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Jüdischer Friedhof

Zwischen dem Martinspfad und dem Steinbergweg (Steinbergviertel) befindet sich der Jüdische Friedhof. Landgräfin Elisabeth Dorothea stimmte seiner Gründung 1680 zu. Bereits 1709 wurde die soziale Stiftung einer Chewra Kaddisha (Begräbnis-Bruderschaft) begründet. Ihre Aufgabe ist die Erweisung von Liebesdiensten in Krankheits- und Todesfällen sowie die Umsetzung notwendiger Beerdigungsrituale und Begleitung der Hinterbliebenen während der Trauerwoche. Es kam bereits 1711 zur Erweiterung des Geländes. Daher kann man davon ausgehen, dass die ältesten vorhandenen Gräber für Kaila Löw, verstorben 1714, und deren Ehemann Baruch, verstorben 1716, nicht die ersten Beisetzungen waren. Grundsätzlich wurden für verstorbene Kinder in dieser Zeit keine Steine gesetzt, zudem konnten sich nur wohlhabende Juden einen Grabstein leisten. Lange waren die gesetzlichen und ökonomischen Voraussetzungen zur Ansiedlung von Juden in DA äußerst problematisch. Mit der Verfassung von 1820 und dem Beginn der industriellen Revolution veränderte sich ihre Situation entscheidend. In wenigen Jahrzehnten hatte sich die Anzahl der in DA ansässigen Juden vervielfacht. Für den Jüdischen Friedhof wurden erneute Geländezukäufe 1833 und 1860 notwendig. Durch die Aufgabe religiöser Werte in der Phase der Assimilation kam es zur Spaltung der Jüdischen Gemeinde. Nach Gründung der Israelitischen-Orthodoxen Religionsgesellschaft im Jahr 1863 wurde ein separater Friedhof mit eigenständiger Ummauerung eingerichtet. Erste Gräber datieren aus den Jahren 1884/87.

Im Ersten Weltkrieg opferten junge jüdische Männer ihr Leben für die Anerkennung der Juden als vollberechtigte Bürger ihres deutschen Heimatlands. Für diese Illusion starben auch viele Darmstädter Juden, ihnen zu Ehren wurde ein großer Monolith gesetzt. Zwei Gräberreihen erinnern an die ersten Opfer der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten (Nationalsozialismus), die in den Jahren zwischen dem Novemberpogrom 1938 (Aron und Johanna Reinhardt) und durch Selbstmord vor der Deportation nach Theresienstadt (Anna Saalwächter) 1943 zu beklagen waren. Dem langjährigen Friedhofsgärtner Oskar Werling ist es zu verdanken, dass der Friedhof Schändungen oder der Zerstörung entging. Den wenigen, die dem Massaker entkamen und sich wieder in DA ansiedelten, reichte lange das unbelegte Gräberfeld im Ostteil des orthodoxen Friedhofs aus. DAs Jüdische Gemeinde zählt heute wieder über 700 Mitglieder. Das Areal des Friedhofs wurde daher letztmals erweitert. Mit dem Bau der Trauerhalle wird eine Planung, mit der gut 100 Jahre zuvor begonnen wurde, beendet.

Lit.: Szklanowski, Benno: Haus des ewigen Lebens Beit Hachajim, Darmstadt 1988; Franz, Eckhart G.: Juden als Darmstädter Bürger, Darmstadt 1984, S. 315-334.