Stadtlexikon Darmstadt

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Kunkel, Emilie

Lehrerin, Bibliothekarin
16.11.1898 Oberhausen
23.04.1969 Weilmünster
Die Tochter eines Monteurs besuchte von 1913 bis 1919 das Großherzogliche Seminar für Volksschullehrerinnen an der Eleonorenschule in Darmstadt und bestand 1919 dort die Lehrerinnen-Prüfung. Sie war von 1919 bis 1930 als Schulgehilfin an verschiedenen Orten in Rheinhessen tätig und wurde ab 1931 mit einer vollen Lehrerstelle in Mainz-Bischofsheim angestellt. 1937 schied sie wegen „nervöser Erschöpfungszustände“ aus dem Schuldienst aus und lebte seit 1938 in München. Dort ließ sie sich zur Bibliothekarin ausbilden und arbeitete seit 1943 bei der Stadtbibliothek München als Diplom-Bibliothekarin. 1945 zog sie nach Fürstenfeldbruck, seit 1951 lebte sie wieder in Darmstadt. Sie engagierte sich in Frankfurt/Main in Gruppendiskussionen, die die politischen Einstellungen der Deutschen nach 1945 ermitteln und helfen sollten, „die Bevölkerung zur Toleranz zu erziehen“. Das Verfahren der Gruppendiskussion wurde auch vom Frankfurter Institut für Sozialforschung angewendet. 1952 nahm deswegen Theodor W. Adorno Kontakt mit Emilie Kunkel auf. Im Frühjahr 1954 begann sie, die Gründung einer „Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ in Darmstadt vorzubereiten und korrespondierte mit dem Deutschen Koordinierungsrat, dem Bischof von Mainz (Albert Stohr), dem Präsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Martin Niemöller, dem Darmstädter Echo und vielen anderen. Durch persönliche Besuche und Aussprachen gewann sie über 70 Persönlichkeiten des öffentlichen, kulturellen und kirchlichen Lebens in Darmstadt, sich ebenfalls dafür zu engagieren. Am 10. November 1954 kam es zu einer konstituierenden Zusammenkunft unter Leitung von Oberbürgermeister Ludwig Engel und damit zur Gründung der Gesellschaft in Darmstadt. Sie betonte als deren Ziel „moralische Wiedergutmachung an unseren jüdischen Mitbürgern und Überwindung antisemitischer Tendenzen.“ Emilie Kunkel übernahm in den folgenden Jahren sehr aktiv die Rolle einer Geschäftsführerin. 1956 ging diese Funktion auf Alexander Haas über, der ebenfalls von Anfang an bei der Gründung der Gesellschaft mitgearbeitet hatte.

Lit.: Thomas Lange: „… im weitesten Sinn all derer, die guten Willens sind“. Die ersten Jahrzehnte der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Darmstadt. In: Thomas Lange / Lothar Triebel (Hrsg.): „Geh nicht den alten Weg zurück!“ Festschrift zum sechzigjährigen Bestehen der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Darmstadt 1954 – 2014. Unter Mitarbeit von Godehard Lehwark, Darmstadt 2014, S. 17-49; hier: S. 18-28; Thomas Lange: Erinnerung in Darmstadt: Arbeit und Kultur. Zur Geschichte des Gedenkens an Darmstadts jüdische Bürger, in: Franz, Eckhart G. (Begr.). neu hrsg. von Battenberg, J. Friedrich / Engels, Peter / Lange, Thomas: Juden als Darmstädter Bürger. Vollständig überarbeitete und erweiterte Neuausgabe, Wiesbaden 2019, S. 201-220; hier: S. 205-207.