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Evonik Industries AG, Standort Darmstadt

Der Standort DA der Evonik Industries AG, vormals Röhm & Haas, ist heute ein integrierter Forschungs- und Vertriebsstandort mit Technika und Produktion für Spezialitäten der Polymerchemie. Er verdankt seine wirtschaftliche Bedeutung der Entwicklung von Produkten der Methacrylatchemie, insbesondere der Erfindung von PLEXIGLAS® im Jahr 1933. Zusammen mit seinem Freund, dem Kaufmann Otto Haas, hatte der junge Chemiker Otto Röhm im Jahr 1907 in Esslingen die Firma Röhm & Haas gegründet und die Herstellung der Lederbeize OROPON aufgenommen, deren Wirkstoff er aus tierischen Bauchspeicheldrüsen gewann. Da OROPON den bisher genutzten Hundekot ersetzen konnte, stieß das weitaus hygienischere Produkt auf eine wachsende Nachfrage. Bereits nach zwei Jahren stieß man in Esslingen an die Kapazitätsgrenzen. Daher ließ sich Röhm & Haas am 22.07.1909 im Nordwesten DAs an der damaligen Weiterstädter Straße nieder.

Den Ausschlag für DA gab die Nähe zu den großen Lederfabriken in Offenbach, Weinheim und Worms. Mit der Einführung neuer Produkte für die Leder- und Textilindustrie, für den pharmazeutischen Markt sowie zum Wäschewaschen erfolgten im nächsten Jahrzehnt kontinuierlich Betriebserweiterungen. Unter Rückbesinnung auf die Forschungen, die er für seine Promotion betrieben hatte, richtete Otto Röhm 1921 einen Versuchsbetrieb für Acrylat-Verbindungen ein. 1928 kam das erste Acrylpolymerisat zur Produktion von Sicherheitsglas für Gasmasken und Autoverglasungen auf den Markt. Aber erst die Erfindung von Acrylglas im Jahr 1933, das unter dem Namen PLEXIGLAS® vertrieben wurde und sich hervorragend zur Verglasung von Fahrzeugen, insbesondere Flugzeugen eignete, führte zu einer bisher ungeahnten Expansion des Unternehmens. Sein Einsatz in der deutschen Rüstungsindustrie führte zur Erweiterung des Geländes am Standort DA und zum Aufbau zweier neuer Werke, von denen nach dem Krieg nur das Werk Worms im Besitz der Firma blieb. Die Gesamtzahl der Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Ansiedlung in DA bei acht Personen gelegen hatte, war 1937 bereits auf über 1.000 angewachsen und erreichte 1943 eine Stärke von 2.975. Während des Kriegs machte die Zahl an Zwangsarbeitern, die für das Unternehmen arbeiten mussten, bis zu einem Drittel der Gesamtbelegschaft aus. Die meisten von ihnen arbeiteten im Werk DA. Der Bombenangriff auf DA am 11.09.1944 (Brandnacht) legte das Werk in Schutt und Asche. Insgesamt wurden 80 Prozent der Anlagen durch die Angriffe auf die Stadt zerstört.

Ab Mai 1945 erfolgte der Wiederaufbau unter der Leitung von Otto Röhm (jun.), dem Sohn des Firmengründers. Gleichzeitig musste das Werk DA jedoch bis ins Jahr 1949 auch Demontagen wichtiger Anlagen hinnehmen. Die Produktion von PLEXIGLAS® lief erst 1947 wieder an. Ab 1950 setzte der wirtschaftliche Aufschwung ein und bereits 1952 fanden wieder über 1.000 Menschen in DA Beschäftigung. Neuentwicklungen von Produkten der Acrylatchemie, wie der Öladditive VISCOPLEX®, der Arzneimittelüberzüge EUDRAGIT® oder des Hartschaumstoffs ROHACELL®, sowie der Ausbau bisheriger Produktionen ließen das Werk DA in den 1960er Jahren wiederum an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Ab 1968 wurde deshalb das Werk Weiterstadt aufgebaut. Dorthin wurden verschiedene Produktionsbereiche, vor allem die Produktion von PLEXIGLAS®, verlegt. In diesen Jahren des Wachstums stellte das Unternehmen vermehrt ausländische Mitarbeiter ein, allen voran Italiener, Griechen, Spanier und Jugoslawen (Gastarbeiter). Ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft erreichte mit 23 Prozent im Jahr 1973 einen Spitzenwert. Mit dem Ausscheiden der Familie Haas wurde das Unternehmen 1971 in Röhm GmbH umbenannt. Seine Übernahme durch die Hüls AG 1989 führte zu einem kräftigen Investitionsschub im Umweltschutz, aber auch zu tief greifenden Umstrukturierungen im Produktionsprozess. Im Zuge weiterer Fusionen ab 1999 ging die Röhm GmbH in die Evonik Industries AG ein, ein weltweit führendes Unternehmen der Spezialchemie mit rund 33.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, davon rund 1.500 in DA.

Lit.: Trommsdorff, Ernst: Dr. Otto Röhm. Chemiker und Unternehmer, Düsseldorf, Wien 1984; Edschmid, Kasimir: In Memoriam Dr. Otto Röhm. Zum 50jährigen Bestehen der chemischen Fabrik Röhm & Haas Darmstadt. 1907-1957, Darmstadt 1957; Röhm GmbH: 100 Jahre Zukunft. Die Röhm GmbH von 1907 bis 2007, Frankfurt, München 2007; Eizenhöfer, Doris: 100 Jahre Innovation - das Firmenarchiv Röhm. Ein Bestand im Konzernarchiv der Evonik Industries AG. In: Archivnachrichten aus Hessen, Wiesbaden, Nr. 12/1, 2012, S. 25-27; Menschen machen Mitbestimmung. 120 Jahre zwischen Konflikt und Kooperation, Hrsg. Evonik Industries AG, Essen 2020.