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Merck

Merck ist das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt. Seine Wurzeln reichen zurück bis ins 17. Jahrhundert: 1668 erwarb der aus Schweinfurt stammende Apotheker Friedrich Jacob Merck die spätere Engel-Apotheke in DA. Sie befindet sich bis heute im Familienbesitz. Der Übergang zur industriellen Produktion erfolgte unter Heinrich Emanuel Merck, der die Apotheke 1816 übernahm; er ist ein Enkel von Johann Heinrich Merck. Im Apothekenlabor gelangen ihm die Isolierung und Reindarstellung von Alkaloiden, einer Klasse hochwirksamer Pflanzeninhaltsstoffe. 1827 stellte er mit dem „Pharmaceutisch-chemischen Novitäten-Cabinet“ eine Sammlung von Alkaloiden und Alkaloidsalzen zusammen und bot sie Apothekerkollegen, Chemikern und Ärzten an. Aus dieser über den Bedarf der eigenen Apotheke hinausgehenden Produktion „im Großen“ entwickelte sich eine pharmazeutisch-chemische Fabrik. Nach 1840 wurde die Alkaloidproduktion auf ein im Osten DAs gelegenes Gartengrundstück am heutigen Mercksplatz verlagert, wo Merck bereits 1831 kurzzeitig Chlorkalk hergestellt hatte. Die Aufstellung einer ersten Dampfmaschine erfolgte 1843. Nach dem Tod von Heinrich Emanuel Merck 1855 wurde das kontinuierlich wachsende Unternehmen von seinen Söhnen Carl, Georg und Wilhelm weitergeführt. Mit etwa 50 Mitarbeitern stellten sie Arzneimittelgrundstoffe sowie eine Vielzahl weiterer Feinchemikalien her. 1860 produzierte Merck mehr als 800, um 1900 bereits rund 10.000 verschiedene Artikel. Bahnbrechend waren die 1888 in den Handel gekommenen „Merck’s garantirt reinen Reagentien“ mit dem Zusatz „pro analysi“. Durch ihre Herstellung nach verbindlich formulierten Reinheitsstandards bildeten sie die Grundlage für die vergleichende chemische Analyse. 1904 wurden erstmals Arzneifertigwaren angeboten und Substanzen mit flüssigkristallinen Eigenschaften hergestellt.

Anfang des 20. Jahrhunderts war Merck auf allen Kontinenten vertreten, größere Niederlassungen gab es in London, New York und Moskau. Für das Fabrikgelände in DA gab es nach mehreren Erweiterungen keine Ausdehnungsmöglichkeiten mehr, da das Areal von der wachsenden Stadt eingeschlossen wurde. Merck erwarb daher ein im Norden DAs gelegenes Grundstück längs der nach Frankfurt führenden Straße. Nach Erteilung der Baugenehmigung 1901 wurde dort unverzüglich mit dem Bau der „neuen Fabrik“ begonnen. 1903/04 konnte die gesamte Fabrik aus der Stadt heraus an ihren heutigen Standort verlegt werden; die Gebäude der alten Fabrik wurden später abgerissen. Am Nord-West-Ende der „neuen Fabrik“ errichtete Merck Wohnhäuser für seine Arbeiter. Bezogen wurde die von Friedrich Pützer entworfene „Mercksche Arbeiterkolonie“ ab 1906, nach 1970 musste sie Fabrikbauten weichen. Infolge des Ersten Weltkriegs verlor Merck seine Auslandsniederlassungen, darunter die 1891 in den USA gegründete Tochterfirma Merck & Co. Diese wurde 1917 enteignet und ist seither ein unabhängiges amerikanisches Unternehmen. Die Produktpalette erfuhr wesentliche Erweiterungen: seit 1921 wurden Pflanzenschutzmittel angeboten, 1927 kam mit Vigantol® das erste Vitamin-D-Präparat, 1934 mit Cebion® das erste Vitamin-C-Präparat in den Handel. Am 12.12.1944 wurden bei einem schweren Luftangriff auf Merck 60 Menschen getötet und rund 70 Prozent der Gebäude ganz oder teilweise zerstört. Trotz der großen Schäden, deren Beseitigung viele Jahre dauerte, konnte Merck die Produktion von Arzneimitteln und Chemikalien weiterführen.

Basis des wirtschaftlichen Erfolgs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren vor allem eigene Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Pharma- wie im Chemiebereich. Zwischen 1950 und 1957 stieg die Zahl der Beschäftigten von 3.702 auf 5.856, der Umsatz verdreifachte sich; 1974 überschritt er erstmals die Grenze von einer Milliarde DM. Durch den steten Ausbau eines Netzes von ausländischen Beteiligungen und Niederlassungen wandelte sich Merck von einem vorwiegend deutschen Unternehmen zu einem internationalen Konzern. Begleitet wurden der Wachstumsprozess und der damit zunehmende Kapitalbedarf durch strukturelle Änderungen. Wichtigster Einschnitt war 1995 der Gang an die Börse. Seither bündelt Merck die operativen Tätigkeiten unter dem Dach der Merck KGaA, an der die Familie Merck mittelbar zu rund 70 Prozent und freie Aktionäre zu rund 30 Prozent beteiligt sind.

Heute ist Merck ein weltweit tätiges Pharma-, Chemie- und Life-Science-Unternehmen, das 2012 Gesamterlöse von 11,2 Milliarden Euro erzielte. Merck vertreibt innovative Biopharmazeutika und engagiert sich in Therapiegebieten mit hohem Spezialisierungsgrad wie neurodegenerative Erkrankungen, Onkologie, Fruchtbarkeit, Endokrinologie und Rheumatologie. Zum Produktportfolio zählen auch hochwertige Produkte für die Selbstmedikation. Im Chemiebereich konzentriert sich das Unternehmen auf Hightech-Chemikalien wie Flüssigkristalle für LCD-Displays, neue Beleuchtungstechnologien und Pigmente für die Lack-, Kunststoff-, Druck- und Kosmetikindustrie. Außerdem ist Merck einer der führenden Lieferanten von Arbeitsinstrumenten und Labormaterialien für die Life-Science-Industrie. Am Stammsitz in DA, wo sich der größte Forschungs- und Produktionsstandort des Konzerns befindet, arbeiten rund 8.800 Mitarbeiter. Merck ist somit der größte Arbeitgeber der Stadt. Weltweit setzen rund 38.000 Mitarbeiter eine mehr als 340-jährige Firmentradition fort, die 1668 in DA begann.

Lit.: Bernschneider-Reif, Sabine Huber, Walter Th. Possehl, Ingunn: „Was der Mensch thun kann ...“. Die Geschichte von Merck – das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt, Darmstadt 2002; Burhop, Carsten / Kißener, Michael / Schäfer, Hermann / Scholtyseck, Joachim: Merck - Von der Apotheke zum Weltkonzern, München 2018.