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Roquette, Otto

Literaturwissenschaftler
* 19.04.1824 Krotoschin/Provinz Posen
† 18.03.1896 Darmstadt
Der Sohn eines Landgerichtsrats hugenottischer Abstammung verbrachte seine Schulzeit in Frankfurt/Oder und studierte ab 1845 Geschichte, Philosophie und Philologie in Berlin, Heidelberg und Halle. Nach der Promotion 1851 mit einer (ungedruckten) Arbeit „Über die Geschichte des deutschen Dramas“ folgten Reisen in die Schweiz und nach Italien, später war er als Lehrer in Dresden tätig. In Berlin wurde Roquette 1862 zum Professor für Literaturgeschichte an der Kriegsakademie ernannt, ab 1867 an der Gewerbeakademie. In Berlin pflegte er die Bekanntschaft mit Berthold Auerbach, Karl Gutzkow, Theodor Fontane, Paul Heyse, Robert Prutz u. a. Zum Wintersemester 1868/69 wurde Roquette als Lehrstuhlinhaber für Geschichte, deutsche Literatur und Sprache nach DA berufen. Da er Preuße war – die Abneigung gegen alles Preußische war nach der Niederlage von 1866 in Hessen-Darmstadt noch sehr groß – und sich außerdem dagegen sträubte, die damals für die Staatsbeamten noch übliche Uniform zu tragen, war er anfangs vielen Anfeindungen ausgesetzt. Neben seiner Tätigkeit in Forschung und Lehre verwaltete er in DA die Hauptbücherei (ULB) des Polytechnikums (TU Darmstadt), trat als amtlicher Sprecher bei offiziellen Anlässen auf und schrieb dafür Prologe, Festgedichte und Fest-Spiele. In seinen Vorlesungen für die Studenten aller technischen Fachbereiche behandelte er v. a. europäische Literatur und Geschichte vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Oft beklagte er sich über das geringe Interesse an seinen Vorlesungen, zeitweise hatte er nur vier Zuhörer.

Dem Theater und seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmete er seine knapp bemessene Freizeit. Sein Stück „Der Rosengarten“, ein dramatisches Märchen, wurde unter Theaterdirektor Julius Werther ab 1875 mehrmals am Großherzoglichen Hoftheater erfolgreich aufgeführt. Es folgten unter Theodor Wünzer die Dramen „Sebastian“ (1883), „Lanzelot“ (1888), „Gevatter Tod“ u. a. Von 1884 bis 1886 schrieb Roquette für die Darmstädter Zeitung Theaterkritiken, seine kritischen Bemerkungen trübten aber oft das Verhältnis zum Theater. 1893 erfolgte seine Ernennung zum Geheimen Hofrat. Sein 70. Geburtstag 1894 wurde mit einem Fackelzug der Studenten und einer Festvorstellung seines Schauspiels „Die Schweden in Altorf“ gefeiert. Der ledige Roquette, der wenige persönliche Verbindungen in DA pflegte, lebte mit seiner Schwester Antoinette zusammen, zuerst in der Martinstraße, dann bis zu seinem Tod in der Bismarckstraße 33. Privat befreundet war er mit Luise von Ploennies, dem Schauspieler Hermann Knispel und dem Theologen David Friedrich Strauß, mit der Schauspielerin Anna Ethel und dem Arzt und Philosophen Ludwig Büchner. Roquettes Dichtung ist stark dem Zeitgeschmack verhaftet, traditionell im Formalen, affirmativ-verharmlosend im Inhaltlichen. Bekannt wurde er als Lyriker („Waldmeisters Brautfahrt. Ein Rhein-, Wein- und Wandermärchen“, 1851, 80. Aufl. 1909; auch mehrmals als Oper aufgeführt), Novellendichter, Dramatiker, Romanautor, Biograf und als Librettist eines Oratoriums von Franz Liszt („Die Legende der heiligen Elisabeth“, Leipzig 1868). Zwei Jahre vor seinem Tod veröffentlichte Roquette seine Autobiografie „Siebzig Jahre. Geschichte meines Lebens” (Darmstadt 1894, 2 Bde.). Seine Grabstätte befindet sich auf dem Alten Friedhof in DA. 1901 wurde der Roquetteweg in DA nach ihm benannt.

Lit: Hessische Biographien. In Verbindung mit Karl Esselborn und Georg Lehnert hrsg. von Hermann Haupt, Darmstadt 1918-1934, Bd. 1, S. 262-268; Seibert, Gertrud: Otto Roquette, Leben und Werk eines deutschen Dichters des 19. Jahrhundert. – Ein Analyseversuch seines Lebens und Werkes, Magisterarbeit Darmstadt 1996; Perkow, Ursula: Wie Otto Roquette zum Dichter wurde. Mit Waldmeister aus Handschuhsheim auf dem Weg zum Ruhm. In: Jahrbuch des Stadtteilvereins Handschuhsheim 1997, S. 88-95; Darmstädter Ehrengräber, Darmstadt 2016 (Darmstädter Schriften 105), S. 194-197.