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Heider-Schweinitz, Maria von

Malerin
* 20.02.1894 Darmstadt
† 05.12.1974 Frankfurt am Main
Maria von Heider-Schweinitz wurde als Johanna Maria Lina Gräfin von Schweinitz und Krain, Freiin von Kauder geboren. Sie war das erste von fünf Kindern des preußischen Offiziers Hans Willibald Graf von Schweinitz und Krain, Freiherr von Kauder (1860–1917) und dessen Ehefrau Lina, geb. von Frowein (1873–1960), die aus einer wohlhabenden Elberfelder Kaufmannsfamilie stammte. Der Vater war in einem Divisionsstab tätig. Mit ihren Eltern siedelte Maria 1899 von Darmstadt nach Charlottenburg über, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Schon früh zeigte sie künstlerisches Interesse. Um 1911 erhielt sie ersten künstlerischen Unterricht von dem Maler George Mosson.
Seit Mai 1915 war sie mit dem aus Ulm stammenden Berufsoffizier Karl von Heider (1888-1950) verheiratet, mit dem sie drei Kinder hatte: Godela Maria (1917-1963), Karl-Hagen von Heider (1919-1956) und Karl-Horand (1921-1944). Karl von Heider diente im Ersten Weltkrieg zuletzt als Generalstabsoffizier im Rang eines Hauptmanns. 1918 zog das Ehepaar nach Frankfurt am Main, wo Karl von Heider nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst im Jahr 1921 eine Position als Kaufmann bei der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron übernahm (seit 1925 zur IG Farbenindustrie AG gehörig).

Erst in den späten 1920er Jahren, als ihre Kinder das schulfähige Alter erreicht hatten, widmete sich Maria von Heider-Schweinitz wieder verstärkt der Kunst. Laut eigenen Angaben nahm sie für kurze Zeit Unterricht an der Frankfurter Kunstgewerbeschule bei dem Bildhauer Richard Scheibe. Auch zu seinem Schüler, dem Bildhauer Rudolf Alexander Agricola, stand sie in Kontakt. Plastische Werke von ihr sind jedoch nicht erhalten. Bereits 1932 wandte sich Heider-Schweinitz wieder der Malerei zu und lernte im selben Jahr den Maler Karl Schmidt-Rottluff kennen. Zwischen ihnen entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft, die durch den nie unterbrochenen Briefwechsel zwischen 1937 und 1974 belegt ist. Aus der Auseinandersetzung mit seinen Werken resultierte möglicherweise Marias Hinwendung zu einem freieren Umgang mit Farbe und einer Tendenz zu stärkeren Kontrasten. Weitere künstlerische Kontakte bestanden zu den Bildhauern Josef Hartwig und Gerhard Marcks. Zu ihrem Bekanntenkreis zählten auch der Bildhauer Toni Stadler, die Maler Ernst Wilhelm Nay und Georg Heck sowie der Kunsthistoriker Richard Hamann-Mac Lean, der ab 1934 an der Städelschule lehrte.
Aus dem Jahr 1934 sind die ersten Ölgemälde von Heider-Schweinitz im expressiven Stil überliefert. Damit entschied sich die Malerin zu einem Zeitpunkt für den Expressionismus, als diese Stilrichtung unter dem NS-Regime offiziell in Misskredit geriet. Deshalb arbeitete sie weitgehend im Verborgenen, auch wenn ihr das Malen nicht offiziell verboten war. Sie malte in ihrem Atelier in der Städelschule vermutlich bis zur Zerstörung des gesamten Atelierhauses im November 1943. In der Kriegszeit wurden ihre Bilder trotz Farbigkeit dunkler und schwerer, ihre Pinselführung unruhiger; die Fläche um Gegenstände und Figuren diente nicht mehr der Hintergrundgestaltung, sondern wurde zum gleichberechtigten Teil des Bildes.

Das Leben der Malerin war durch zahlreiche persönliche Schicksalsschläge geprägt: Der Sohn Horand starb infolge einer früher erlittenen Kriegsverletzung. Der ältere Sohn Hagen, ebenfalls im Kriegseinsatz schwer verwundet, und seine Schwester Godela nahmen sich später das Leben. Karl von Heider, der 1934 zum Direktor der Verkaufsgemeinschaft Chemikalien der IG Farben ernannt wurde und seit 1937 NSDAP-Mitglied war, wurde bei Kriegsende inhaftiert. Die Familie musste die Firmenwohnung räumen, und Heider-Schweinitz lebte vorübergehend in einer Pension in Bad Nauheim. Im April 1946 bezog das Ehepaar eine neue Frankfurter Wohnung und im September 1948 richtete sich Heider-Schweinitz dort ein neues Atelier in ein. Trotz anhaltender gesundheitlicher Probleme bemühte sie sich nach Kriegsende um Ausstellungsmöglichkeiten. Bei den Galerien der Avantgarde war in den Nachkriegsjahren der malerische Expressionismus allerdings nicht mehr gefragt, Abstraktion und Informel beherrschten die Kunstszene. Einige wenige abstrakte Arbeiten sind auch von Heider-Schweinitz erhalten. Im Januar 1946 bekam die Künstlerin die Gelegenheit, ihre Werke öffentlich zu präsentieren. Ort und Anlass der Ausstellung sind nicht mehr bekannt, weitere Ausstellungen in Marburg, Berlin und Gießen folgten. Ihre erste Einzelausstellung fand im Juli 1949 im Frankfurter Kunstkabinett bei Hanna Bekker vom Rath statt. Die Kunsthistorikerin und Sammlerin Rosa Schapire wurde durch den Katalog dieser Ausstellung, den ihr Schmidt-Rottluff geschickt hatte, auf das Werk von Heider-Schweinitz aufmerksam. In einem Brief an Schmidt-Rottluff vom 14.5.1950 schrieb sie: „Wenn ihre Bilder so gut sind, wie sie in der Abbildung erscheinen, dann haben wir wirklich eine neue Malerin von Rang und Bedeutung.“ Es sei zum ersten Mal seit vielen Jahren, dass eine Persönlichkeit sie so beeindruckt habe. Schapire arbeitete an einer Monographie über Heider-Schweinitz, die aber durch den Tod der Kunsthistorikerin nicht abgeschlossen werden konnte.

1950 starb ihr Ehemann unerwartet während einer Operation, Heider-Schweinitz erlitt einen Herzanfall. Ihre wichtigste Vertrauensperson war auch jetzt Karl Schmidt-Rottluff: „Du bist mir der Nächste“, schrieb sie damals an ihn. Danach zog sich die Künstlerin mehr und mehr zurück. Im Dezember 1958 nahm sie noch einmal an einer Ausstellung im Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath teil. Nahe ihrer Wohnung im Nordend, die sie nach dem Tod ihres Mannes 1950 bezogen hatte, mietete sie Anfang der 1960er Jahre ein neues Atelier. Dort kehrte sie zur Ölmalerei und damit zur figurativen Bildauffassung ihrer früheren Arbeiten zurück, wenngleich in ihrem Spätwerk die Farben gedämpfter und die Konturen kantiger sind.
Die Kunst blieb im Alter der Hauptlebensinhalt von Heider-Schweinitz. Ihr persönlicher Umgang jedoch beschränkte sich – bedingt auch durch eine zunehmende Schwerhörigkeit – auf wenige Freunde und vertraute Menschen. Sie starb mit 80 Jahren an Herzversagen.

Lit: Franz Menges: Schweinitz, Herren von, in: Neue Deutsche Biographie hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 24 (2010), S. 52f.; Eva Büttner: Maria von Heider-Schweinitz – Leben und Werk, in: Ausstellungskatalog Maria von Heider-Schweinitz zum 100. Geburtstag, 1994, o. S.; Dagmar Behr: Die Frauenbilder der Malerin Maria von Heider-Schweinitz, Magisterarbeit, Frankfurt/Main 1996; Susanne Wartenberg: „Die Arbeit will den Menschen ganz“. Die Künstlerin Maria von Heider-Schweinitz, in: Künstlerin sein! Ausstellungskatalog, Imhof 2013, S. 145-157; Der Weibliche Blick. Vergessene und verschollene Künstlerinnen in Darmstadt 1880-1950, hrsg. von Claus K. Netuschil, Kunst Archiv Darmstadt 2013, S. 114-117.