Stadtlexikon Darmstadt

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Gerichtsgebäude

Die alten Darmstädter Gerichte tagten im Rathaus, im Schultheißenbau und unter freiem Himmel (Gerichtsbarkeit). Eigene Räumlichkeiten gab es auch für das von Georg I. gegründete fürstliche Gericht nicht. Es war seit 1585 im Gebäude der fürstlichen Kanzlei im Schloss untergebracht. Das 1748 als höchstes Gericht der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt gegründete Oberappellationsgericht tagte seit 1781 im Kollegiengebäude und musste 1825 aus Platzgründen in das gemietete Doppelhaus Rheinstraße 18 verlegt werden. Das 1818 gegründete Kassationsgericht war im Sitzungssaal des Rathauses untergebracht. Das 1803/04 als neue Mittelinstanz gegründete Hofgericht und das alte Ortsgericht, das 1804 zur neuen Unterinstanz, dem Stadtgericht, wurde, waren beide ebenfalls in gemieteten Gebäuden in der Kirchstraße untergebracht. Von dort zog das Stadtgericht 1842 in die Hügelstraße, das Hofgericht in die Neckarstraße um. Zweckbauten für Gerichte erbaute man erst im 19. Jahrhundert nach der Gemeindereform von 1821, welche die konsequente Trennung von Justiz und Verwaltung durchführte. Die neue Auffassung vom Wesen des Staates wirkte sich auf dem Gebiet des Bauwesens dahingehend aus, dass für die Zwecke der Verwaltung, der Polizei und der Rechtspflege angemessene repräsentative Gebäude errichtet wurden, welche die Bedeutung der darin untergebrachten Institutionen auch nach außen hin anschaulich vor Augen führten. 1847 bearbeitete Georg August Lerch ein Projekt, alle Darmstädter Justizbehörden mit Kreisamt und Polizei auf dem damals noch nicht bebauten Gelände zwischen Marktplatz und Ernst-Ludwig-Straße räumlich zu verbinden, was aber nicht zur Ausführung gelangte. Der erste Zweckbau für ein Gerichtsgebäude entstand 1872 bis 1874 mit dem „Justizpalast“ am nördlichen Mathildenplatz (heute Landgericht), in dem die Darmstädter Gerichte zusammengefasst wurden: Hofgericht (ab 1879 Landgericht), Oberappellationsgericht (ab 1879 Oberlandesgericht) und Staatsanwaltschaft. 30 Jahre nach dem Landgericht erhielt auch das Stadtgericht, das seit 1879 „Amtsgericht“ hieß, unmittelbar daneben ein eigenes Gebäude, das von Karl Hofmann errichtet und am 01.10.1905 als „Neues Justizgebäude“ eröffnet wurde. Es entstand an der Stelle der von Franz Heger errichteten Münze. Amts- und Landgericht waren durch den „Seufzerbrücke“ genannten Übergang über die östliche Fahrbahn des Mathildenplatzes miteinander verbunden. Nur das 1875 gegründete Verwaltungsgericht musste weiterhin auf beengtem Raum im Kollegiengebäude verbleiben.

Am 29.10.1952 erfolgte durch Ministerpräsident Georg August Zinn die Einweihung des wieder aufgebauten Landgerichtsgebäudes am Mathildenplatz, das in der Brandnacht bis auf die Grundmauern ausgebrannt und um ein Stockwerk erhöht worden war. 1981/82 wurde die Fassade des Gebäudes, die zum Teil mit Efeu zugewachsen war, saniert. Eine Grundsanierung erfolgte 2011/12. Auch das Amtsgericht wurde 1944 stark beschädigt und in vereinfachter Form, ebenfalls mit einem weiteren Stockwerk, unter Wahrung des Lichthofs und der großen Innentreppe, bis 1956 wieder aufgebaut. Obwohl die seit Dezember 1954 ebenfalls dort residierende Staatsanwaltschaft 1964 auszog, mussten Teile des Amtsgerichts in verschiedenen Gebäuden in der Umgebung untergebracht werden. 1963/64 erhielt am Mathildenplatz auch die Staatsanwaltschaft DA einen Neubau für ihre damals 93 Bediensteten (Das „Weiße Haus“), in dessen viertes Stockwerk der in DA verbliebene Senat des Oberlandesgerichts einzog, das ansonsten nach 1945 nach Frankfurt am Main verlegt worden war. Da das Oberlandesgericht immer mehr Platz benötigte, wurde die Staatsanwaltschaft 1973 in zwei gemietete Gebäude am Schottener Weg ausquartiert.

Erleichterung brachte für sie und auch für die anderen Gerichte das „Neue Justizzentrum“ am Mathildenplatz, das seit 1982 in Planung war, 2003 begonnen und 2006 eröffnet wurde und die seit dem Abriss des Marstalls 1958 vernachlässigte Westseite des Platzes wieder schließt. Dort zogen Abteilungen des Amts- und Landgerichts, die Staatsanwaltschaft und die Senate des Oberlandesgerichts ein. Im Anschluss wurde auch das „Weiße Haus“ durch einen vergrößerten Neubau ersetzt, der seit 2011 auch das 1. Polizeirevier beherbergt. Das Verwaltungsgericht konnte 1950 erstmals ein eigenes Dienstgebäude beziehen, einen Neubau in der Neckarstraße 3a, der 1961 erweitert wurde, indem andere dort untergebrachte Behörden auszogen. 2000 bezog das Verwaltungsgericht ein gemietetes Gebäude in der Havelstraße. An der Ecke Steubenplatz/Am Alten Bahnhof entstand 1986 bis 1988 ein Neubau für das Arbeitsgericht, das Sozialgericht und das Landessozialgericht, die vorher auf vier verschiedene Standorte in DA verteilt waren, und für den Familiensenat des Oberlandesgerichts Frankfurt.

Lit.: Haupt, Georg: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Darmstadt, 2 Bde., Darmstadt 1952–54, S. 167-170; Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Darmstadt. Hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen in Zusammenarbeit mit dem Magistrat der Stadt Darmstadt – Denkmalschutzbehörde – Braunschweig, Wiesbaden 1994, S. 140-143.