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Landtag

Chronikalisch überliefert ist der erste Hessische Landtag derjenige, der 1247 den Brabanter Enkel der hl. Elisabeth zum Erben des Landes Hessen berief. In der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts greifbar, bildete sich die Mitwirkung der Stände (landsässiger Adel, Prälaten und städtische Magistrate) an der fürstlichen Regierung etwa 1450 stärker aus, vor allem durch das Steuerbewilligungsrecht. Nach der Landesteilung von 1567 tagten die hessischen Stände noch gemeinsam, es entstanden aber auch „Partikularlandtage“, so auch in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Im Absolutismus sehr stark eingeschränkt (z. B. kein Selbstversammlungsrecht), gelang es dem Landesherrn aber niemals, vollständig auf sie zu verzichten. Endgültig aufgehoben wurde der alte Landtag am 01.10.1806 von Großherzog Ludewig. I. mit Hinweis auf „die in den letzten Jahren in Deutschland eingetretenen Staats Veränderungen“ und in Kongruenz zur so genannten „Verfassungsklausel“ der Wiener Bundesakte. Mit dem oktroyierten Verfassungsedikt vom 18.03.1820 reagierte die großherzogliche Regierung auf eine demokratische Volksbewegung und legte die Basis für die Einberufung eines neuen Landtags. Die beiden Kammern des gewählten Landtags traten am 27.05.1820 zusammen. Die gewählten Volksvertreter firmierten als „2. Kammer der Landstände“ (50 Sitze, von denen 6 vom Grund besitzenden Adel, 10 von den größeren Städten gewählt wurden); die 1. Kammer war dagegen eine „Herrenbank“ (Prinzen des großherzoglichen Hauses, standesherrlicher Adel, ev. Geistlichkeit, der kath. Bischof von Mainz, sowie zehn auf Lebenszeit berufene „Staatsbürger“). Zunächst tagte der Darmstädter Landtag im ehemaligen Prinz-Georg-Palais am Marktplatz, bis in den Jahren 1836 bis 1839 unter Leitung von Georg Moller das Prinz-Christian-Palais am Luisenplatz zum ständigen Sitz ausgebaut wurde (Palais). Heute steht an der Stelle des 1944 zerstörten Gebäudes die Hauptstelle der Sparkasse DA.

Dem Landtag stand das Steuer- und Budgetrecht sowie die Mitwirkung an der Gesetzgebung zu, die Gesetzesinitiative oblag der Regierung. Die Legislaturperiode dauerte 6 Jahre, seit 1875 wurden alle 3 Jahre die Hälfte der Abgeordneten in 40 Wahlbezirken neu gewählt und die Stimmzettelwahl eingeführt. Ein reines Männerwahlrecht mit hohem Mindestalter (erst 30, dann 25 Jahre) und Vermögensvorschriften beschränkten sowohl das aktive wie das passive Wahlrecht gravierend, ein dreifaches Wahlsystem „konzentrierte“ den Volkswillen auf eine kleine Honoratiorenschicht. Trotzdem galt dieses System im Vergleich zu anderen deutschen Ländern noch als relativ „demokratisch“. Die Darmstädter Landtagsabgeordneten Heinrich von Gagern und Theodor Reh waren Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. Die Reformgesetze der Revolution von 1848/49 überdauerten, doch die Demokratisierung des Wahlrechts und die Entfeudalisierung der 1. Kammer scheiterten in der Reaktionszeit 1850/51. Die liberale Haltung der letzten Großherzöge und der Landtagsmehrheit schlossen tief gehende Konflikte aus. 1886, noch vor dem Ende der so genannten Sozialistengesetze, wurden die ersten beiden SPD Abgeordneten gewählt, u. a. der spätere 1. hessische Staatspräsident Carl Ulrich. Nach der letzten Wahlrechtsreform 1911, welche die direkte und geheime Wahl sowie Stichwahlentscheide einführte, waren aufgrund des Steuerzensus nur 20 Prozent der männlichen Einwohner wahlberechtigt, ferner wurde die Zahl der städtischen Vertreter erhöht, über 50-jährige erhielten zwei Stimmen. Die Verfassung von 1820 hat sich insgesamt bis zum Ende der Monarchie behauptet. Nach der Revolution 1918 und der Gründung des Volksstaats Hessen wurde die 1. Kammer abgeschafft, das allgemeine gleiche Frauen- und Männerwahlrecht eingeführt, das Wahlalter auf 20 Jahre (1921 erneut: 25) für die verfassungsgebende Volkskammer gesenkt, aus welcher der Landtag des neuen Volksstaates mit 70 Sitzen hervorging, der durch namhafte Demokraten wie Otto von Brentano und Wilhelm Leuschner geprägt wurde. Gewählt wurde mit einem landesweiten Listenwahlsystem, die Wahlperiode betrug drei, ab 1930 vier Jahre. Nach der Wahl am 13.03.1933, der Wahl des Landtagspräsidenten Ferdinand Werner (NSDAP, die 1932 von 73 Sitzen 32 errang) zum neuen Staatspräsidenten und der Verabschiedung der ersten so genannten „Ermächtigungsgesetze“ am 16.03.1933 trat der Landtag nach insgesamt 43 Sessionen nicht mehr zusammen. Mit der demokratischen Verfassung des neuen Landes Hessen endete die Geschichte des Darmstädter Landtags 1946 endgültig.

Lit.: Murk, Karl: Hessen-Darmstädtische Landtagsabschiede 1648-1806, Darmstadt 2002 (Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen 28); Ruppel, Hans Georg / Groß, Birgit: Hessische Abgeordnete 1820-1930, Darmstadt 1980 (Darmstädter Archivschriften 5).