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Peuckert, Will-Erich

Volkskundler
* 11.05.1895 Töppendorf/Schlesien
† 25.10.1969 Langen, Begraben in der Nähe der Engelsmühle/Mühltal
Eigentlich hatte er mit DA überhaupt nichts zu tun. Aber wie so viele nach dem Zweiten Weltkrieg entwurzelte, aus ihrer Heimat im deutschen Osten vertriebene Intellektuelle, war er auf der Suche nach ihr – und er fand hier, im Mühltal bei DA, so etwas Ähnliches wie sein geliebtes schlesisches Isergebirge. Hier kaufte er 1950 die Engelsmühle (Mühlen in Eberstadt), gerade als er ein paar Jahre mit der Göttinger Professur für Volkskunde endlich die ihm von den Nationalsozialisten versagte amtliche Anerkennung gefunden hatte.

Der Bauernsohn, aufgewachsen in dem kleinen Riesengebirgsdorf, begann seine Laufbahn als Dorfschulmeister, studierte dann Germanistik, Geschichte, Volkskunde, wurde 1927 zum Dr. phil. promoviert, habilitierte sich 1929 für Volkskunde und war dann Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Breslau. Seit 1932 lehrte er als Privatdozent Volkskunde an der dortigen Universität. Da er für seine Studien zur Kultur der Arbeiterschaft („Volkskunde des Proletariats“ nur Bd. I 1931) die Nähe zur Sozialdemokratie gesucht hatte, da er zudem seine Loyalität gegenüber den jüdischen Freunden wie Werner Milch und der Familie von Friedrich Ranke aufrechterhielt, fiel es seinen Gegenern und Denunzianten nicht schwer, ihn, den eigentlich gänzlich Unpolitischen, mithilfe der NSDAP aus seinen Ämtern zu verjagen.

Die erzwungene Muße als Frührentner und freier Schriftsteller nutzte er, zurückgezogen in Haasel, einem winzigen Dorf in den Jauerschen Bergen im Vorfeld des Riesengebirges, zu seinem Studium der „Großen Wende“ (1948), dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit in der Reformation, und darin interessierte ihn v. a. die „Pansophie“ (erstmals 1936), das Rosenkreuzertum (zuerst 1927) und die Alchemie.

Nebenbei hatte er von den frühesten Anfängen immer auch gedichtet, v. a. Romane geschrieben, aber auch Dramen und Lyrik. In Göttingen, wohin er 1946 (nach seiner abenteuerlichen Flucht vor der russischen Front im Frühjahr 1945) berufen wurde auf einen Lehrstuhl für Volkskunde und Geistesgeschichte, gab er dem Fach ein wenigstens doch europäisch-vergleichendes, internationales Profil. Neben seiner Lehrtätigkeit lag das v. a. in den Sagensammlungen, die er hier publizierte; zugleich war er Herausgeber des volkskundlichen Jahrbuchs „Die Nachbarn“ (1953 ff.) und Mitherausgeber der „Zeitschrift für Volkskunde“ (1958-1963) und der „Zeitschrift für Deutsche Philologie“ (1947-1963). Paracelsus, dem er schon eine Monographie gewidmet hatte (1941; 3. Auflage 1944), bekam jetzt noch eine fünfbändige Werkauswahl durch ihn. In der Öffentlichkeit erlangte er v. a. eine gewaltige Bekanntheit, weil er nach alten Rezepten eine Hexensalbe anrührte und sie im Selbstversuch gemeinsam mit einem Anwalt als Zeugen erprobte – die von einander unabhängigen Selbstprotokolle ergaben nahezu identisch und ganz den Verhörprotokollen der Hexenverfolgung entsprechend: Flugträume, Sexualphantasien – und hinterdrein einen gewaltigen Kater.

Nach seiner Emeritierung 1960 zog Peuckert ganz nach DA in seine Engelsmühle und entfaltete noch einmal eine gewaltige Schaffenskraft. Das mehrbändige Sagenlexikon wurde mit einem großen Mitarbeiterstab vollendet, die Darstellung der Pansophie in drei umfangreichen Bänden abgeschlossen. Und nun wurde Peuckert auch durch Mitgliedschaften mehrerer Wissenschaftsakademien und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gewürdigt.

Lit.: Brigitte Bönisch-Brednich, Rolf Wilhelm Brednich (Hrsg.): „Volkskunde ist Nachricht von jedem Teil des Volkes.“ Will-Erich Peuckert zum 100. Geburtstag, Göttingen 1996 (mit Biographie und unvollständigem Werkverzeichnis).