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Alix Prinzessin von Hessen und bei Rhein

(verh. Kaiserin Alexandra von Russland)
* 06.06.1872 Darmstadt
+ 04./17.07.1918 Jekaterinburg
Die jüngste Schwester Großherzog
Ernst Ludwigs war beim Tod der Mutter Alice erst sechs Jahre alt. Doch wurde auch „Sunny“ oder „Alicky“, wie sie in der Familie hieß, vom englischen Einfluss der um ihre hessischen Enkel besorgten Großmutter Queen Victoria geprägt. Die hessischen Heiratsbeziehungen zur russischen Zarenfamilie der Romanows reichten mehr als ein Jahrhundert zurück, bis zur russischen Reise der „Großen Landgräfin“ Karoline von 1773 und der letztlich verunglückten Heirat ihrer Tochter mit Zarewitsch Paul, dem Sohn der befreundeten Kaiserin Katharina. Die Frau Kaiser Alexanders I. war die Schwester der Darmstädter Großherzogin Wilhelmine, deren Tochter Marie (1824-1880) ihren russischen Vetter Zar Alexander II. heiratete, mit dem sie häufig bei den hessischen Verwandten, in Darmstadt und auf Schloss Heiligenberg bei Bruder Alexander zu Besuch war. Bei der im Sommer 1884 in St. Petersburg gefeierten Hochzeit von Maries Sohn Großfürst Sergius oder Sergej (1857-1905) mit seiner Darmstädter Nichte Elisabeth (Ella, 1864-1918) traf die gerade 12-jährige Schwester Alix zum ersten Mal mit dem einige Jahre älteren Zarewitsch Nikolaus zusammen, eine Verbindung, die beim nächsten Familienbesuch in Russland 1889 vertieft wurde. Das junge Paar konnte sich gegen Bedenken aus beiden Familien durchsetzen, zumal der bei „Ellas“ Hochzeit opponierende Kaiser-Vetter Wilhelm II. in Berlin in der letztlich irrigen Hoffnung auf Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen zuredete.

Noch im Jahr der offiziellen Verlobung bei der Coburger Hochzeit Bruder Ernst Ludwigs mit Cousine Victoria Melita, deren Mutter ebenfalls eine Romanow war, folgte kurz nach dem Tod des Schwiegervaters auf der Krim die von der vorangegangenen Beisetzung überschattete Hochzeit des nunmehrigen Kaisers Nikolaus II. Die zum orthodoxen Glauben konvertierte Alix hieß seitdem „Alexandra Fjodorowna“. Zeugnis der wiederholten Besuche des Zarenpaars in Darmstadt wurde die Russische Kapelle auf der Mathildenhöhe, in der 1903 die orthodoxe Trauung der Battenberg-Cousine Alice mit dem Griechen-Prinzen Andreas gefeiert wurde. Das oft reproduzierte Familienfoto vor dem Neuen Palais zeigt das Zaren-Paar mit seinen vier Töchtern und der Großherzogs-Tochter Elisabeth, dem „Prinzesschen“, das beim anschließenden Jagd-Besuch im polnischen Skierniwice an Typhus starb. Belastungen für die an sich glückliche Ehe des Kaiserpaares brachten das tödliche Attentat auf Schwager „Serge“ beim Aufstand von 1905 und mehr noch die Erkenntnis, dass der im Jahr zuvor geborene, ersehnte Thronfolger Alexej die Bluter-Krankheit der Familie geerbt hatte. Das Ansehen der Zarin litt unter dem Einfluss des als Wunderheiler engagierten „Starez“ Grigori Rasputin. Einem längeren Kur-Aufenthalt in Bad Nauheim, für den 1910 ein „russisches Hoflager“ in der Burg Friedberg eingerichtet wurde, folgte zwei Jahre später ein letzter Sommer-Besuch der Großherzogsfamilie auf der Krim. Im 1914 ausgebrochenen Weltkrieg, den Kaiser Wilhelm II. vergebens durch Vermittlung des Vetters Ernst Ludwig zu verhindern suchte, gewann Kaiserin Alexandra durch den mit ihren Töchtern geleisteten Lazarett-Einsatz neues Ansehen. Nach dem von der Revolution im Frühjahr 1917 erzwungenen Thronverzicht wurde die kaiserliche Familie zunächst in Zarskoje Selo, dann im sibirischen Tobolsk interniert. Erst mehrere Monate nach der Machtübernahme der Bolschewiki und dem im März 1918 geschlossenen Frieden von Brest-Litowsk kam es zur Ermordung der nach Jekaterinburg verlagerten Familie und der in Alapajewsk am Ural inhaftierten, nach Großfürst Sergejs Tod Nonne gewordenen Schwester Ella. Heute erinnert in DA der Alexandraweg auf der Mathildenhöhe an Alix.

Lit.: Haus Hessen. Biografisches Lexikon, hrsg. von Eckhart G. Franz (Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission, NF 34), Darmstadt 2012, HD 93, S. 378-380; Massie, Robert K.: Nikolaus und Alexandra: Die letzten Romanows und das Erbe des zaristischen Russland, Frankfurt/Main 1968 (engl. 1967); Heresch, Elisabeth: Alexandra. Tragik und Ende der letzten Zarin, München 1993; King, Greg: Alexandra. Die letzte Zarin von Russland. Ihr Leben und ihre Zeit, München 1999 (engl. 1994); Erickson, Carolly: Alexandra Romanowa. Die letzte Zarin. Zürich 2005 (engl. 2001); auch: Jena, Detlev: Die Zarinnen Russlands (1547-1918), Graz / Wien / Köln 1999, S. 317-351; Barkowez, Olga / Fedorow, Fjodor / Krylow, Alexander: „Peterhof ist ein Traum …“. Deutsche Prinzessinnen in Russland, Berlin 2001, S. 223-304; Franz, Eckhart G.: Großfürsten und Großherzöge. Darmstadts dynastische Beziehungen zum Zarenhaus. In: Russische Beziehungen zu Wiesbaden und Darmstadt (Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden 10), Wiesbaden 2007, S. 11-33; "Die Wahl ist getroffen...", Darmstädter Prinzessinen in St. Petersburg, Schlossmuseum, Darmstadt 2015, S. 60-74.