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Kunst am Bau

Der Begriff „Kunst am Bau“ wurde hauptsächlich durch das Kunstschaffen nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren bekannt. Damals entstanden im Sinne einer entsprechenden Verordnung zahlreiche Kunstwerke an öffentlichen und öffentlich geförderten Wohngebäuden sowie im öffentlichen Raum. In früheren Jahrhunderten war es nicht erforderlich, per Erlass Kunst zu fördern, weil das Schmuckbedürfnis der Menschen stark ausgeprägt war und die Gebäude im jeweiligen Zeitstil architektonisch und mit Bauzier differenziert gegliedert und reich gestaltet waren. Erst die Architektur der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg mit ihrer oft schlichten Fassadengestaltung durch die Reduktion auf das Funktionale, aber vor allem die herrschende Armut der Künstlerschaft ließ die Berufsverbände in den 1920er Jahren eine staatlich garantierte Beteiligung von Künstlern beim Bau öffentlicher Gebäude fordern. Josef Goebbels, der nationalsozialistische Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, griff die Forderung auf und erließ am 22.05.1934 die „Kunst am Bau“-Richtlinie, nach der bei allen Hochbauten des Reichs, der Länder, der Gemeinden und der Körperschaften, bei denen Reich, Länder oder Gemeinden die Aktienmehrheit oder die Mehrheit der Geschäftsanteile besitzen, grundsätzlich ein angemessener Prozentsatz der Bausumme für die Erteilung von Aufträgen an bildende Künstler und Kunsthandwerker aufgewendet werden soll.

Diese Regelung galt bis 1945 und wurde am 25.01.1950 durch Beschluss des Deutschen Bundestags neu bekräftigt und auch von den Landesregierungen annähernd unverändert übernommen. Während es im Nationalsozialismus darum ging, auch die bildende Kunst für das Regime und seine Ideologie zu instrumentalisieren, war es in der Wiederaufbauzeit eine wichtige Aufgabe, der Kunst die Unabhängigkeit und Freiheit wiederzugeben, die sie unter der Diktatur verloren hatte. In Hessen wurde bereits 1949 die staatliche Kunstförderung per Kann-Bestimmung des Innenministeriums geregelt: 1 Prozent der gesamten Neubaukosten eines öffentlichen Gebäudes konnten danach für die künstlerische Gestaltung verwendet werden. Neben dem Aspekt der Förderung zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum ging mit dem Programm auch die finanzielle Unterstützung der bildenden Künstler und der ihnen dienenden Handwerks- und Industriebetriebe einher.

In DA wurde die „Kunst am Bau“-Regelung mit 1 Prozent der Baukosten für künstlerische Ausstattung nicht nur bei öffentlichen Bauten umgesetzt, auch die Wohnungsbaugesellschaften beauftragten Darmstädter Künstler. In einem Aufruf unter dem Titel „Kunst im Stadtbild“ appellierte Bürgermeister Ernst Schroeder im Namen des Magistrats an alle Bauherren, durch die Förderung der Künstler die alte Tradition DAs als ein Zentrum für angewandte Kunst am Bau und im Freien zu pflegen. In dem Aufruf wurde außerdem darauf hingewiesen, dass die Kunstwerke unter Wahrung der gebotenen Sparsamkeit und größtmöglichem Nutzwert bei Vermeidung jeglicher Luxusausstattung zu schaffen sind. So entstanden in den 1950er Jahren weit mehr als hundert Kunstwerke: Wandmalereien, Stein- und Glasmosaike, Glasfenster, Reliefs, Sgraffitos und Skulpturen aus Stein, Kunststein, Stahl und Bronze.

Zu den bekanntesten Darmstädter Künstlern der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zählten Helmut Brinckmann, Hermann Geibel, HAP Grieshaber, Well Habicht, Helmut Lander, Wilhelm Loth, Bruno Müller-Linow, die Brüder Eberhard und Gotthelf Schlotter, Fritz Schwarzbeck, Hermann Tomada, Ernst Vogel und Peter Weiss. Auch Künstler von „außerhalb“ wie Bernhard Heiliger (Berlin), Hans Leistikow (Berlin) und Will Sohl (Heidelberg) konnten in DA ihre Kunst verwirklichen. Nachdem die Anzahl öffentlich geförderter Kunstwerke ab 1960 stetig abnahm, hat der Darmstädter Magistrat am 05.07.1990 die „Kunst am Bau“-Richtlinien erneuert und erweitert: Die Mittel für „Kunst am Bau“ sollen seitdem bei Baukosten unterhalb von 10 Millionen DM 2 Prozent, darüber 1,5 Prozent der jeweiligen Baukosten betragen. Seitdem ist in DA wieder eine Zunahme von öffentlichen Kunstwerken zu verzeichnen.

Lit.: Herbig, Bärbel: Kunst am Bau, Denkmalpflege in Hessen 1&2 1995; Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Hessen. Stadt Darmstadt. Hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen in Zusammenarbeit mit dem Magistrat der Stadt Darmstadt – Denkmalschutzbehörde – Braunschweig, Wiesbaden 1994, S. 63-68.