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Lichtwiese

Die Lichtwiese, zwischen der Nieder-Ramstädter Straße und der Trasse der Odenwaldbahn (Eisenbahn) auf ehemals Bessunger Gemarkung gelegen, war noch in spätmittelalterlicher Zeit geschlossenes Waldgebiet. Eine im ausgehenden 15. Jahrhundert einsetzende Rodung ließ bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts die nachmaligen Wiesen entstehen, die bereits früh von den Bessunger Landwirten als Weideflächen genutzt wurden. Die nördlich gelegenen Teile der Wiesenstücke eigneten sich aufgrund schlechter Boden- und Grasbeschaffenheit nur für den nächtlichen Aufenthalt des Viehs (erstmals erwähnt 1574), weshalb man sie als Nachtweide bezeichnete. Der Name der Lichtwiese hingegen soll von ihrer Verpachtung und einer teilweisen Einforderung des Pachtzinses in Form von Kerzen („Lichtern“) herrühren. Kaufmann Karl Netz (1792-1864) nutzte einen Teil der Lichtwiese von 1829 bis ca. 1860 für die Anpflanzung von Maulbeerbäumen und zur Seidenraupenzucht. Ein Teil seines Geländes gab Netz 1824 an die Darmstädter Privilegierte Schützengesellschaft (Schützenwesen) ab, die dort 1830 ein Vereinshaus errichtete. Die Schützen gerieten jedoch alsbald in einen Dauerkonflikt mit der Darmstädter Stadtverwaltung, nachdem diese 1826 Teile der Nachtweide für die Anlage des neuen und bis 1894 mehrfach erweiterten städtischen Friedhofs erworben hatte (heute: Alter Friedhof). Erst der um 1900 vollzogene Umzug der Schützen nach Griesheim stellte auch am Alten Friedhof die sprichwörtlich gewordene Friedhofsruhe wieder her (Friedhöfe). Mit Beginn der Weimarer Republik rückte die seit der Eingemeindung Bessungens 1888 zu DA gehörende Lichtwiese auch in den Fokus stadtplanerischen Interesses. Nun begann man mit dem Ausbau zweier Sportfelder für die TH Darmstadt (Hochschulstadion, seit 1919) und den SV Darmstadt 98 (1919/21) und gab zusätzliches Gelände für den 1925 eröffneten und 1934 nach Griesheim verlegten Verkehrsflugplatz frei (Flugplätze). Aus diesem Grund ist die Lichtwiese umgangssprachlich auch als „Flugwiese“ geläufig. In den 1920er Jahren (bis ca. 1927) bestand auf der Lichtwiese ferner das Licht-Luftbad des 1884 gegründeten Darmstädter Naturheilvereins. An seiner Stelle erhebt sich heute das Gebäude der Fakultät für Architektur. Eine weit intensivere Nutzung der Lichtwiese als Baugrund setzte jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Es entstanden die Georg-Büchner-Schule von Hans Schwippert (1958-60), das Studentendorf am Lichtwiesenweg von Jan-Hubert Pinand (1959) und seit 1967 die neuen Institutsgebäude der TH Darmstadt für Architektur, Bauingenieurwesen, Maschinenbau und Chemie (Technische Universität DA, Standort Lichtwiese). Eine an den Institutsgebäuden vermisste ästhetische Einbindung der Architektur in den umgebenden Landschaftsraum will der auf Anregung des Archäologen Heiner Knell 1969 in Angriff genommene „Skulpturengarten Lichtwiese“ leisten. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist auch der vorübergehend auf der Lichtwiese aufgestellte, als Semesterarbeit entstandene, „Weiße Kopf“ Harald Männles aus Styropor. Eine landschaftsgärtnerische Vervollkommnung erfuhren die verbliebenen Freiräume der Lichtwiese schließlich seit 1980 durch die Anlage des „Landschaftsparks Lichtwiese“ mit dem zugehörigen „Linearen Haus“ der österreichischen Architektengemeinschaft Haus-Rucker-Co.

Lit.: Möbus, Walter: Bessunger Geschichten, Darmstadt 1993, S. 73-91.