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Müller, Friedrich

Propst, Präsident der Ev. Landeskirche Hessen-Darmstadt
* 30.12.1879 Ober-Sorg/Oberhessen
15.09.1947 Darmstadt
Der Sohn eines Lehrers besuchte ab 1891 das Landgraf-Ludwig-Gymnasium in Gießen und legte 1899 das Abitur ab. Anschließend studierte Friedrich Müller bis 1903 an der Gießener Universität ev. Theologie. Er wurde Mitglied der Burschenschaft Alemannia. Theologisch rechnete er sich zur historisch-kritischen Schule. Nach dem ersten Examen besuchte er das Predigerseminar in Friedberg, nach dem zweiten Examen 1904 versah er im „unständigen“ Dienst verschiedene Pfarrstellen. 1909 wurde er Pfarrer in Wimpfen am Neckar, heiratete und 1910 wurde Sohn Otfried geboren. Neben dem Pfarramt arbeitete Müller an einer Dissertation, die er aber erst 1924 abschließen und in Druck geben konnte. Im Ersten Weltkrieg war Müller Divisionspfarrer. Noch während seiner Militärzeit bewarb er sich nach Rüsselsheim, wo er im Oktober 1918 ins Amt eingeführt wurde. 1919 wurde Tochter Ingeborg geboren.

Nach der Trennung von Kirche und Staat 1918 ging es um den Aufbau einer eigenständigen evangelischen Landeskirche. Friedrich Müller wurde kirchenpolitisch tätig, man wählte ihn 1923 in den Landeskirchentag (Kirchensynode). 1928 wurde er zum Superintendenten, zugleich Oberkirchenrat, für Starkenburg mit Sitz in DA berufen. Müller war mit Prälat Wilhelm Diehl befreundet und begeisterte sich wie dieser für Hessen und die hessische Kirchentradition. 1933 wurden die Landeskirchen Nassau, Frankfurt am Main und Hessen-Darmstadt von den Nationalsozialisten zwangsvereinigt. Aus den Superintendenten wurden Pröpste. Die neue Gesamtkirche erhielt einen Bischof. Müller, der zunächst auf Drängen von Kollegen im neuen Amt geblieben war, trat 1934 aus Protest gegen Maßnahmen des Bischofs zurück. 1935 ließ er sich jedoch um des Erhalts der Landeskirche willen dazu überreden, sein Amt wieder zu übernehmen. Müllers Anliegen war die an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Volkskirche. Deshalb vermied er es, sich einseitig kirchenpolitisch zu binden. Er war weder bei den Deutschen Christen, noch bei der Bekennenden Kirche (s.a. Kirchenkampf).

1945 trennten sich die zwangsvereinigten Kirchen wieder (s.a. EKHN). Friedrich Müller wurde wieder Superintendent und zugleich Präsident der hessischen Kirche. Die drei Landeskirchen bildeten einen Verbindungsausschuss, dessen Vorsitz Müller übertragen wurde. Auf einem gemeinsamen Kirchentag im September 1947 in Friedberg sollte über eine neue, diesmal freie Vereinigung der Landeskirchen entschieden werden. Müller bereitete alles vor. Viele erwarteten, dass er auch zum Präsidenten der neuen Landeskirche gewählt werden würde. Doch er verstarb zwei Wochen vor dem Kirchentag und Martin Niemöller wurde zum Kirchenpräsidenten gewählt. Müller ist darüber in Vergessenheit geraten. Das Grab seiner Familie auf dem Alten Friedhof ist längst eingeebnet, seine Kinder hatten keine Nachkommen. Bemerkenswert ist, dass Müller als einziger in einem kirchlichen Leitungsamt mit nur kurzer Unterbrechung von der Weimarer Zeit bis nach dem Zweiten Weltkrieg hat bestehen können.


Lit.: Lück, Wolfgang: Friedrich Müller. Letzter Präsident der Landeskirche Hessen-Darmstadt und ein Wegbereiter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt 2014.