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Brentano di Tremezzo, Otto von

Jurist, Politiker
* 09.12.1855 Darmstadt
† 21.07.1927 Darmstadt
Die am Comer See beheimateten Brentanos wurden um 1700 als Kaufleute im Rhein-Main-Gebiet sesshaft. Postsekretär Gustav Brentano (1816-1884) heiratete 1849 in DA eine Nichte des hessischen Finanzministers August von Hofmann. Als nunmehr kaiserlicher Postdirektor in Friedberg ließ er sich 1885 den „alten italienischen Adel“ der Familie erneuern. Sohn Otto wurde in der Tradition der mütterlichen Familie Jurist, war nach dem Studium in Gießen und München zunächst Anwalt in Friedberg, wechselte aber 1891 nach Offenbach, wo damals eine Landgerichts-Kammer für Handelssachen eingerichtet wurde. Seit dem Kulturkampf in der Zentrumspartei aktiv, wirkte er im kath. Kirchenvorstand wie im Stadtparlament mit, organisierte 1896 den Vierten Hessischen Katholikentag in Offenbach und wurde im Folgejahr für den Wahlkreis Bingen-Land in den Darmstädter Landtag gewählt, wo er sich zahlreiche Rededuelle mit dem Offenbacher SPD-Kollegen Carl Ulrich lieferte. In der schon während des Ersten Weltkriegs angebahnten Zusammenarbeit der künftigen „Weimarer Koalition“ wurde Brentano in der von Ulrich gebildeten Regierung des 1918/19 neu geschaffenen Volksstaats Hessen Justizminister und Stellvertreter des Präsidenten. 1919 bis 1924 war er gleichzeitig Abgeordneter in der Nationalversammlung und im Reichstag. Seit 1921 auch Innenminister, hatte er maßgeblichen Anteil am Neuaufbau der hessischen Justiz und Polizei wie an der Verteidigung der Demokratie gegen den aufkommenden Radikalismus von Rechts und Links. Der Roman „Theodore Chindler“, das Hauptwerk des Schriftsteller-Sohnes Bernard, verknüpft die Biografie des Vaters mit der seines Schwiegervaters, des Literarhistorikers Franz Ignaz Schwerdt, der eine Brentano aus der bekannteren Frankfurter Linie geheiratet hatte. Bernard von Brentano (1901-1964), der nach der Rückkehr aus dem Schweizer Exil in Wiesbaden lebte, liegt wie die Eltern und der jüngere Bruder Heinrich auf dem Darmstädter Waldfriedhof begraben.

Lit.: Franz, Eckhart G.: Otto Rudolf von Brentano (1855-1927). Hessischer Minister und stellvertretender Ministerpräsident. In: Bernd Heidenreich (Hrsg.), Geist und Macht. Die Brentanos, Wiesbaden 2000, S. 181-196; Darmstädter Ehrengräber, Darmstadt 2016 (Darmstädter Schriften 105), S. 22-24; Die Brentanos. Eine romantische Familie?, hrsg. von Bernd Heidenreich, Evelyn Brockhoff, Anne Bohnenkamp-Renken und Wolfgang Bunzel, HLZ, Wiesbaden 2016; Brunck, Helma: Otto von Brentano di Tremezzo (1855-1927), Darmstadt und Marburg 2019, Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 182.