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Hirschfeld, Kurt

Schriftsteller, Theaterdirektor
* 10.03.1902 Lehrte
† 08.11.1964 Tegernsee
Bereits während seiner Schulzeit in Hannover veröffentlichte Kurt Hirschfeld erste Essays und Gedichte. Nach dem Studium der Philosophie, Soziologie, Germanistik und Kunstgeschichte in Frankfurt/Main, Heidelberg und Göttingen arbeitete er als Feuilletonredakteur des „Berliner Börsenkuriers“ und beim Berliner Rundfunk. Von 1930 bis zur Entlassung durch die Nationalsozialisten 1933 war Hirschfeld Dramaturg und Regisseur am Landestheater in DA. Als Gustav Hartung ihn nach DA holte, waren Hirschfeld Theater und Stadt von früher her vertraut: „Denk ich an Darmstadt, denk ich an meine Frankfurter Studienzeit, in der wir nach Darmstadt zu den Aufführungen fuhren, an die großen Premieren von Sternheim und Unruh, John Ford und die Modernisierung der Klassiker und der großen Oper“. Für ihn war DA „ein Theater mit einer Stadt drum herum (...) Theater in der Provinz und nicht provinzielles Theater“. Sein Regiedebüt gab er mit Erich Kästners „Leben in dieser Zeit“ (15.01.1932), einer ursprünglich für den Rundfunk geschriebenen Kantate. Mit Henry Purcells „Dido und Aeneas“, zusammen mit Hans Eislers „Tempo in der Zeit“ und mit „Der Tag des Herrn Karl“ von dem Rundfunkintendanten Ernst Schoen unternahm Hirschfeld erstmals den Versuch einer Zusammenarbeit von Rundfunk und Theater. Am 05.04.1932 gab er als Spielleiter die Berliner Tragikomödie „Razzia“ von Hans Rehfisch und am 13.09.1932 die dramatische Historie des von den mexikanischen Republikanern erschossenen Erzherzogs Maximilian von Österreich „Juarez und Maximilian“. Die erste Amtshandlung des neuen Staatspräsidenten Ferdinand Werner nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war die fristlose Entlassung des Generalintendanten Hartung und dessen „rechter Hand“ Hirschfeld, die er öffentlich vom Balkon des Landtags kundtat.

Hirschfeld emigrierte nach Zürich, wo er 1933/34 Dramaturg am Schauspielhaus und 1934/35 Lektor beim Verlag Emil Oprecht war. Von 1935 bis 1938 arbeitete er als Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ und als Regieassistent in Moskau; nach der Schließung des Theaters kehrte er zurück nach Zürich, wo er 1938 bis 1946 Dramaturg am Schauspielhaus war. 1961 wurde er als Direktor Nachfolger von Oskar Wälterlin. 1963 erhielt er den Großen Niedersächsischen Kunstpreis. Hirschfeld setzte sich in Zürich für viele exilierte Theaterleute ein und baute hier ein überdurchschnittlich qualifiziertes Ensemble auf. Die Aufführungen von Ferdinand Bruckners „Die Rassen“ und Friedrich Wolfs „Professor Mannheim“ führten zu heftigen Auseinandersetzungen in der Schweiz, mit massiver Hetze seitens der Frontisten, wie sich die Schweizer Nationalsozialisten nannten. Durch diese beiden Inszenierungen wurde das Zürcher Schauspielhaus zu einer antifaschistischen Tribüne. Aus seiner Theaterarbeit der ersten Exiljahre entwickelte Hirschfeld die Dramaturgie eines humanistischen Realismus, zu der sowohl eine Interpretation der Klassik als auch die Entdeckung neuer, gegen den Faschismus gerichteter Stücke gehörte: Bertolt Brechts „Mutter Courage“ und „Der gute Mensch von Sezuan“ oder von Franz Werfel „Jacobowsky und der Oberst“. Nach dem Krieg entdeckte und förderte Hirschfeld Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch.

Lit.: Kaiser, Hermann: Modernes Theater in Darmstadt 1910-1933. Ein Beitrag zur Stilgeschichte des deutschen Theaters zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1955; Weitz, Hans-J.: Kurt Hirschfeld. In: Ders.: Nur ein Dramaturg. Schriften und Reden 1928-1993, Berlin 1993, S. 216-221; Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, Bd. 12, München 2005, S. 72-76; Heer, Hannes et al. (Hrsg.): Verstummte Stimmen. Die Vertreibung der „Juden“ und „politisch Untragbaren“ aus den hessi-schen Theatern 1933 bis 1945 5, Berlin 2011, S. 228-230.