelt worden, sondern hier sind auch in weltweiter Spitzenleistung sechs Elemente der Periodentafel chemischer Elemente entdeckt und erzeugt worden: 107 Bohrium, 108 Hassium, 109 Meitnerium, 110 Darmstadtium, 111 Roentgenium und 112 Copernicum. Mit einer Bronzestele (1986) und drei Physikfenstern (1997 und 2003) ist die Arbeit der GSI auf dem Pfarrhof mit dargestellt worden. Zur Förderung von Frauen in der Forschung wurde 2002/03 der Kindergarten auf dem Pfarrhof mit der GSI zu einer Modelleinrichtung umgebaut.

Lit.: Ruhl, Hans-Eberhard: Darmstadt-Wixhausen. Eckdaten und Grundzüge seiner Geschichte, Darmstadt 1995.