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Reiber, Julius

Pädagoge, Politiker
* 12.07.1883 Gießen
† 21.09.1960 Darmstadt
Der in Mainz aufgewachsene Julius Reiber erhielt dort 1912 eine Anstellung als Volksschullehrer. Er gehörte zunächst der Partei Friedrich Naumanns an, danach der Fortschrittlichen Volkspartei, deren Vorsitz er 1914 übernahm. Als Soldat war Reiber von 1915 bis 1916 in Ypern und Verdun und verbrachte mehrere Monate im Lazarett. 1919 von der französischen Besatzungsbehörde verhaftet – weil er gegen die Bestrebungen Frankreichs kämpfte, das besetzte Gebiet in einen französischen Pufferstaat zu verwandeln – folgten die Ausweisung aus Mainz und die Übersiedlung nach DA. Hier arbeitete er zuerst als Lehrer, seit 1922 als Rektor an der Ballonschule. 1925 wurde Reiber zum ersten Vorsitzenden des Hessischen Landeslehrerverbands gewählt, er gehörte dem Vorstand des Deutschen Lehrervereins und dem Vorstand des Hessischen und Deutschen Beamtenbunds an. Von 1919 bis 1931 war er Mitglied der DDP des Hessischen Landtags. Zusammen mit dem Fraktionskollegen Wilhelm Henrich stellte er den Antrag auf Stiftung des Georg-Büchner-Preises. Aufgrund seiner freiheitlichen Gesinnung und seiner Verbindung zu Politikern der Linken wie Wilhelm Leuschner wurde Reiber 1933 von der NS-Regierung seines Amts enthoben. Während der Zeit des Nationalsozialismus musste er seinen Lebensunterhalt mit Aushilfstätigkeiten verdienen. Nach Kriegsende berief ihn Ludwig Metzger in die Darmstädter Stadtverwaltung. Aktiv beteiligte sich Reiber am Wiederaufbau der zerstörten Stadt. Im März 1945 wurde er zum kommissarischen Bürgermeister ernannt und im Juli 1946 zum Bürgermeister von DA gewählt. Reiber stritt zeitlebens für eine Reformierung der Erziehung und des Schulwesens, für mehr Gerechtigkeit und Toleranz. Im Ruhestand engagierte er sich als ehrenamtlicher Stadtrat und Dezernent für Schule, Theater, Jugendpflege und Sport. Von 1952 bis 1956 war er Stadtverordnetenvorsteher und von 1951 bis 1958 erster Präsident des Heinerfests. Für seine Verdienste erhielt Reiber den Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Seine Ehrengrab befindet sich auf dem Alten Friedhof in DA. Die Lagerhausstraße im Johannesviertel wurde zu seinen Ehren in Julius-Reiber-Straße umbenannt.

Lit.: Rack, Klaus-Dieter / Vielsmeier, Bernd (Hrsg.): Hessische Abgeordnete 1820-1933. Biografische Nachweise für die Erste und Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1820-1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919-1933, Darmstadt 2008, S. 722; Darmstädter Ehrengräber, Darmstadt 2016 (Darmstädter Schriften 105), S. 188-190.