Evonik Industries AG, Standort Darmstadt.
Der Standort Darmstadt der Evonik Industries AG, vormals Röhm & Haas, verdankt seine Entstehung dem Erfindungsreichtum eines jungen Chemikers. Zusammen mit seinem Freund, dem Kaufmann Otto Haas, hatte Otto Röhm im Jahr 1907 im württembergischen Esslingen die Firma Röhm & Haas gegründet und die Herstellung der Lederbeize OROPON aufgenommen, deren Wirkstoff er aus tierischen Bauchspeicheldrüsen gewann. Da OROPON den bisher genutzten Hundekot ersetzen konnte, erfuhr das weitaus hygienischere Produkt eine wachsende Nachfrage. Bald stieß man in Esslingen an die Kapazitätsgrenzen und 1909 zog Röhm & Haas in den Nordwesten DAs an die damalige Weiterstädter Straße um.
Den Ausschlag für DA gab die Nähe zu den großen Lederfabriken in Offenbach, Weinheim und Worms. Mit der Einführung neuer Produkte für die Leder- und Textilindustrie, für den pharmazeutischen Markt sowie zum Wäschewaschen folgten im nächsten Jahrzehnt kontinuierlich Betriebserweiterungen. Unter Rückbesinnung auf die Forschungen, die er für seine Promotion betrieben hatte, richtete Otto Röhm 1921 einen Versuchsbetrieb für Acrylat-Verbindungen ein. 1928 kam das erste Acrylpolymerisat zur Produktion von Sicherheitsglas für Gasmasken und Autoverglasungen auf den Markt. 1933 gelang die Erfindung von Acrylglas, das unter dem Namen PLEXIGLAS® vertrieben wurde und sich hervorragend zur Verglasung von Fahrzeugen, insbesondere Flugzeugen, eignete. Ursprünglich zur zivilen Nutzung verwendet, wurde PLEXIGLAS® ab 1936 zum Rüstungsprodukt, vor allem für die Ausstattung von Kampfflugzeugen. Um den hohen Bedarf des Reiches erfüllen zu können, wurden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangene eingesetzt. Zeitweise betrug ihr Anteil an der Belegschaft 26 Prozent. Die Produktion lief auf Hochtouren bis zu den Luftangriffen auf DA im Jahr 1944 (Brandnacht), bei denen das Werk bis zu 80 Prozent beschädigt wurde.
Ab Juni 1945 erfolgte der Wiederaufbau unter der Leitung von Otto Röhm (jun.), dem Sohn des Firmengründers. Gleichzeitig musste das Werk DA jedoch bis ins Jahr 1949 auch Demontagen wichtiger Anlagen hinnehmen. Ab 1950 setzte der wirtschaftliche Aufschwung ein und bereits 1952 fanden wieder über 1.000 Menschen in DA Beschäftigung. Neue Produkte wie die Öladditive VISCOPLEX®, die Arzneimittelüberzüge EUDRAGIT® oder der Hartschaumstoff ROHACELL® und der Ausbau der Produktion ließen das Werk DA in den 1960er Jahren wiederum an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Ab 1968 wurde deshalb das Werk Weiterstadt gebaut, in das verschiedene Produktionsbereiche verlegt wurden. In diesen Jahren des Wachstums stellte das Unternehmen vermehrt ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, vor allem aus Italien, Griechenland, Spanien und dem damaligen Jugoslawien (Gastarbeiter). Ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft erreichte zeitweise bis zu 23 Prozent. Mit dem Ausscheiden der Familie Haas wurde das Unternehmen 1971 in Röhm GmbH umbenannt. Seine Übernahme durch die Hüls AG, Marl, 1989 führte zu einem kräftigen Investitionsschub im Umweltschutz, aber auch zu tief greifenden Umstrukturierungen. Im Zuge weiterer Fusionen ab 1999 ging die Röhm GmbH in die Evonik Industries AG ein, ein weltweit führendes Unternehmen der Spezialchemie. Am Standort Darmstadt sind heute etwa 1.500 Menschen tätig – darunter 150 Auszubildende und Studierende. Auf dem 16 Hektar großen Gelände sind die Evonik Divisions Smart Materials (ROHACELL®), Nutrition & Care (EUDRAGIT®) und Specialty Additives (VISCOPLEX®) tätig.
Lit.: Trommsdorff, Ernst: Dr. Otto Röhm. Chemiker und Unternehmer, Düsseldorf, Wien 1984; Röhm GmbH: 100 Jahre Zukunft. Die Röhm GmbH von 1907 bis 2007, Frankfurt, München 2007.