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Katholische Kirche im Nationalsozialismus

Das kath. Wochenblatt „Darmstädter Nachrichten“ setzte sich schon vor 1930 kritisch mit der NS-Ideologie auseinander. Zu einem weit beachteten Konflikt mit der NSDAP kam es 1931 wegen Ablehnung des kirchlichen Begräbnisses für Gauleiter Peter Gemeinder durch den zuständigen Darmstädter Pfarrer (wohl Christian Danz). Die Kritik an der Partei ließ nach, als wegen einer „positiven Erklärung“ Adolf Hitlers zur Bedeutung der Kirchen die kath. Bischöfe die früheren Verbote und Warnungen in einem Hirtenbrief aufhoben (28.03.1933). Es kam zu einer partiellen Identifikation der kirchennahen Katholiken mit dem neuen Staat, zumal dieser mit seinem Kampf gegen Bolschewismus und Sittenlosigkeit sowie für die Neugestaltung des Reichs auch Ziele der Kirche vertrat. Wegen der Entlassung hochgestellter kath. Beamter, wegen Behinderung des kath. Vereinslebens und der Förderung christenfeindlicher Strömungen blieben die kirchennahen Katholiken aber weiterhin auf Distanz zum Regime. Kath. Stimmen, die öffentlich zur Mitarbeit im NS-Staat aufriefen, blieben vereinzelt. Trotz Konkordats nahmen in den folgenden Jahren die Repressalien des Regimes zu: Kath. (Jugend-) Verbände wurden verboten oder kamen durch politische Auflagen zum Erliegen ( Bund Neudeutschland, Kath. Deutscher Frauenbund, Kolping, KKV Constantia). Priester erhielten Unterrichtsverbot, wurden zwangspensioniert, bespitzelt, verhört, verwarnt, mit Geldstrafen belegt oder verhaftet. Ermittlungsgründe waren u. a.: Nichtbeflaggen kirchlicher Gebäude, Verweigerung des Hitlergrußes, Missachtung des „Heldensonntags“ oder des Jahrestags der „Machtergreifung“, Unterlassen positiver Reaktionen auf Hitlers Überleben beim Attentat von 1944 und heimliche Fortsetzung der bisherigen Jugendarbeit. Mit dem Aufbau neuer Strukturen für die Jugendarbeit auf Pfarreiebene, unabhängig von den Verbänden, suchte die Kirche ihren Einfluss in der Jugenderziehung zu sichern. Durch starke Beteiligung an Prozessionen, Wallfahrten und Bekenntnisfeiern brachten viele Katholiken ihre Treue zu Glauben und Kirche zum Ausdruck.

Die gegen die Religionspolitik des Regimes gerichtete Enzyklika von Pius XI. „Mit brennender Sorge“ (14.03.1937) konnte in den Kirchen nur unter großen Vorsichtsmaßnahmen verlesen werden. Von den Machthabern wurde sie als „Kampfansage“ gegen das System gewertet und mit einer neuen Welle sog. Sittlichkeitsprozesse gegen kath. Priester- und Ordensangehörige beantwortet. Die sie begleitende massive Propagandatätigkeit wies man kirchlicherseits in Predigten und Zeitungsartikeln als Verunglimpfung zurück; was u. a. zur Verhaftung von Pfarrer Valentin Degen führte. Außer ihm und Christian Danz waren mehrere Priester und aktive Katholiken des Bistums Mainz in Darmstädter Gefängnissen inhaftiert, viele von ihnen im Rundeturmgefängnis. Konkrete Hilfsmaßnahmen für einzelne jüdische Mädchen leisteten die Barmherzigen Schwestern, indem sie diese durch Nähunterricht auf die Auswanderung nach Israel vorbereiteten. 1938 wurde das Herz-Jesu-Hospital geschlossen und in die neue Frauenklinik überführt. Im selben Jahr wurde das Institut der Englischen Fräulein aufgehoben, 1941 der dazugehörige Kindergarten; gleiches widerfuhr weiteren kath. Kindergärten. Im (spät erschienenen) „Dekalog-Hirtenbrief“ vom 19.08.1943 nahmen die Bischöfe Partei für das „lebensunwerte Leben“ und für Menschen anderer Rassen. Unter Wahrung der Loyalität und der eigenen Identität war diese Verlautbarung mehr als nur ein Ausdruck kirchlicher Selbstbehauptung.

Lit.: Hellriegel, Ludwig u. a. (Hrsg.): Widerstehen und Verfolgung in den Pfarreien des Bistums Mainz 1933-1945 Bd. II.1, Mainz 1990; Braun, Hermann-Josef: Widerstand aus den Reihen der katholischen Kirche. In: Renate Knigge-Tesche / Axel Ulrich (Hrsg.): Verfolgung und Widerstand in Hessen 1933-1945, Frankfurt/M. 1996, S. 269-289; Pfarrgemeinderat der kath. Pfarrgemeinde St. Elisabeth, Darmstadt (Hrsg.): 100 Jahre St. Elisabeth Darmstadt 1905-2005, Festschrift, Darmstadt 2005; Pfarrgemeinde St. Fidelis (Hrsg.): St. Fidelis. Unsere Pfarrgemeinde. Rückblick auf 90 Jahre (red. Alfred und Irene Brosch), o. O. 2011.