Stadtlexikon Darmstadt

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Ulrich, Carl

Staatspräsident
* 28.01.1853 Braunschweig
† 12.04.1933 Offenbach
Der Sohn eines Schuhmachers lernte den Beruf des Metalldrehers und fand früh Kontakt zur Arbeiterbewegung. 1873 kam Carl Ulrich zum ersten Mal nach Offenbach und nahm schon 1875 als Offenbacher Delegierter am Parteitag in Gotha teil, auf dem der „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein“ und die „Sozialdemokratische Arbeiterpartei“ sich zur „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“ zusammenschlossen, der späteren SPD. Im gleichen Jahr gründete er die „Neue Offenbacher Tageszeitung“. Als Journalist und Parteiredner wurde er in der Zeit der Sozialistenverfolgung mehrfach aus politischen Gründen zu Haftstrafen verurteilt. Seit 1885 war er (bis 1918) für die SPD Abgeordneter im Landtag des Großherzogtums Hessen, seit 1890 auch Reichstagsabgeordneter (bis 1930) für den Wahlkreis Offenbach-Dieburg. 1905 wurde er Stadtverordneter in Offenbach. Im Darmstädter Landtag setzte sich Ulrich – oft drastisch und deutlich formulierend – für soziale Verbesserungen (Kürzung der Arbeitszeit, Unfallversicherung), das allgemeine Wahlrecht und ein sozial gerechtes Schulwesen ein. Er stand ein für technische Modernisierung, für Eisenbahn- und Straßenbau und polemisierte scharf gegen den Antisemitismus.

Am 09.11.1918 setzte der Hessische Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat Großherzog Ernst Ludwig ab. Drei Tage später bildete Carl Ulrich als Ministerpräsident eine Übergangsregierung, in die er aber auch Abgeordnete der DDP und des Zentrums berief, um einen möglichst geordneten Übergang zur Demokratie zu ermöglichen. Bei den Wahlen vom 26.01.1919 wurde die SPD stärkste Partei, und Ulrich führte im Volksstaat Hessen als Staatspräsident bis 1928 die Regierung. Trotz der Belastungen der Nachkriegszeit – französische Besetzung der linken Rheinseite, Putschversuche des Separatisten Dorten 1919 oder Kapp-Putsch 1920 – blieb die SPD stärkste Partei in Hessen, wenn auch Ulrich gegen die zunehmende Anhängerschaft republikfeindlicher Parteien in einer Koalition mit DDP und Zentrum regieren musste. Eine vorsichtige Bodenreform führte zur Verpachtung von Ackerland aus Großgrundbesitz an Kleinbauern. In den Städten wurde mit der „Wohnungsfürsorgegesellschaft für Hessen“ ein Wohnungsbauprogramm für die stark wachsende Bevölkerung aufgelegt. Bereits 1919 wurde die einheitliche Volksschule eingeführt, was das Ende der sozial separierten „Vorschulklassen“ für künftige Gymnasiasten bedeutete. 1923 fand erstmals die Verleihung des nach Georg Büchner benannten neuen hessischen Kunstpreises (Georg-Büchner-Preis) statt, und zwar am 11. August, dem Tag der Unterzeichnung der Weimarer Verfassung. 1928 trat Ulrich an seinem 75. Geburtstag als Staatspräsident zurück, Nachfolger wurde Landtagspräsident Bernhard Adelung.

Am 12.04.1933 starb Carl Ulrich. Die sozialdemokratischen Zeitungen konnten noch schreiben, dass er sein „Lebenswerk ... in Trümmer fallen“ sah, bevor sie am nächsten Tag „gleichgeschaltet“ wurden. In Eberstadt erinnert heute die Carl-Ulrich-Straße an ihn.

Lit.: Ulrich, Carl: Erinnerungen. Hrsg. von Ludwig Bergsträsser. Offenbach 1953; Handbuch der hessischen Geschichte. Vierter Band: Hessen im Deutschen Bund und im neuen Deutschen Reich (1806) 1815 bis 1945. Zweiter Teilband, 3. Lieferung: Großherzogtum und Volksstaat Hessen 1806-1945, bearb. von Eckhart G. Franz, Fritz Kallenberg und Peter Fleck, Marburg 2003, S. 890-910; ... wir sind noch nicht so weit". Carl Ulrich - Vorkämpfer für soziale Demokratie im hessischen Landtag. Reden 1888-1919. Einleitung und Auswahl: Thomas Lange. Wiesbaden, Hessischer Landtag 2007 (Hessische Schriften zum Föderalismus und Landesparlamentarismus, Nr. 12).