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Wella AG

(s. a. Wella Museum) Der gelernte Friseur und Perückenmacher Franz Ströher (1854-1936) aus Oberwiesenthal im Erzgebirge gründete am 01.07.1880 in Rothenkirchen im Vogtland einen kleinen Betrieb zur Herstellung und zum Vertrieb von Haartüll, der Grundlage für die Herstellung von Perücken. Erste Versuche zur maschinellen Herstellung waren zunächst nicht erfolgreich, gelangen erst mit englischem Seidentüll, für den Franz Ströher eine Appretur entwickelte, die den Tüll wasser- und schweißfest machte. Mit dieser Erfindung begann um 1900 der wirtschaftliche Erfolg der Firma. Produziert wurde seit 1904 im neu errichteten Fabrikgebäude in Rothenkirchen. 1908 traten die beiden ältesten Söhne Karl (15.03.1890-26.11.1977) und Georg Ströher (18.10.1891-19.10.1964) in das Unternehmen ein und begannen mit der Erschließung des europäischen Marktes, ab 1910 auch des US-Marktes.

Nach dem Ersten Weltkrieg ließen die wechselnde Haarmode und das Aufkommen der Dauerwelle die Nachfrage nach Perücken und künstlichen Haarteilen rasch sinken. Karl und Georg Ströher erwarben deshalb 1924 die Lizenz zum Bau von Dauerwellapparaten. Im selben Jahr meldete die Firma beim Deutschen Patentamt das Wortzeichen „Wella“ für Friseurarbeiten an und brachte 1927 mit dem „Wella Junior“ den ersten eigenen Dauerwellapparat auf den Markt. Daneben produzierte die Firma Trockenhauben, elektrische Haarschneidemaschinen, Frisierstühle und weitere Einrichtungsgegenstände für Friseurgeschäfte, außerdem neu entwickelte chemische Präparate zur Behandlung von Dauerwellen und für die Haarpflege. Niederlassungen entstanden in den USA und in mehreren europäischen Ländern. Seit 1930 firmierte das Unternehmen als Franz Ströher AG.

Im Zweiten Weltkrieg verlor man die Niederlassungen im Ausland, ebenso erworbene Patente. 1940 musste die Produktion von Friseurgeräten und schließlich Frisierprodukten aufgrund der Rohstoffbewirtschaftung eingestellt werden. Durch die guten Beziehungen der Brüder Ströher zu den NS-Machthabern konnten sie als Kompensation lukrative Rüstungsaufträge erhalten, die sie mit Hilfe von Zwangsarbeitern ausführten. Nach Kriegsende wurde das Werk in Apolda demontiert, das Stammwerk in Rothenkirchen enteignet und 1948 in einen Volkseigenen Betrieb umgewandelt.

Der Neubeginn erfolgte im September 1945 in Hünfeld bei Fulda. Hier gründeten Karl und Georg Ströher die Ondal GmbH und führten die Produktion von Wella-Erzeugnissen fort. 1950 verlegte man den Firmensitz mit Verwaltung, Forschungslaboratorien, Lager und Versand nach DA, wo die Stadt ein günstiges Grundstück zur Verfügung stellte. Zugleich erfolgte die Umbenennung in „Wella AG“, damit wurde die Marke auch zum Firmennamen. Den Vorstand bildeten weiterhin Karl und Georg Ströher sowie ihr Schwager Karl Megerle. Anfang der 1950er Jahre traten weitere Familienmitglieder in die Firma ein.

In den Jahrzehnten nach 1950 entwickelte sich die Wella AG zum zweitgrößten Hersteller von Haarkosmetik-Produkten und Friseurbedarf. Dazu trug auch die Entwicklung von „Koleston“, der ersten Cremehaarfarbe der Welt, bei. In mehr als 140 Ländern war die Firma mit ihren Produkten vertreten, Produktionsstätten und Vertriebsgesellschaften bestanden in 50 Ländern. In den 1980er Jahren kamen Körperpflege- und Kosmetikprogramme als weiteres Standbein hinzu. 1985 arbeiteten weltweit etwa 10.000 Menschen für Wella. In den 1990er Jahren setzte ein Konzentrationsprozess ein. Fertigungsstandorte wurden geschlossen, Fertigung und Logistik wurden konzentriert. Dennoch arbeiteten, bedingt durch Akquisitionen, 1994 weltweit über 16.000 Menschen für Wella. Akquisitionen und Investitionen in neue Technologien führten zu erheblichem Kapitalbedarf. Deshalb wurden 1983 und 1993 Teile des Kapitals an der Börse eingeführt. Die Familie kontrollierte über Aufsichtsratsmandate und einen Familien-Beirat zunächst weiter die Geschäfte des Unternehmens.

Die zunehmende Entfremdung zwischen Familie und Firma führte 2003 schließlich zum Verkauf des gesamten Aktienbesitzes der Familie an den amerikanischen Konsumgüterkonzern Procter & Gamble und bildete mit dem Friseur- und Duftgeschäft den wesentlichen Bestandteil der Unternehmenseinheit „P&G Global Prestige & Professional Care“. DA blieb zunächst Sitz des Wella-Geschäfts, 2013 bis 2014 wurde der Standort jedoch aufgelöst, die mehr als 1.000 Beschäftigten an den P&G-Standort Schwalbach verlegt. Für die Wella-Friseurschulung eröffnete die Firma im April 2014 ein neues Studio in Frankfurt/Main. Der Wella-Standort DA wurde damit zunächst Geschichte.

Lit.: Der Schönheit verpflichtet. Von Franz Ströher zur Ströhergruppe. Hrsg. von der Wella AG, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, zum hundertjährigen Unternehmensbestehen, Darmstadt 1980; Sachse, Wieland: Familienunternehmen in Wirtschaft und Gesellschaft bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein historischer Überblick. In: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Heft 1/1991, S. 9-25.