Stadtlexikon Darmstadt

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Hertling, Georg Graf von

Philosoph, Staatsmann
* 31.08.1843 Darmstadt
† 04.01.1919 Ruhpolding
Der am höchsten im Staatsdienst aufgestiegene (gebürtige) Darmstädter kam als Sohn eines Hofbeamten am Marienplatz 12 zur Welt. Nach dem Abitur am Ludwig-Georgs-Gymnasium (1861) studierte Hertling Philosophie in Münster/Westfalen, München und in Berlin, wo er 1864 promovierte. Seine mit Kaplan Johannes Baptist Beyer 1865 unternommene Italienreise führte zu dem unter Pseudonym veröffentlichten Buch „Sicilien“. 1867 habilitierte sich Hertling an der Universität Bonn, erhielt aber keine Professur, da er als bekennender Katholik als „ultramontan“ und damit als politisch unzuverlässig galt. 1869 heiratete er Anna von Biegeleben, die jüngste Tochter des Engelbert von Biegeleben, eines Bruders Ludwigs von Biegeleben. Das Paar wurde von Pfarrer Johann Baptist Lüft in St. Ludwig getraut und zog dann nach Bonn, blieb aber dem „stillen“ DA verbunden. Ihm wurden fünf Töchter und ein Sohn geboren. Als Hertling 32-jährig 1875 bei einer Nachwahl für das Zentrum in den Reichstag gewählt wurde, gab er seine Vorlesungstätigkeit als Privatdozent nicht auf. Dem Reichstag gehörte Hertling von 1875 bis 1912 mit einer sechsjährigen Unterbrechung an, von 1878 an als sozialpolitischer Sprecher, 1909 bis 1912 als Fraktionsvorsitzender des Zentrums. 1876 zählte er zu den Mitbegründern der Görres-Gesellschaft, deren Präsident er bis zu seinem Tod blieb.

Mit praktischen wie theoretischen Fragen von Politik und Gesellschaft befasst, wurde er zu einer der wichtigen Gestalten des politischen und sozialen Katholizismus. Nach Ende des Kulturkampfs erfolgte 1880/82 die Ernennung zum ao. bzw. o. Professor in München. Die Erfahrung von Diaspora und beruflicher Benachteiligung ließ ihn nach Integration der Katholiken in Gesellschaft und Reich sowie nach Überwindung ihres „Bildungsdefizits“ streben. 1912 wurde er zum bayerischen Ministerpräsidenten ernannt. Im November 1917 sah sich Hertling gedrängt, das ihm vom Kaiser erneut angetragene Amt des Reichskanzlers zu übernehmen. Seine Position zwischen Kaiser, Oberster Heeresleitung und Parlament war zu schwach, um der Politik und dem Krieg eine Wende zu geben. Elf Monate später trat er zurück. Der Kartellverband kath. deutscher Studentenvereine (KV) verlieh 1991 die „Georg-von-Hertling-Medaille“ an Joseph Kardinal Ratzinger (Papst Benedikt XVI.) für sein Lebenswerk. 2002 wurde im Stadtteil Arheilgen eine kleine Straße nach Georg von Hertling benannt. Sein Grab befindet sich in Ruhpolding.

Lit.: Georg von Hertling: Erinnerungen aus meinem Leben, Bd. 1-2, München 1919-1920; Becker, Winfried: Georg von Hertling (1843-1919). Ein Politiker und Wissenschaftler aus Darmstadt. In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 44, 1994, S. 115-130.