Stadtlexikon Darmstadt

Logo Darmstadt

Niebergall, Ernst Elias

(Pseud. E. Streff)
Schriftsteller
* 13.01.1815 Darmstadt
† 19.04.1843 Darmstadt
Darmstädter Genies verlassen früh die Heimat oder werden nicht alt – oder beides. Karl Kraus, der große Wiener Sprachkritiker, ließ neben seinem geliebten Nestroy überhaupt nur Ernst Elias Niebergall und seine zu Lebzeiten mäßig erfolgreichen Darmstädter Lokalpossen mit ihrem meisterhaften biedermeierlichen Lokalkolorit und der herrlichen Sprachkomik noch unter den deutschen Mundartdramatikern und -komödianten gelten. Dieser Sohn eines Kammermusikers wuchs in der Darmstädter Elisabethenstraße, gar nicht weit vom zwei Jahre älteren Georg Büchner auf, besuchte (wie fast alle Darmstädter guten Köpfe) das Pädagog; 1832 bis 1835 studierte er (wie fast alle mittellosen Aufsteiger damals) Theologie an der Landesuniversität Gießen, wo er als Burschenschaftler mit einigen Freunden Georg Büchners sowie mit Karl Vogt im studentischen Kneipenleben regelmäßigen Umgang hatte – dabei freilich relativ unpolitisch blieb. Weil er aufgrund der politischen Verfolgung seiner Verbindung das theologische Examen zunächst nicht ablegen durfte, verschlug es ihn zunächst im Herbst 1835 als Hauslehrer nach Dieburg, 1839 nach Bessungen, und 1840 kehrte er nach doch noch erfolgter Universitätsprüfung als Privatschullehrer (wohl am Schmitz’schen Knaben-Institut, Schulwesen) nach DA zurück. Hier starb er bettelarm in einer kleinen Bude in der heutigen Wilhelm-Glässing-Straße, gerade mal 28-jährig, und wurde in einem heute nicht mehr bestehenden Reihengrab auf dem Alten Friedhof begraben, dort erinnert nur ein Gedenkstein an ihn. Das deutsche Kleinbürger- und Spießertum, das er grandios satirisch darstellt, lacht und applaudiert begeistert, wenn man ihm so den Spiegel vorhält. Niebergall jedenfalls schuf die Integrationsgestalt für den echten Darmstädter, der mit dem „Datterich“ im Kopf über einen schier unerschöpflichen Zitatenschatz für alle Lebenslagen verfügt.

Werke: Des Burschen Heimkehr, oder: Der tolle Hund. Lustspiel, Worms 1837; Datterich. Localposse, in der Mundart der Darmstädter, Darmstadt 1841; Faksimile durch Karl Esselborn mit wichtigen Materialien, Darmstadt 1925; Gesammelte Schriften. Hrsg. von Ulrich Joost, 2 Bde, Darmstadt 2015.

Lit.: Einleitung zu Ernst Elias Niebergall: Dramatische Werke, hrsg. von Georg Fuchs, Darmstadt 1894 (erste, durch raffinierte Mischung von Quellenzitat und freier Erfindung arg verfälschende Biographie, die die folgende Wirkungsgeschichte bis in die Gegenwart bestimmen sollte); Esselborn, Karl: Ernst Elias Niebergall. Sein Leben und seine Werke, Darmstadt 1922, Becker, Rudolf: Ernst Elias Niebergall. Bilder aus einem unauffälligen Leben, Darmstadt 1998; Peter Engels: Ernst Elias Niebergall – Überblick über ein kurzes Leben. In: Ernst Elias Niebergall. Eine Spurensuche, hrsg. Gösta Gantner, Silke Peters, Peter Engels, Darmstadt 2015, S. 8-33; Darmstädter Ehrengräber, Darmstadt 2016 (Darmstädter Schriften 105), S. 161-163.