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Haus- und Familienarchiv, Großherzoglich-Hessisches

Nachdem das Geheime Haus- und Staatsarchiv in Darmstadt 1804 eine eigenständige Behörde geworden und nicht mehr Teil der Regierungskanzlei war, wurden die eher privaten Papiere der Landesherren (Hausarchiv) und die Verwaltungsunterlagen (Staatsarchiv) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts voneinander getrennt, so dass es jetzt ein eigenes Hausarchiv innerhalb der Bestände des Haus- und Staatsarchivs, wie es sich bis 1919 nannte, gab. Nach der Revolution von 1918 und der Beseitigung des monarchischen Systems in Hessen durch die Absetzung des letzten Großherzogs Ernst Ludwig wurde der Rechtsstatus des Hausarchivs durch Vertrag zwischen der Großherzoglichen Kabinettsdirektion (für den ehemaligen Großherzog) und dem Haus- und Staatsarchiv (für den Freistaat Hessen) vom 16. Juli/1. September 1919 neu definiert. Darin einigten sich beide Vertragsparteien auf ein gemeinsames Eigentum am Hausarchiv und zugleich auf eine Herauslösung der jüngeren Bestände jenes Hausarchivs, das nunmehr unter dem Namen Familienarchiv firmieren sollte. Hierzu zählten insbesondere die privaten Unterlagen der jüngeren großherzoglichen Familie, einsetzend mit Prinz Karl von Hessen und bei Rhein (1809-1877) und seiner Frau Elisabeth, geb. v. Preußen (1815-1885) sowie auch das sogenannte „Fischbacher Archiv“, das die Nachlässe der Eltern Elisabeths umfasst. Diese Archivteile wurden als „Familienarchiv der jüngeren Linie des Hauses Brabant“ separat aufgestellt und sollten alleiniges Eigentum der großherzoglichen Familie bleiben. Das Staatsarchiv hatte diese jüngeren Schriftstücke aber mit zu verwalten. Verträge zwischen dem Volksstaat Hessen und dem Großherzog 1930, zwischen dem Land Hessen und Prinz Ludwig 1968 sowie zuletzt zwischen dem Land Hessen und der Hessischen Hausstiftung 2013 passten v.a. die Nutzungsbedingungen an, die liberaler und forschungsfreundlicher wurden.

Bei den Regelungen des Vertrages von 1919 ist es bis heute im Grundsatz geblieben: Das Hausarchiv ist gemeinsames Eigentum der Hessischen Hausstiftung und des Landes Hessen, das Familienarchiv ist alleiniges Eigentum der Hessischen Hausstiftung, aber unwiderruflich im Staatsarchiv Darmstadt deponiert. Die Hessische Hausstiftung ist eine Familienstiftung des Hauses Hessen mit Sitz in Kronberg, deren Aufgabe es ist, die Kulturwerte des Hauses Hessen zu erhalten. Das Eigentumsrecht an dem Familienarchiv ist 1987 an sie übergegangen. Die Betreuung des Familienarchivs ist seit dem Vertrag von 1919 einem Beamten des höheren Dienstes des Staatsarchivs Darmstadt anvertraut. Als Familienarchivare wurden ernannt: Julius Reinhard Dieterich (1919-1937), Fritz Herrmann (1937-1938), Ludwig Clemm (1938-1971), Eckhart G. Franz (1971-2015), Rainer Maaß (ab 2015).

Die heutige Gliederung und die Verzeichnung des Familienarchivs erfolgten sukzessive. Die Teilbestände des Haus- und des Familienarchivs erhielten im Jahre 1973, als im Staatsarchiv Darmstadt eine neue Beständegliederung eingeführt worden war, Bezeichnungen, unter denen die Akten auch heute noch zu zitieren sind: Die Bestände D 1 bis D 12 firmierten als das Großherzogliches Hausarchiv (der umfangreichste Kernbestand mit den Unterlagen der älteren landgräflichen bzw. großherzoglichen Familie ist hier der Bestand D 4); die Bestände D 21 bis D 25 bildeten das Großherzogliche Familienarchiv. Nach 1973 gab es noch weitere Änderungen: Der Bestand D 21 (Akten und Amtsbücher der Grafschaft Hanau-Lichtenberg), der früher zum Familienarchiv gehörte, wurde 2013 dem Hausarchiv zugeschlagen; zudem wurden neue Teilbestände des Familienarchivs gebildet: D 26 und D 27. Bei dem Bestand D 26 handelt es sich um das so genannte „Wolfsgarten–Archiv“. Mit seinen 15 Metern Umfang umfasst es die Nachlässe der letzten Angehörigen des Hauses von Hessen und bei Rhein: Prinz Ludwig (1908-1968) und Prinzessin Margaret (1913-1997), die gegen Ende der 1980er Jahre von Schloss Wolfsgarten bei Langen in das Staatsarchiv Darmstadt überführt wurden. Nach dem Tod der Prinzessin gelangte auf ihren Wunsch hin ein Großteil des in Wolfsgarten verwahrten Fotoarchivs der Großherzoglichen Familie in das Staatsarchiv. Es bildet dort die Bestände D 27 A mit insgesamt 210 Alben und D 27 B mit rund 15.300 Einzelfotos. Dieser Fotobestand ist deswegen so bedeutend, weil er seit den 1850er Jahren in einer geschlossenen Folge bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg das Privatleben der Großherzoglichen Familie und der mit ihr verwandten Familien wie auch deren öffentliche Auftritte eindrucksvoll dokumentiert. So sind Kostümfeste am großherzoglichen Hof ebenso bildlich überliefert wie die Orientreise Großherzogs Ludwig IV. von 1869, die Indienreise seines Sohnes Ernst Ludwig von 1903 oder dessen Aufenthalt bei der Zarenfamilie auf der Krim in Livadia im April/Mai 1912. Innenaufnahmen und Gartenansichten hessischer Schlösser und herrschaftlicher Wohnsitze auch außerhalb des Großherzogtums Hessen sind ebenfalls von größter Seltenheit.

Lit.: Georg Fink: Geschichte des Hessischen Staatsarchivs zu Darmstadt, Darmstadt 1925; Albrecht Eckhardt (Bearb.): Hessisches Staatsarchiv und Stadtarchiv Darmstadt. Übersicht über die Bestände, 2., völlig neu bearbeitete und vermehrte Auflage Darmstadt 1975; Friedrich Battenberg (Hrsg.): Die Bestände des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt, Darmstadt 1997.