Stadtlexikon Darmstadt

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Gesangvereine

Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert brachte einen Wandel in Politik und Gesellschaft, der seinen Niederschlag auch in der deutschen Festkultur fand. Das gesellschaftliche Leben verlagerte sich von der adligen Hofgesellschaft zunehmend in die Bürgerhäuser und in die Säle und Straßen der Stadt. Das 19. Jahrhundert als Epoche der Emanzipation des Bürgertums wird nicht umsonst das bürgerliche Zeitalter genannt. Es wurde zum Jahrhundert der bürgerlichen Feste, an denen die gesamte Bevölkerung teilnahm. Bezeichnenderweise begegnet uns auch erst jetzt das bisher unbekannte Wort „Volksfest“. Tragende Persönlichkeit dieser Entwicklung war in DA Großherzog Ludewig I. (1790-1830), dessen Politik zur allmählichen Überwindung der beruflichen und sozialen Abgrenzung in der Residenzstadt beitrug und das kulturelle Leben förderte.

In der ersten Jahrhunderthälfte wurde eine große Zahl geselliger und kulturell tätiger Vereine gegründet, unter ihnen viele Gesangvereine. Sie beschränkten sich nicht nur auf gemeinsames Singen, Musizieren, Turnen und gesellige Veranstaltungen, sondern betätigten sich am Vorabend der Revolution 1848/49 auch politisch. Als sich Gesangvereine aus DA, Alsbach, Eberstadt und Messel im Frühsommer 1846 auf der Burg Frankenstein zu einem Sängerfest trafen, ging es dabei eindeutig um eine politische Mobilmachung. Wie die Turnfeste (Sport in DA) bildeten die von den Musik- und Gesangvereinen initiierten Musikfeste einen festen Bestandteil des Darmstädter Festkalenders. So kamen im Jahre 1855 Delegationen aus DA, Mainz, Wiesbaden und Mannheim zusammen, um nach dem Vorbild der in Aachen, Köln und Düsseldorf stattfindenden Niederrheinischen Musikfeste ein „Mittelrheinisches Musikfest“ ins Leben zu rufen, das erstmals 1856 in DA abgehalten wurde. 1868 und 1894 war die Stadt erneut Gastgeber dieses Festes. Nicht alle Gesangvereine haben die bewegten Zeiten bis heute unbeschadet überstanden: Manche gingen, manche schlossen sich zusammen, neue kamen hinzu.

Heute gibt es in DA ein reges Leben der Gesangvereine und Chöre, von denen sich 22 im Darmstädter Sängerkreis zusammengeschlossen haben. Das Problem, engagierten Nachwuchs zu finden, kennen fast alle, daher sind viele Vereine mit der Zeit gegangen und haben ihr Repertoire durch moderneres Liedgut, wie z. B. Gospels und Spirituals erweitert. Der nachweislich älteste Gesangverein in DA war der 1821 gegründete Sing-Verein, der später den Namen Sängerverein Liedertafel trug und sich 1860 auflöste. Im Jahr 1842 kamen zwei weitere Vereine hinzu. In DA war dies der durch den Stadtkantor Johann Anton Daniel gegründete Darmstädter Sängerkranz, der sich später mit dem 1843 entstandenen Gesangverein Harmonie zusammenschloss und danach den Namen Liedertafel DA führte. In Eberstadt wurde im selben Jahr Frohsinn 1842 Eberstadt ins Leben gerufen. Sieben Jahre später folgte der Verein Sängerlust 1849 DA, der sich 1993 mit dem Gesangverein Treue 1924 Bessungen vereinigte. Zusammen mit den Vereinen Liederzweig 1855 und Concordia 1883 DA, die sich 1981 zusammenschlossen, bilden sie heute den „Chor 2000 Darmstadt“. 1861 entstand die Sängerschaft Erato, eine Studentenverbindung, die sich das gemeinsame Musizieren auf die Fahnen geschrieben hat. Der erste Arheilger Gesangverein, der Liederzweig Arheilgen, gründete sich 1862 und vereinigte sich 1973 mit Frohsinn 1876 Arheilgen zu der heute noch aktiven Sängervereinigung Liederzweig-Frohsinn. Ebenfalls in Arheilgen gründete sich 1870 Eintracht Arheilgen und 1875 Treue Arheilgen. Letzterer schloss sich 1972 mit dem 1875 entstandenen Volkschor DA zur Chorgemeinschaft Treue-Volkschor DA-Arheilgen zusammen. 1871 wurde der Liederkranz Wixhausen gegründet und 1881 der Liederkranz DA. Im selben Jahr entstand der Gesangverein Frohsinn-Harmonie, der sich ab 1968 in Darmstädter Männerchor umbenannte, 1981 aber den Singstundenbetrieb einstellte. Es folgte 1889 Harmonie Eberstadt, 1892 Sängerlust Arheilgen, 1893 die Chorgemeinschaft Wixhausen, die sich 2003 auflöste, und 1894 Germania Eberstadt. Zum Darmstädter Gesangsleben gehören auch viele Chöre, deren Ruf teilweise weit über DA hinausreicht. Zu den ältesten Kirchenchören zählen die Chöre der Stadtkirche (1874, heute Darmstädter Kantorei) und der Auferstehungsgemeinde (1880) sowie die Johanneskantorei (1895). Daneben gibt es berufs- oder betriebsgebundene Chöre wie die Gesangsabteilung der Bäckerinnung Kornblume (1891), der Männerchor der Fleischerinnung (1904), der Merck-Chor (1983) und der ESOC-Chor (1990). Im Darmstädter Chorleben hervorzuheben sind besonders der Chor der TH/TU Darmstadt (1947), das Collegium musicum vocale (1965), der Konzertchor Darmstadt (1977) sowie der Bachchor (1981). Unter den Kinderchören ist der Kinderchor Wixhausen (1979) besonders aktiv. Der Gospelmusik verschrieben haben sich der Gospelchor der Südostgemeinde „Git on Bo’ad“ (1994) und der 2004 gegründete Gospelchor des Musikvereins.

Lit.: Engels, Peter / Franz, Eckhart G.: Kleine Darmstädter Festgeschichte. Vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Darmstadt 2000.