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Flugsanddünen im Westen Darmstadts

Wenn von Dünen die Rede ist, denken viele Menschen an Meeresküsten oder Wüsten. Aber auch in DA und seiner Umgebung existieren Flugsanddünen, die ihre Entstehung dem Rhein verdanken: Gerölle im Fluss werden durch das fließende Wasser immer feiner bis zum Sand zerrieben. Durch Überschwemmungen wurde der Sand am Ufer abgelagert und durch die vorherrschenden Südwestwinde bis hin zum Odenwaldfuß angeweht. Solche Aufwehungen zu Dünen konnten nur in nahezu vegetationsloser Zeit erfolgen, also während bis kurz nach der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren. Wegen der Herkunft der antransportierten Materialien – der Rhein durchfließt die nördlichen Kalkalpen – sind die Sande ausgesprochen kalkreich, darüber hinaus aber nährstoffarm. Deswegen und wegen der geringen Wasserhaltefähigkeit des Materials stellen die Flugsanddünen im Oberrheingraben Lebensräume für Magerkeit und Trockenheit ertragende, wärme- und kalkliebende Vegetation dar. Diese Kombination von Standortfaktoren ist in Deutschland einzigartig und begründet die Einzigartigkeit der Pflanzenwelt: viele Arten kommen mit Schwerpunkt oder ausschließlich im Darmstädter Raum vor. Offener Flugsand wird zunächst von einer Pioniervegetation aus Silbergras und Mauerpfeffer besiedelt, zu denen sich weitere seltene Arten wie Nadelröschen oder Ackerschwarzkümmel gesellen. Mit zunehmendem Humusgehalt treten Arten der Blauschillergrasgesellschaft auf: neben Blauschillergras wachsen hier z. B. Badener Rispengras, Gmelins Steinkraut, Steppenwolfsmilch und die extrem seltene Sand-Radmelde. Verdichten sich die Rasen weiter, kommt der nur hier wachsende Duvall-Schafschwingel hinzu.

Schließlich prägen höher wachsende Gräser den Aspekt: Pfriem- und Federgrasrasen, durchsetzt mit Verlängerter Grasnelke, Sand-Strohblume und wenigen Exemplaren der Sand-Sommerwurz werden in der Sukzessionsfolge allmählich vom Wintergrün-Kiefernwald ersetzt. Neben Orchideen wie Rotem Waldvöglein, Waldhyacinten und Braunroter Stendelwurz wachsen hier an lichten Stellen Kreuzenzian, die extrem seltene Silberscharte und der in Hessen nur noch hier und nur an einer Stelle vorkommende Niederliegende Ehrenpreis. Die namengebenden Wintergrünarten sind allerdings bis auf das Moosauge und das Grünliche Wintergrün bereits ausgestorben. Im Laufe ihrer Geschichte sind die ehemals reichlich vorhandenen offenen Flugsanddünen größtenteils verschwunden unter Ackerflächen, Wald oder sogar der Bebauung. Die wenigen noch vorhandenen Dünenflächen sind daher geschützt und dringend zu erhalten. Die wichtigsten Dünen im Stadtgebiet sind die Eberstädter oder Eschollkopf-Düne (heute Naturschutzgebiet „Düne am Ulvenberg“), die Griesheimer Köpfe im Griesheimer Sand, Kerresbelle und Lerchenberg, Brömster, Hickebick, Pfungstädter Düne und der Weiße Berg, alle im Bereich Eberstadt oder DA West. Die Stahlberge liegen zwischen Arheilgen und der GSI. Zum Erhalt der Offenvegetation ist eine Pflege durch Beweidung und Entnahme von Gehölzen unbedingt erforderlich. Wünschenswert wäre auch eine historisch belegte Waldbeweidung, um den dominant werdenden, durch Stickstoffimmissionen begünstigten Arten wie Brombeere, Waldrebe oder Waldreitgras Einhalt zu gebieten.