Stadtlexikon Darmstadt

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Rathaus, Altes

Das älteste Darmstädter Rathaus, 1397 als „spielhus“ erwähnt, lag an der Nordseite des Marktplatzes in einem später abgerissenen Baublock. An seiner Stelle errichtete die Stadtverwaltung, vermutlich auf Drängen Landgraf Ludwigs IV., 1566 bis 1569 auf der Marktplatzsüdseite ein neues Rathaus mit Steinunterbau und Fachwerkgeschossen. Bereits kurz danach schien es den Ansprüchen der Stadt nicht mehr zu genügen, denn 1598 bis 1601 wurde an derselben Stelle ein vollständig steinernes Rathaus erbaut, das in seinem wieder aufgebauten Zustand bis heute den Marktplatz nach Süden hin abschließt. Der Treppenturm des Rathauses wurde erst nachträglich an die Fassade angebaut, vermutlich um 1672 bis 1676. Im Alten Rathaus befanden sich die Räume des Gemeinderats und der Bürgermeisterei, das Archiv, die Wohnung für den Marktmeister, im 3. Stock ein geräumiger Saal für Versammlungen und Festlichkeiten und unter dem Dach das „Arme-Sünder-Stübchen“, in dem zum Tode Verurteilte auf ihre Hinrichtung warteten. Auf dem Rathaus wurde auch das Stadtsilber aufbewahrt, 1682 waren dies 29 Trinkgefäße (in Notzeiten häufig für Kredite verpfändet). Hier wurden auch regelmäßig Hochzeiten veranstaltet, dafür konnte das städtische Zinngeschirr ausgeliehen werden. 1624 beschloss der Stadtrat, im Erdgeschoss des Rathauses Läden einzurichten und zu vermieten. Die ersten Ladeninhaber waren der Apotheker Georg Zösch, der Kannengießer Max Vogt, der Seckler Melchior Herz und der Messerschmied Veit. Der Keller des Hauses war an Geschäftsleute zur Unterbringung ihrer Waren vermietet, wurde aber auch als städtisches Weinlager genutzt. An der rechten Seite des Portals des Treppenturms brachte man 1817 die eiserne „Darmstädter Elle“ an, unterteilt in 24 Zoll. Seit der Maß- und Gewichtsreform 1817 bis zur Einführung des Metermaßes 1872 diente sie als Normalmaß für Handel und Gewerbe.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Rathaus für die rasch zunehmende Zahl der städtischen Mitarbeiter (Stadtverwaltung) zu eng. Das 1876 neu errichtete Standesamt beanspruchte zusätzlichen Platz. Nach und nach zogen Behörden aus dem Rathaus in andere Gebäude. Durch die jahrzehntelange Überbelegung war das Gebäude bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem schlechten baulichen Zustand. Nach einer Außenrenovierung 1914 wurde das Alte Rathaus 1926/27 innen komplett erneuert, das Holzgebälk des Dachstuhls durch Eisenträger ersetzt. Am 04.08.1927 erfolgte die feierliche Einweihung. Neben dem neuen Sitzungssaal der Stadtverordneten (im 2. Stock mit Galerie im 3. Stock) waren das Standesamt und das Ortsgericht dort untergebracht. Die Läden im Erdgeschoss wurden ersetzt durch einen großen Gastraum, der zunächst zur Abhaltung städtischer Festveranstaltungen vorgesehen war, kurz danach aber als „Ratskeller“ für die Öffentlichkeit zugänglich war. Nach der Kriegszerstörung 1944 blieb das Rathaus lange Jahre Ruine, weil sich die Stadt auf den Wiederaufbau und seine Form nicht einigen konnte. Nur der Ratskeller im Erdgeschoss nahm unter einem Notdach bereits 1948 seinen Betrieb wieder auf. Schließlich wurde das Haus 1954/55 wieder aufgebaut und beim offiziellen Festakt zum Stadtjubiläum am 29.06.1955 eingeweiht. Um den Fußgängerstrom in der Kirchstraße besser bewältigen zu können, erhielt es an dieser Seite Arkaden. Spätere Versuche der Stadt, die Arkaden wieder zu verbauen, wurden gerichtlich gestoppt. 2003 hat man an der Rückseite des Gebäudes einen Außenaufzug angebaut. Bis heute beherbergt das Alte Rathaus das Standesamt und den Ratskeller, der seit 1989 mit einer Hausbrauerei (Brauereien) verbunden ist.

Lit.: Das Darmstädter Rathaus. Hrsg. von der Stadt Darmstadt nach dem Umbau 1926/27, Darmstadt 1927.