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Darmstädter

In Paris um 1860/70 gebräuchlich gewordenes Schimpfwort für Straßenkehrer, das sich von den in Paris lebenden Emigranten aus dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt ableitete. Es wurde aber auch allgemein auf aus Deutschland stammende Arbeiter in diesem einfachen Beruf angewendet. Nicht alle Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt, die während des 19. Jahrhunderts ihrer Heimat den Rücken kehrten, schlossen sich den großen Auswandererströmen nach Übersee oder Russland an. Wer mit der Option einer möglichen Rückkehr in die Heimat liebäugelte, suchte sein Heil oft in den nahe liegenden, über den Landweg zu erreichenden europäischen Großstädten oder in den Industrierevieren der Nachbarländer. Diesen Weg gingen auch viele junge Männer, die ihr Heimatland nicht der Not wegen verließen, sondern um dem Militärdienst zu entgehen.

Dem Schriftsteller und Journalisten Julius Rodenberg (1831-1914) sind viele seiner Landsleute aus Hessen-Darmstadt aufgefallen, als er 1867 wegen der Weltausstellung in Paris weilte. Zu seiner Bestürzung musste er feststellen, dass sich im Argot, der Umgangssprache der Pariser, seinerzeit bereits das Wort „Darmstädter“ als Bezeichnung für jene Deutschen eingebürgert hatte, die in der französischen Hauptstadt einem der am wenigsten angesehenen Berufe nachgingen und die Straßenkehrerei ausübten. In seinem „Skizzenbuch zur Weltausstellung“ notierte Rodenberg: „In der ganz groben Arbeit, in den Steinbrüchen, unter den Maurern und Straßenkehrern, sind unsere Landsleute sogar so stark vertreten, dass ein Straßenfeger mit dem vulgären Ausdruck „Darmstaedter“ bezeichnet wird. Leider fegen eben fast nur deutsche Hände den Franzosen ihre Hauptstadt rein, und der deutsche Fremde, welcher mit seinen Sprachkenntnissen einmal irgendwo in der Straße in den Sand geraten ist, darf gewiss sein, eine deutsche Antwort zu erhalten, wenn er sich an einen dieser durch die Tracht kenntlichen Arbeiter wendet“.

Lit.: Fühner, Ruth: Getreideschädlinge und Straßenkehrer. Vergessene hessische Exportgüter. In: Schwarz, Martin Maria / Sonnenschein, Ulrich (Hrsg.): Hessen Vergessen – Orte ohne Erinnerung, Marburg/L. 2003, S. 16-18.