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Scharvogel, Jakob Julius

Entwerfer für angewandte Kunst
* 03.04.1854 Mainz
† 30.01.1938 München
Erste Anregungen für seine spätere Laufbahn als Keramiker erhielt Jakob Julius Scharvogel in den 1870er Jahren bei seinen Aufenthalten in Paris und London. 1883 fand er eine Anstellung als Fabrikingenieur in der Stiftmosaikfabrik Villeroy & Boch in Mettlach. Dort hatte er die Gelegenheit, sich mit der Herstellung und dem Vertrieb keramischer Baumaterialien vertraut zu machen. Ab 1886 leitete er die Vertriebszentrale von Villeroy & Boch in Leipzig. Um künstlerisch weiterzukommen, verließ Scharvogel 1898 das Unternehmen und ließ sich mit seiner Familie in München nieder. Er gründete eine eigene Kunsttöpferei, in der er geflammte Steinzeuggefäße herstellte, die sich an japanischen Vorbildern orientierten. Bald erweiterte Scharvogel seine Produktpalette um Fliesen und gewann künstlerische Mitarbeiter aus dem Kreis der „Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“, darunter Ludwig Habich und Paul Haustein. Durch die Zusammenarbeit mit diesen beiden Künstlern war Scharvogel bereits auf den Künstlerkolonie-Ausstellungen der Jahre 1901 und 1904 in DA präsent und mit Gefäßkeramiken, dekorativen Fliesen und Kaminkacheln u. a. im Haus Habich vertreten. Auszeichnungen auf internationalen Ausstellungen machten Scharvogel zu einem der angesehensten Kunstkeramiker in Deutschland. Im Frühjahr 1904 konkretisierten sich die Pläne, Scharvogel mit dem Aufbau und der Leitung einer Großherzoglichen Keramischen Manufaktur in DA zu betrauen. Das von ihm ausgearbeitete Konzept sah drei Produktionsschwerpunkte vor: Garten- und Bauterrakotta, farbige Steinzeugfliesen für die Außen- und Innendekoration sowie Gefäßkeramik. Laut Vertrag war Scharvogel Prokurist und „stiller Teilhaber“ der Manufaktur, zugleich wurde er in die Künstlerkolonie aufgenommen. Im April 1906 nahm die Keramik-Manufaktur ihren Betrieb auf. Besonderes Ansehen erlangte sie durch die Ausstattung von Gebäuden mit künstlerischer Baukeramik. Der größte und bedeutendste Auftrag waren die (weitgehend erhaltenen) Arbeiten für die Kuranlage in Bad Nauheim (1907-11), die sich auf die Gestaltung der Badezellen, der Innenhöfe, Wandelgänge und der Trinkkuranlage erstreckten. Die Modelle für die figürlichen Keramiken lieferten Bildhauer wie Heinrich Jobst und Karl Huber. In DA sind noch in folgenden Gebäuden Baukeramiken der Manufaktur zu sehen: Zentralbad (Terrakotta-Reliefs im Vorraum 1909), Georg-Christoph-Lichtenberg-Haus (Fliesen in Vestibül und Treppenhaus 1910/11), Hauptbahnhof und Restaurant „Fürstenbahnhof“ (1911/12). Da der wirtschaftliche Erfolg der Manufaktur ausblieb, wurde Scharvogel Ende 1913 entlassen. 1915 ließ er sich in München nieder und hielt an der dortigen TH Vorlesungen über Baukeramik.

Lit.: Zur Megede, Hans-Dietrich / Ulmer, Renate: Jakob Julius Scharvogel. Keramiker des Jugendstils. Katalog Darmstadt 1996.