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Böhme, Helmut

Historiker, Präsident TH Darmstadt
* 30.4.1936 Tübingen
† 29.12.2012 Darmstadt
Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik, Anglistik und Volkswirtschaftslehre in Tübingen und Hamburg wurde Helmut Böhme, dessen Doktorarbeit von dem damals sehr prominenten und umstrittenen Historiker Fritz Fischer betreut wurde, mit einer Studie über das Verhältnis von Staat und Wirtschaft in der Reichsgründungszeit promoviert. Der Titel dieser Studie „Deutschlands Weg zur Großmacht“ brachte dem jungen Historiker, der 1964 auf dem Historikertag seinen Lehrer Fritz Fischer und dessen kontroverse Thesen über eine wesentliche Mitschuld Deutschlands am Weltkriegsausbruch engagiert verteidigte, den Spitznamen ‚Großmacht-Böhme‘ ein. Dank Habilitation und weiterer erfolgreicher Publikationen wurde Böhme 1969 schon mit 33 Jahren auf den Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der TH Darmstadt berufen, parallele Rufe, etwa an die amerikanische State University of New York in Buffalo, hatte er abgelehnt. Es hielt den umtriebigen und engagierten Schwaben aber nicht lange im Fach Geschichte, 1971 wurde er zur Zeit heftiger hochschulpolitischer Konflikte um die Grundordnung der TH deren Präsident als Kandidat einer Koalition von Studierenden, Assistenten und einigen reformorientierten Professoren.
Helmut Böhme, bei seiner Erstwahl jüngster Hochschulpräsident Deutschlands, gelang es mit seiner Begeisterungsfähigkeit und seinem dynamischen Naturell, diese Position langfristig zu behaupten; zweimal wurde er von breiteren Mehrheiten für jeweils achtjährige Amtszeiten wiedergewählt und prägte über 24 Jahre (bis 1995) die TH erheblich. Wegweisend waren die starke Förderung der Interdisziplinarität, etwa durch die Gründung des Zentrums für Interdisziplinäre Technikforschung (ZIT) 1988, sowie der intensive Ausbau der internationalen Vernetzung der TH durch Hochschul-Partnerschaften und Austausch von Studierenden und Dozenten. Böhmes besonderes Interesse galt dabei Ost- und Südosteuropa sowie der Türkei, etwa die Partnerschaften 1974 mit Bukarest, 1980 mit Warschau, 1981 mit Ankara und mit Sofia 1990. Aber auch die langjährige Partnerschaft mit Buffalo entsprang seiner Initiative und seit den 1980er Jahren wurden ebenfalls enge Beziehungen zur Tongji-Universität in Shanghai entwickelt. Neben seinem Präsidentenamt blieb Böhme aber weiter als Hochschullehrer aktiv, insbesondere durch Lehrveranstaltungen in Stadtbaugeschichte für Studierende der Architektur und der Geschichte, einem Arbeitsfeld, dem auch Böhmes wissenschaftliches Interesse galt, etwa in der Mitwirkung an der stadtgeschichtlichen Zeitschrift "Die Alte Stadt". Böhme prägte über die TH hinaus mit seinen Initiativen auch die Kultur von Stadt und Region, etwa durch die Gründung des mittlerweile vom Hessischen Landesmuseum übernommenen Haus für Industriekultur, wo die Entwicklung der Druck- und Satztechnik in Form eines arbeitenden Museums gezeigt wurde. Auch an der Gründung der Odenwald-Akademie war er beteiligt. In den Jahren nach seiner Präsidentschaft bis zur Emeritierung lehrte Böhme wieder Neuere Geschichte am Institut für Geschichte, wo er sich insbesondere dem Brückenschlag von Architektur und Geschichte widmete. Für seine Verdienste wurde Böhme mit zahlreichen Ehrendoktorwürden und 2008 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

Lit.: Georg G. Iggers / Dieter Schott / Hanns H. Seidler / Michael Toyka-Seid (Hrsg.): Hochschule – Geschichte – Stadt. Festschrift für Helmut Böhme, Darmstadt 2004.