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Hochzeitsturm

Um an die Vermählung von Großherzog Ernst Ludwig mit Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich im Jahr 1905 zu erinnern, beauftragte die Stadt DA den Architekten Joseph Maria Olbrich mit der Planung des Hochzeitsturms. Er wurde von 1907 bis 1908 vom Hochbauamt der Stadt auf der Mathildenhöhe errichtet. Das 48,5 Meter hohe Bauwerk gliedert sich bautechnisch in drei Abschnitte: Den mehrstufigen, grau verputzten Sockel mit Eingangsportal, den mit dunklen Klinkern gemauerten Turmkörper und die mit Kupferblech gedeckte „fünffingrige Krone“. Das Relief über dem Portal ist eine Arbeit des Bildhauers Heinrich Jobst. Es zeigt außer der Widmungsinschrift die Personifikationen der Herrschertugenden Stärke, Weisheit, Gerechtigkeit und Milde. Der Turm wurde in sieben Geschosse unterschiedlicher Höhe und Nutzung gegliedert. Erst 1909 waren die Fürstenzimmer in Ebene 4 und 5 fertig gestellt. Gewölbe und Wandflächen im „Zimmer des Großherzogs“ wurden von dem Maler Fritz Hegenbarth ausgemalt. Den Wandfries im „Zimmer der Großherzogin“ mit im Renaissance-Stil gemalten Szenen einer Hochzeitsfeier schuf Philipp Otto Schäfer. Im Hinblick auf die letzte Künstlerkolonie-Ausstellung 1914 führte die Deutsche Glasmosaikfabrik Puhl und Wagner die Mosaikdekorationen am Eingangsportal und in der Eingangshalle sowie die Sonnenuhr nach Entwürfen von Friedrich Wilhelm Kleukens aus. Auch die vergoldete Turmuhr, ein Werk Albin Müllers, wurde erst 1914 an der Nordseite installiert. Mit dem Hochzeitsturm, dessen dekorative Ausstattung er nicht mehr erlebte, hatte Olbrich all das Geschwungene, den ganzen pflanzlich-ornamentalen Zierrat des Jugendstils wieder abgestreift. So deutete sich hier zumindest ansatzweise schon jene Formberuhigung an, die kurze Zeit später die bedeutendsten Monumente der deutschen „Vor-Moderne“ hervorbringen sollte. Der Turmbau mutet ferner wie eine Vorwegnahme jener städtebaulichen Reformidee an, die den Architekten Bruno Taut (Ludwig-Georgs-Gymnasium) nur ein paar Jahre später zur Forderung nach neuen „Stadtkronen“ für eine neue Gesellschaft veranlasste.

Der Förderkreis Hochzeitsturm e. V. hatte sich bei seiner Gründung 1983 die Erhaltung und Wiederbelebung des Darmstädter Wahrzeichens zum Ziel gesetzt. Schrittweise begann ab 1984 die Renovierung der Turmräume und des Treppenhauses. Seit 1993 finden Trauungen im Hochzeitsturm statt.

Lit.: Mathildenhöhe Darmstadt. 100 Jahre Planen und Bauen für die Stadtkrone, Darmstadt 1999-2004, Bd. 3, S. 35-79; Der Hochzeitsturm. Geschichte eines unverkennbaren Wahrzeichens, hrsg. vom Förderkreis Hochzeitsturm e. V., Darmstadt 2007; La Tour du Marriage – Der Hochzeitsturm. Sieben Kurzgeschichten des 1. Darmstädter Turmschreibers. Mit einer fotografischen Hommage an das Wahrzeichen Darmstadts, Edition Darmstadt 110, Darmstadt 2014.