Stadtlexikon Darmstadt

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Stadtmauer

Am 23.07.1330 verlieh Kaiser Ludwig der Bayer dem Grafen Wilhelm I. von Katzenelnbogen für seinen Ort DA Stadtrechte. Dies schloss auch das Recht ein, Märkte abzuhalten sowie eine Mauer mit Graben zu errichten. Vorher war die kleine Siedlung vermutlich mit Wall und Graben und vielleicht einem Palisadenzaun umwehrt. Ob der Bau der Stadtmauer unmittelbar nach 1330 in Angriff genommen wurde, ist ebenso wenig sicher wie der Zeitraum, der bis zu ihrer Vollendung verging. Den einzigen Anhaltspunkt neben der Stadtrechtsverleihung bietet eine Urkunde, mit der Graf Johann IV. von Katzenelnbogen und seine Frau Anna am 25.07.1418 die Stadt DA in Anbetracht der schweren und getreuen Dienste, die sie ihnen bei ihren Bauten zu DA bisher geleistet hatten, für die nächsten zehn Jahre von einigen Steuern und Abgaben befreite. Daraus kann man den vorsichtigen Schluss ziehen, dass die Stadtmauer zu Beginn des 15. Jahrhunderts fertig gestellt war. Zuerst wurde die ungefähr 1 Meter dicke und bis zu 8 Meter hohe innere Mauer mit Wehrgang begonnen, um anschließend die äußere, nur etwa halb so dicke und niedrigere Mauer und den Zwingerbereich (4-5 Meter breit) zu errichten. Daran schloss sich als letzter Abschnitt der vorgelagerte Graben mit Wall und Palisaden an. Reste eines unterirdischen Gangs für die Verteidiger unter dem Zwinger sind 2004 beim Bau des Wissenschafts- und Kongresszentrums ergraben worden (Kongressgebäude). Innerhalb der Stadtmauer lief eine Ringstraße zum schnellen Fortkommen der Verteidiger.

Beide Mauern waren zur Verstärkung in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durch Türme gesichert, die innere Mauer durch hohe Rund- oder Ecktürme, die äußere durch niedrigere Halbschalentürme. Die Frage, warum einige Türme der älteren Stadtmauer, z. B. der Hinkelsturm und der benachbarte Mühlturm, als Rechtecktürme mit stadtseitiger Öffnung errichtet wurden, der Weiße Turm, der Schlangenturm, der Runde Turm und der Turm östlich der Schlossmauer hingegen als Rundtürme, kann nicht schlüssig beantwortet werden. Als Turm der inneren Mauer gehört der Weiße Turm eigentlich der ersten Bauphase an. Allerdings ist auf der ältesten Ansicht aus dem Jahr 1678, die den Turm vollständig zeigt, deutlich zu erkennen, dass er zum Zwinger hin offen ist. Dies deutet darauf hin, dass die Besatzung des Turms die Aufgabe hatte, einen Feind, der nach Überwindung des äußeren Mauerrings in den Zwingerbereich eingedrungen war, in der Flanke zu bekämpfen. Demnach ist der Weiße Turm entweder nach oder gleichzeitig mit der Zwingermauer errichtet worden, vermutlich im frühen 15. Jahrhundert.

Als im Jahr 1449 Graf Philipp der Ältere von Katzenelnbogen seinem Sohn Philipp Burg und Stadt DA auf Lebenszeit als feste Residenz zuwies, begannen umfangreiche Bauarbeiten im und um das Schloss. Unter anderem wurde dem Schloss im Norden und Westen ein Vorwerk vorgelagert, das im Osten an der heutigen Alexanderstraße und im Westen in der Nähe des Weißen Turms an die Stadtmauer anschloss, also den heutigen Ernst-Ludwig- und Friedensplatz umfasste und in der Bauflucht des Hessischen Landesmuseums und des Moller-Baus (Haus der Geschichte) verlief. Die seit 1590 unter Georg I. und Ludwig V. errichtete Alte Vorstadt (Ballonplatz und Magdalenenstraße) bedingte den Bau einer Stadtmauererweiterung mit zwei neuen Stadttoren, dem Jägertor und dem Sporertor (Stadttore). Nachdem seit 1672 die Straße am Birngarten (Alexanderstraße) bebaut wurde, hat man auch sie durch den Bau einer weiteren Mauer in den Stadtbering einbezogen und durch ein Tor zum Schlossgraben hin abgeschlossen.

Mitte des 17. Jahrhunderts war die Stadtmauer noch vollständig erhalten. Sie hatte aber mit dem Aufkommen der Feuerwaffen ihre militärische Bedeutung verloren und begann zu verfallen. Der Plan Landgraf Ludwigs VI., die Stadt nach dem Vorbild von Mainz mit einem Festungsring zu umgeben, wurde nicht in die Tat umgesetzt. Erste Teile der Stadtmauer im Westen der Stadt sowie das Vorwerk wurden 1688 und 1693 auf Anordnung französischer Truppen niedergerissen. Als Landgraf Ernst Ludwig ab 1695 mit der Erbauung der neuen Vorstadt begann (Mollerstadt), ließ er weitere Teile der Stadtmauer einreißen. Der Weiße Turm wurde 1704 von Baumeister Erich Philipp von Ploennies um ein Stockwerk erhöht, ringsherum geschlossen, mit einem Kuppeldach versehen und in einen Uhr- und Glockenturm für die Bewohner der neuen Vorstadt umgewandelt. Die neue Vorstadt war zunächst nur durch Palisaden befestigt, die erst 1745 durch eine nur ca. 1,5 Meter hohe Mauer ersetzt wurden, die lediglich polizeilichen Zwecken diente. Zwei Stadttore dienten als Ausgang, das Neue Tor oder Rheintor etwa an der Stelle des Ludwigsmonuments und das Frankfurter Tor am Nordende des heutigen Mathildenplatzes, etwa an der Stelle der heutigen „Seufzerbrücke“. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Mauer und Tore im Zuge des Ausbaus der Mollerstadt wieder beseitigt.

Im 18. und 19. Jahrhundert verfiel die Stadtmauer weiter und wurde an vielen Stellen durch Überbauung und Straßendurchbrüche abgerissen. Reste sind heute noch im Osten um den Hinkelsturm und an der Alexanderstraße, Reste der Vorstadtmauer zwischen Magdalenen- und Mauerstraße vorhanden. Während man Teile der Stadtmauer an der Alexanderstraße 1954 im Zuge von Neubauten für die TH Darmstadt abriss, hat die Stadt die Mauerreste am Hinkelsturm 1952/53 gesichert. Dabei wurden in der Mauer nördlich der Lindenhofstraße einige in den Trümmern gefundene Schlusssteine von Torbogen zerstörter Altstadthäuser verbaut. Von 1994 bis 1997 wurden die Reste der Stadtmauer am Hinkelsturm erneut saniert und zu einem Altstadtmuseum umgebaut.

Lit.: Engels, Peter: Vom Wehrturm zum Wahrzeichen – Der Weiße Turm in Darmstadt. In: Vom Glockenturm zur Fotogalerie. 300 Jahre Weißer Turm, hrsg. vom Darmstädter Förderkreis Kultur und vom Freundeskreis Weißer Turm, Darmstadt 2004; Haupt, Georg: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Darmstadt, 2 Bde., Darmstadt 1952-54, S. 31-38; Die Darmstädter Stadtmauer in sieben Jahrhunderten. Die Altstadt. Der Hinkelsturm. Der Zwinger, hrsg. vom Magistrat der Stadt Darmstadt, Denkmalschutz – Kulturamt, Darmstadt 1996 (Beiträge zum Denkmalschutz in Darmstadt, Heft 6)., S. 28-51.