Stadtlexikon Darmstadt

Logo Darmstadt

Liebig, Justus von

Chemiker
* 12.05.1803 Darmstadt
† 18.04.1873 München
Justus Liebig besuchte 1811 bis 1817 das Pädagog, das er ohne Abschluss verließ, um eine Lehre als Apotheker in Heppenheim zu beginnen, die er nach zehn Monaten ebenfalls abbrach. Nach zwei Jahren in DA, in denen er mit chemischen Reagenzien experimentierte, ermöglichte der gute Kontakt des Vaters Georg von Liebig zu dem Bonner Chemie-Professor Karl Wilhelm Gottlieb Kastner (1783-1857) ihm im Oktober 1820 die Aufnahme des Chemiestudiums an der Universität Bonn. 1821 ging Liebig mit Kastner an die Universität Erlangen, musste die Stadt jedoch wegen der Beteiligung an studentischen Unruhen im Februar 1822 fluchtartig verlassen. Kastner und Ernst Christian Schleiermacher, Kabinettssekretär und enger Vertrauter Großherzog Ludewigs I., ermöglichten Liebig, Ende Oktober 1822 zum Studium nach Paris zu gehen, wo er Vorlesungen bei den berühmten Chemikern Joseph-Louis Gay-Lussac (1778-1850), Louis Jacques Thénard (1777-1857) und Pierre Louis Dulong (1785-1838) hörte und mit den neuesten theoretischen Erkenntnissen der Chemie vertraut gemacht wurde. Die schon früher begonnenen und in Paris weitergeführten Untersuchungen über die Fulminate (Salze der Knallsäure) fasste Liebig zu einer wissenschaftlichen Darstellung zusammen, mit der er 1823 in Erlangen promovierte.

Am 26.05.1824 wurde der gerade 21-jährige Liebig als ao. Professor an die Universität Gießen berufen, bereits am 07.12.1825 erhielt er den dortigen Lehrstuhl. In den folgenden Jahren revolutionierte Liebig das Studium der Chemie, indem er einen systematischen Studienplan festlegte und seine theoretischen Vorlesungen durch ein Praktikum ergänzte, das er selbst mit Unterstützung seiner Assistenten betreute. Er begründete damit den bis heute geübten Weg der Ausbildung des Chemikers, der sowohl in Lehre und Forschung als auch in der chemischen Praxis einsetzbar war. Für seine Verdienste um die Universität wurde er von Großherzog Ludwig II. in den Freiherrenstand erhoben. Liebig hat in Gießen fundamentale Beiträge zur Entwicklung der Chemie geleistet. 1831 entwickelte er nach jahrelangen Versuchen den „Fünfkugelapparat“, mit dem eine zuverlässige Methode der Elementaranalyse organischer Substanzen möglich wurde. Liebigs eigene Arbeit mit dem Fünfkugelapparat ermöglichte ihm 1831 die Entdeckung einer Flüssigkeit, die später unter der Bezeichnung Chloroform bekannt wurde. Ebenso entdeckte Liebig das erste synthetische Schlafmittel Chloralhydrat und eine leicht flüchtige Substanz, die er Aldehyd nannte, einer der wichtigsten Grundstoffe der künftigen chemischen Industrie. Um die Substanz zu sichern, war eine besondere Kühlvorrichtung nötig, die er kurz darauf entwickelte: den später nach ihm benannten Liebig-Kühler.

Liebigs enge Beziehungen zu seiner Heimatstadt DA blieben Zeit seines Lebens erhalten. Er war häufig zu Besuch bei seiner Familie, die seit 1825 in der Luisenstraße, unmittelbar am Luisenplatz lebte. Das väterliche Geschäft bestand ohne Unterbrechung bis 1936. Danach wurde es an alter Stelle als Liebig-Drogerie bis 1992 weitergeführt. Eine enge Beziehung bestand zu Heinrich Emanuel Merck, dessen Erforschung der Alkaloide Liebig förderte. Besonderes Aufsehen erregte Liebig in seiner Heimatstadt als Gutachter im Mordfall der Gräfin Emilie von Görlitz, einem der ersten Kriminalfälle, in dem für die Beweisführung medizinisch-chemische Gutachten herangezogen wurden. Neben Liebig war auch Merck Gutachter. Ein Zeuge aus dem Nachbarhaus, der junge August Kekulé, hatte am Abend des 13.06.1847 im Haus des Ehepaars Graf Görlitz, Neckarstraße 17, eine auffällige Feuererscheinung gesehen, die nach einiger Zeit wieder erlosch. Zwei Stunden nach Kekulés Beobachtung fand man die Gräfin Görlitz tot auf. Der Körper war durch die Flammen stark zerstört. Man dachte sofort an Mord, ein Motiv war aber nicht zu entdecken und niemand schien verdächtig. So nahm die Polizei an, dass einer der seltenen Fälle von Selbstentzündung sich ereignet hatte, die in manchen medizinischen Lehrbüchern gelehrt wurde. Später geriet jedoch der Diener der Gräfin in Mordverdacht, und es begann ein langwieriger Indizienprozess. Liebig wies nach, dass eine Selbstentzündung des menschlichen Körpers absolut ausgeschlossen sei. Der Diener wurde schließlich als Raubmörder überführt und zu lebenslanger Haft verurteilt.

1852 ging Liebig als Professor für Chemie nach München. Am 15.12.1859 ernannte König Maximilian II. ihn zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften und zum General-Konservator der wissenschaftlichen Sammlungen des Staats. Die Stadt München machte ihn zu ihrem Ehrenbürger. In München verlagerte sich der Schwerpunkt von Liebigs wissenschaftlicher Arbeit von der reinen zur angewandten Forschung. Er forschte über künstlichen Dünger, entwickelte ein Backpulver, das jedoch erst lange nach seinem Tod die Küchen und Bäckereien eroberte, eine Nährsuppe für Kranke, die in Münchener Krankenhäusern verwendet wurde, sowie eine Kindersuppe für Säuglinge. Ausgerechnet der Fleischextrakt, unter Liebigs Entdeckungen und Erfindungen nebensächlich, machte seinen Namen unsterblich, weil er in der ganzen Welt verbreitet war. Die den Packungen beigelegten Liebig-Bildchen mit Szenen aus Liebigs Leben wurden zum begehrten Sammlerobjekt. Neben seiner Forschungsarbeit entfaltete Liebig eine umfangreiche publizistische Tätigkeit, war Herausgeber der „Annalen der Chemie und Pharmacie“, des „Handwörterbuchs der reinen und angewandten Chemie“ (1837-56) und weiterer Zeitschriften. Mit seinen seit 1841 erscheinenden „Chemischen Briefen“ verschaffte er der Chemie eine bis dahin nicht gekannte Popularität und Bekanntheit.

Unmittelbar nach Liebigs Tod benannte DA eine Straße im gerade neu erschlossenen Johannesviertel nach ihm. Am 12.05.1877 wurde ein von dem Münchener Bildhauer Georg Bersch entworfenes Liebig-Denkmal auf dem Platz vor den Bahnhöfen eingeweiht (1913 vor die neu erbaute Justus-Liebig-Schule versetzt). Die Chemiker der TH Darmstadt ehrten Liebig durch eine Bronze-Büste über dem Portal des 1895 errichteten Neubaus des Chemischen Instituts (Technische Universität, alte Gebäude). Am 13.10.1913 wurde auf dem Luisenplatz das von Heinrich Jobst entworfene Liebig-Denkmal feierlich enthüllt. 1953 stellte der Heinerfestausschuss an der Stadtmauer einen Gedenkstein auf, der auf Liebigs Geburtshaus hinwies. Am Pädagog befindet sich ein Relief zum Andenken an den einstigen Schüler (Entwurf Bärbel Dieckmann). Die Stele am Erweiterungsbau der Stadtbibliothek stammt von Christfried Präger. Das Liebig-Relief, das Heinrich Jobst 1928 für den Flur des Liebig-Museums geschaffen hatte, hängt heute im Justus-Liebig-Haus. In Liebigs an alter Stelle neu aufgebautem Geburtshaus in der Großen Kaplaneigasse wurde am 07.07.1928 ein Liebig-Museum eröffnet. Nach dessen Kriegszerstörung 1944 wurden die geretteten Einrichtungsgegenstände 1951 dem im Wiederaufbau befindlichen Gießener Liebig-Museum übergeben. Das Heinerfest 1953 stand ganz im Zeichen des 150. Geburtstags Liebigs. Die Hessische Spielgemeinschaft führte das von Robert Stromberger geschriebene Liebig-Stück „Aus dem Bub werd nix“ auf, wobei der Autor selbst die Hauptrolle übernahm. 1964 erhielt das neu erbaute Volksbildungsheim den Namen Justus-Liebig-Haus. Im Schlossmuseum befinden sich heute das angebliche Kinderbett Liebigs und das Sofa, auf dem er sich 1873 seine letzte tödliche Erkrankung zugezogen haben soll.

Lit.: Justus von Liebig. Stationen eines Gelehrtenlebens. Katalog hrsg. vom Darmstädter Förderkreis Kultur e. V., bearb.: Peter Engels, Darmstadt 2003; Justus Liebig (1803-1873). Der streitbare Gelehrte. Katalog, hrsg. vom Präsidenten der Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen 2003.