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Reuleaux, Erich

Bauingenieur
* 03.02.1883 Berlin
† 18.10.1967 Darmstadt
Nach dem Studium des Bauingenieurwesens an der TH Berlin-Charlottenburg war Erich Reuleaux fast 20 Jahre bei den Preußischen Staatsbahnen und bei der Deutschen Reichsbahn tätig. In dieser Zeit erwarb er sich, auch durch eine große Zahl von Veröffentlichungen zum in- und ausländischen Eisenbahnwesen, einen ausgezeichneten internationalen Ruf als Fachmann auf dem Gebiet des Eisenbahnbaus und -betriebs. 1926 berief die TH Darmstadt Reuleaux in der Nachfolge von Professor Hans Wegele als o. Professor für Eisenbahn- und Verkehrswesen. In den folgenden Jahren widmete er sich vor allem der Signaltechnik. Seine regelmäßigen Studienreisen führten ihn in u.a. nach England, Österreich und in die Schweiz. 1931/32 leitete Reuleaux als Rektor die Geschicke der TH Darmstadt. 1934 wurde er in Abstimmung zwischen dem Verband für den Fernen Osten und dem Auswärtigen Amt an die Tongji-Universität in Shanghai berufen, wo er das Dekanat der Technischen Fakultät übernahm und als Berater für die chinesische Eisenbahnverwaltung tätig wurde. Damit stand er in der langen Tradition deutscher Eisenbahningenieure, die in den 1920er Jahren das chinesische Verkehrswesen mitgestalteten, darunter auch der spätere Reichsbahnpräsident Julius Dorpmüller.

1937 kehrte Reuleaux nach Deutschland zurück und entging so den Schrecken des japanischen Überfalls auf China. In DA beschäftigte sich Reuleaux weiterhin mit Fragen des internationalen Verkehrs und veröffentlichte u.a. 1943 eine Studie zum Luftverkehr im kolonialen Afrika. In den folgenden Jahren befasste er sich über das chinesische Eisenbahnwesen hinaus mit Kolonialfragen und Problemen des internationalen Verkehrs. So erschien 1943 eine Studie zum Luftverkehr in Afrika. 1944 berechnete er gemeinsam mit einem Doktoranden die Kapazitäten von Erdöltransporten aus Rumänien nach Deutschland, nachdem er schon zuvor 1942 eine geheimgehaltene Dissertation über Bahnhöfe im deutsch-niederländisch-belgischen Grenzgebiet betreut hatte.

Nach dem Krieg zählte Reuleaux, der der NSDAP nicht angehört hatte, zu den vertrauenswürdigen Persönlichkeiten für einen Neuanfang. 1945 wurde er der erste gewählte Rektor nach dem Zusammenbruch, geriet aber schon bald mit amerikanischen und deutschen Regierungsstellen in Konflikt. Im Streit um die Weiterbeschäftigung der von den Aufsichtsbehörden aus politischen Gründen entlassenen Hochschullehrer legte er 1946 sein Rektorat vorzeitig nieder. Bis zu seiner Emeritierung 1952 setzte er seine Arbeit in Forschung und Lehre fort. Für seine wissenschaftlichen Verdienste verlieh ihm die Technische Hochschule Karlsruhe 1951 die Würde eines Doktor-Ingenieurs ehrenhalber.

Erich Reuleaux wurde auf dem Waldfriedhof in DA beigesetzt.

Lit.: Schmidt, Isabel: Nach dem Nationalsozialismus. Die TH Darmstadt zwischen Vergangenheitspolitik und Zukunftsmanagement (1945-1960), Darmstadt 2015.