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Wolff, Kurt H.

Wissenssoziologe, Schriftsteller, Zeichner
* 20.05.1912 Darmstadt
† 14.09.2003 Boston/USA
Schon früh interessierte Kurt H. Wolff sich für Dichtung und bildende Kunst. Als 15-Jähriger zeichnete und bildhauerte er im Atelier von Ali Bonte-Lichtenstein, und es entstanden erste literarische Texte. Nach dem Abitur am Alten Realgymnasium begann er 1930, mit dem eigentlichen Wunsch Dichter zu werden, in Frankfurt/Main sein Studium der Philosophie, Germanistik, Romanistik und Soziologie, wobei er Letztere zum Hauptfach wählte. Thema und Titel seiner geplanten Dissertation „Die Darmstädter Intelligenz“ entsprach seinem künstlerisch-literarischen Interesse in Verbindung mit der Soziologie. Ziel seiner Arbeit war die wissenschaftliche Auswertung unzähliger geführter Interviews mit den wichtigsten Vertretern des geistig-kulturellen DAs der Weimarer Republik. Aus dem Umkreis der Frankfurter Schule wählte er Karl Mannheim, den Begründer der Wissenssoziologie, zu seinem Doktorvater, betreut wurde er von dessen Assistenten Norbert Elias. 1933 musste Wolff als Jude aus Deutschland fliehen. Angehörige blieben und wurden ermordet.

Bis 1939 lebte Wolff in Italien, wo er 1935 an der Universität Florenz sein Studium mit der Promotion abschloss. Über England emigrierte er in die USA und erhielt 1945 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Wolff lehrte an mehreren Universitäten und hatte vielseitige Forschungsaufträge. Er wurde zu einem der wesentlichen Vertreter der Wissenssoziologie, vor allem mit der Vermittlung der europäischen Soziologie in der Übersetzung und Herausgabe der Werke seines Lehrers Karl Mannheim, von Emile Durkheim und Georg Simmel. 1959 wurde er Chairman des Soziologischen Instituts an der Brandeis University in Boston/Massachusetts. Seine Bibliografie umfasst 200 Publikationen, darunter das 1998 erschienene Buch „Soziologie in der gefährdeten Welt. Zur Rehabilitierung des Individuums“ und die zentralen Werke „Hingebung und Begriff“ und „Versuch einer Wissenssoziologie“, beide 1968 erschienen. Daneben entstanden seit den späten 1920er Jahren surrealistische Texte, so der essayistische Roman „Organda“ und das umfangreiche Prosagedicht „Vorgang“, das Hermann Broch ein „rationales Gedicht“, das eine „rein existenzialistische Haltung einnehme“, nannte. Neben dem literarischen entstand parallel auch ein zeichnerisches Werk von großer Eigenwilligkeit. Wolff war bis an sein Lebensende die Ausprägung des typischen Darmstädters – im Herzen und in der Sprache, die unverwechselbar darmstädtisch gefärbt war so wie bei den Dichtern Karl Wolfskehl und Hans Schiebelhuth, mit denen er eng befreundet war. Kurt Wolff war Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und erhielt 1987 die Johann-Heinrich-Merck-Ehrung der Stadt DA.

Lit.: Kurt H. Wolff zum 90. Geburtstag. Vier Texte, Darmstädter Dokumente 16, Darmstadt 2002.