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Datterich-Klause

Die legendäre Datterich-Klause öffnete am 14. November 1947 Ecke Steinacker- und Karlstraße ihre Tür. Wirt Joachim Wickler hatte das winzige Häuschen unter abenteuerlichen Umständen auf den Trümmern der Brandnacht erbaut. Aus altem Blech, Draht und Eisen hatte er Lampen, Kerzenhalter, Garderobenhaken, Gitter und Tore geschmiedet. Das winzige Lokal, das zugleich ein Niebergall-Museum barg, maß nur 34 Quadratmeter. Das reichte für vier Tische und 24 Sitzplätze. An den Wänden hingen wahre Schätze, darunter ein Essbesteck Niebergalls und ein Abguss seiner Totenmaske, dazu Gemälde und Plakate. Die Zapfanlage war ein geschnitztes Schmuckstück. Von Anfang an drehte sich alles um Ernst Elias Niebergall und sein bekanntestes Werk „Datterich“.

Die originelle Kneipe wurde bald zum bevorzugten Treffpunkt der Darmstädter Prominenz und der Freunde der Darmstädterei. Das Bier kredenzte man in Krügen aus gepichtem Eichenholz. Die Datterich-Klause bot nicht nur bekannten Datterich-Darstellern wie Joseph Offenbach, Günter Strack und Robert Stromberger eine Heimat, auch Prominente wie Helmut Schmidt, damals noch als Verteidigungsminister, Altbundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger, Otto von Habsburg, Sammy Drechsel oder Dieter Hildebrandt verewigten sich dort mit einem Autogramm.

Nach dem Tod von Joachim Wickler übernahm seine Witwe Irmgard die kleine Kneipe, musste sie jedoch 1993 aus gesundheitlichen Gründen schließen. Eine Nachfolge kam nicht in Frage, da das winzige Häuschen längst nicht mehr den gestiegenen hygienischen Anforderungen an die Gastronomie entsprach. Schließlich kaufte der Nachbar, Bäckermeister Rolf Breithaupt, das 300 Quadratmeter große Grundstück. Nach dem Abriss des kleinen Gebäudes nutzt er es bis heute als Parkplatz für seine Bäckerei.
Den Abriss des Häuschens überlebt haben diverse Einrichtungsgegenstände. Sie sind heute über Darmstadt verstreut und stehen oder hängen bei diversen Sammlern. Anlässlich des 200. Geburtstages von Ernst Elias Niebergall im Jahr 2015 feierte die Datterich-Klause im Pavillon des ehemaligen Fremdenverkehrsamtes am Hauptbahnhof noch einmal eine kleine Auferstehung – und mit ihr die historische Originalzapfanlage.

Lit: Michael Kibler / Kerstin Schumacher: Darmstadts verschwundene Orte, Darmstadt 2021; Bert Hensel: Aus für die „Datterich-Klause“, Darmstädter Echo 1993.