Stadtlexikon Darmstadt

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Wasserversorgung

Über die Anfänge der Darmstädter Wasserversorgung sind wir nicht informiert. Die Einrichtungen zur Wasserver- und -entsorgung bestanden wohl wie in anderen Städten vergleichbarer Größe auch aus einem dezentralen System von Brunnen, Quellwasserleitungen, Fließgewässern, Rinnsteinen, Abzugsgräben und Sinkgruben, ein System, das sich als unzureichend erwies, sobald sich seit dem späten 16. Jahrhundert die Stadt kontinuierlich vergrößerte. In DA dienten natürliche Quellen innerhalb und außerhalb des Stadtgebiets und wohl der Darmbach als Stadtbach zur Wasserentnahme, Letzterer aber hauptsächlich zur Entsorgung von Abwässern und Fäkalien (Kläranlagen). Man fasste die Quellen in steinernen Brunnentrögen und leitete ihr Wasser durch hölzerne Wasserleitungen in die Stadt. In und um DA und Bessungen gab es etwa 25 gefasste Quellen, die zunächst mittels sehr störanfälliger Holzröhren, später mit Ton- oder Bleirohren Wasser zu Brunnen oder privaten Schöpfstellen transportierten. Daneben sorgte der Große Woog mit seinem Abfluss, dem Mühlbach, für eine ständige Wasserzufuhr, die der Bevölkerung als Trinkwasser, mehreren Mühlen als Antrieb und Handwerkern und Brauereien als Brauchwasser diente. Insgesamt lieferten die alten Wasserleitungen jedoch eine unzureichende Menge Frischwasser.

Die frühesten Darmstädter Klagen über Wassermangel stammen aus den Jahren 1585 und 1593. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden mehrere Projekte geplant, den Wassermangel in DA zu beseitigen. Ingenieurleutnant Johann Jakob Hill machte 1770/71 und 1781 Vorschläge, die darauf hinaus liefen, den Zufluss der Quellen im Bessunger Wald zusammenzufassen und zu kanalisieren, Brunnenstuben neu zu fassen und zu vergrößern und damit mehr Wasser dem Darmbach und dem Mühlbach zuzuführen. 1800 wurde festgestellt, dass im südlichen Teil der Altstadt weder genügend Trinkwasser noch Wasser zum Löschen vorhanden sei. Durch die wenigen dort befindlichen Pumpen sei dem Mangel nicht abzuhelfen. Und das Wasser des Kleinen Woogs führe zu viel Straßenunrat und Kot mit und sei deshalb für Feuerspritzen nicht zu verwenden.

Im 19. Jahrhundert wurden die Wasserleitungen zwar erneuert und somit zumindest die Wasserverluste eingedämmt. Die Bevölkerungszunahme und die Ausweitung der Industrie- und Gewerbebetriebe ließen das Problem der Wasserversorgung und der Qualität des Trinkwassers dennoch immer drängender werden. Auch die fortschreitende Bodenversiegelung, die ein ausreichendes Versickern des Regenwassers innerhalb des Stadtgebiets verhinderte und somit den Grundwasserspiegel absinken ließ, sowie die allgemein nachlassende Ergiebigkeit der alten natürlichen Wasserzuleitungen trugen zum Wassermangel bei. Der für eine gute Versorgung ausreichende Wasserbedarf DAs wurde um 1870 auf täglich etwa 4.000-6.000 cbm berechnet. Tatsächlich lieferten die städtischen Wasserleitungen 1877 nur maximal 1.558 cbm pro Tag, im Hochsommer sogar nur 552 cbm. Durch die mangelhafte Abwasserentsorgung (Kläranlagen) war das Darmstädter Wasser zudem durch Salpetersäure, Chlor und andere Chemikalien sowie durch organische Rückstände belastet. 1871 begannen deshalb die Planungen für den Bau einer zentralen Wasserversorgung und einer Kanalisation. Baurat James Hobrecht (1825-1902), der mit der Neuanlage der Berliner Kanalisation beschäftigt war, wurde von OB Albrecht Ohly beauftragt, zusammen mit Stadtbaumeister Eduard Hechler das Projekt einer zentralen Wasserversorgung der Stadt durch die Wasserentnahme aus dem Grundwasserstrom der Rheinebene zu erarbeiten. Das städtische Wasserwerk konnte am 01.12.1880 seinen Betrieb aufnehmen. Die Pumpstation im Eichwäldchen zwischen Griesheim und Eschollbrücken förderte aus sechs Rohrbrunnen mittels zweier Dampfmaschinen das Wasser aus 60 Meter Tiefe und pumpte es zum Wasserhochreservoir auf der Mathildenhöhe, das ein Fassungsvermögen von 4.700 cbm hatte. Bei der Einweihung des Wasserwerks wurde Hobrecht für seine Verdienste zum Darmstädter Ehrenbürger ernannt. Zwei Straßen im Paulusviertel tragen die Namen der beiden „Väter“ der Darmstädter Wasserversorgung, Albrecht Ohly und James Hobrecht.

Der Ausbau der Wasserversorgung und der gleichzeitig begonnenen Kanalisation ging rasch voran. Bis zum März 1882 waren bereits 1.442 Grundstücke (von insgesamt 2.400) an das Wassernetz angeschlossen, das Wasserwerk hatte 549.241 cbm Wasser geliefert. Auch nach der Einführung der zentralen Wasserversorgung hielt die Stadt noch viele öffentliche Brunnen und den größten Teil der alten Wasserleitungen in Betrieb. 1905, beim 25-jährigen Bestehen der zentralen Wasserversorgung, wurden immer noch 30 Brunnen und 10 Pumpen aus den alten Leitungen gespeist, darunter der Marktbrunnen, der Löwenbrunnen auf dem Mathildenplatz, der Brunnen am Bismarck-Denkmal und die Bessunger Brunnebütt. Mit der Zunahme der Bevölkerung stieg die Förderleistung des Wasserwerks von ca. 3.000 cbm auf 16.000 pro Tag, der Pro-Kopf-Verbrauch von ca. 30 auf über 150 Liter in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Schon nach etwa zehn Jahren waren deshalb umfangreiche Erweiterungsarbeiten notwendig. Weitere Brunnen wurden gebohrt und zwei weitere Dampfmaschinen aufgestellt. 1896/97 verlegte die Wasserwerksverwaltung einen zweiten Druckrohrstrang bis zur Heinrichstraße, der Bessungen und die neuen höher gelegenen Stadtteile versorgen sollte. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die Wasserförderanlage eine Leistungsfähigkeit von 22.000 cbm pro Tag, die von 121 Rohrbrunnen aus bis zu 65 Meter Tiefe geschöpft wurden. Die jährliche Wasserförderung betrug etwa 3,6 Millionen cbm, 1927 wurden erstmals 5 Millionen cbm erreicht. Das Rohrleitungsnetz war im Dezember 1933 auf eine Länge von 278 km angewachsen.

Bereits Mitte der 1920er Jahre entwickelten sich erste Ansätze einer regionalen Verbundwirtschaft. Vor dem Ersten Weltkrieg war Darmstädter Wasser nach Arheilgen und Wixhausen geflossen. 1924 folgte der Anschluss von Griesheim, 1929 Erzhausen und Gräfenhausen, 1930 Gernsheim und 1933/34 Goddelau, Wolfskehlen, Dornheim, Erfelden, Leeheim, Stockstadt, Biebesheim und Eschollbrücken. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Leitungen durch Luftangriffe zerstört oder durch mangelnde Wartung beschädigt. Großes Glück hatte DA noch in den letzten Kriegstagen gehabt, als die vom deutschen Militär befohlene Zerstörung des Wasserwerks bei Eschollbrücken unterblieben war, weil der zuständige Offizier, Leutnant Hartz, den Befehl nicht ausgeführt hatte. Deshalb konnte die Wasserversorgung recht bald nach Kriegsende wieder reibungslos funktionieren. Das Wasserwerk DA förderte 1949 bereits wieder 10,8 Millionen cbm, das Wasserwerk Eberstadt einschließlich der Quellenzuläufe 580.000 cbm. Die Wasserförderung, seit Januar 1950 von der Südhessischen Gas und Wasser AG (Entega) übernommen, nahm Jahr für Jahr zu und das Verteilungsgebiet dehnte sich immer weiter aus. 1953 wurde die Wasserversorgung in Biblis und in Groß-Rohrheim durch ein neues Wasserwerk vor Ort aufgenommen. 1954 folgten Verträge mit Griesheim, Weiterstadt und weiteren fünf Riedgemeinden. 1958 erwarb man die Wasserversorgungsanlagen der Gemeinden Wixhausen, Gräfenhausen, Erzhausen und Dornheim. 1962 ging Traisa zum ausschließlichen Wasserbezug durch die Südhessische über und 1966 wurden die Wasserversorgungsanlagen der Gemeinden Weiterstadt und Bickenbach erworben und deren Belieferung mit Trinkwasser übernommen.

Seit 1974 lieferte man Wasser an den Zweckverband Wasserversorgung Stadt und Landkreis Offenbach, und im gleichen Jahr verkaufte die Stadt Erbach ihr Wasserwerk an die Südhessische. 1979 wurden 13 Städte und Gemeinden mit 365.000 Einwohnern mit insgesamt 23 Millionen cbm Trinkwasser beliefert. Das gesamte Rohrnetz hatte eine Länge von 850 km erreicht. Das alte Wasserwerk in Eschollbrücken konnte diesen rasant steigenden Wasserverbrauch nicht mehr befriedigen. Deshalb wich das alte Werk mit seinen zum Teil noch aus der Jahrhundertwende stammenden Anlagen in den Jahren 1959 bis 1966 einem modernen Neubau, der für eine Gesamtförderleistung von 80.000 cbm pro Tag ausgelegt war. Kurz danach wurde 1967 bis 1970 zwischen Pfungstadt und Eich ein zweites Großwasserwerk errichtet (Werk II), das ab Februar 1971 durchschnittlich 15.000 cbm pro Tag lieferte.

Bereits in den späten 1950er Jahren machten sich erstmals gravierende Probleme der Wasserversorgung im Ried bemerkbar. Im trockenen und heißen Sommer 1959 rief die Südhessische, die in diesem Jahr bis zu 54.000 cbm Wasser pro Tag lieferte, erstmals zum Wassersparen auf. Der Grundwasserspiegel im Ried sank jedoch weiter ab. Verschärft wurde die Situation durch den Bau eines Großwasserwerks durch den Wasserverband „Gruppenwasserwerk Ried“ bei Gernsheim, das vor allem den Wasserbedarf von Frankfurt/Main sicherstellen sollte. Der sinkende Grundwasserpegel schädigte die Natur, die Landwirte kamen mit ihren Pumpen nicht mehr tief genug, um ihre Felder mit Grundwasser berieseln zu können, und an vielen Häusern zeigten sich Setzrisse. Der extrem trockene Sommer 1976 führte zur Wasserarmut im Ried und löste in DA wieder einen Wassernotstand aus. Der im September 1979 gegründete „Wasserverband Hessisches Ried“ übernahm die Planung eines Wasserwerks zur Entnahme und Aufbereitung von Oberflächenwasser aus dem Rhein, das man per Fernleitung zur Grundwasseranreicherung an verschiedenen von der Grundwasserabsenkung besonders betroffenen Stellen des Rieds infiltrieren wollte. Außerdem war der Bau einer Beregnungsanlage für etwa 5000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche geplant. Während die Beregnungsanlage recht bald in Betrieb ging, verzögerte sich der Bau des Rheinwasserwerks in Biebesheim aufgrund vieler Einsprüche und Bedenken von Anliegergemeinden. Erst im Oktober 1989 konnte das Rheinwasserwerk Biebesheim seinen Betrieb aufnehmen und die Infiltration von aufbereitetem Rheinwasser beginnen. 1990 wurden 4,3 Millionen cbm aufbereitetes Rheinwasser versickert und 2,5 Millionen cbm zur Beregnung landwirtschaftlicher Flächen zur Verfügung gestellt. 1992 steigerte man die Menge infiltrierten Wassers auf 5,2 Millionen cbm. Trotz der Infiltration starben im Ried auch in den 1990er Jahren weiter Bäume ab, es gab erneut Setzrissschäden an Gebäuden. 1992 und 1993 musste nach längerer Unterbrechung wieder der Wassernotstand in DA ausgerufen werden. Erst danach entspannte sich die Wassersituation im Hessischen Ried, wozu einige feuchte Sommer ebenso beitrugen wie der Rückgang der Wasserförderung einiger großer Industriebetriebe.

Lit.: Engels, Peter: Festschrift zum Jubiläum 150 Jahre Gas- und 125 Jahre Wasserversorgung in Darmstadt und Umgebung, Darmstadt 2005.